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Peinlich, jammervoll, provinziell: So klingen die neuesten Äußerungen gleich mehrerer österreichischer Politiker zu unterschiedlichen Themen, wobei die Frau Tanner und der Herr Rauch den absoluten Tiefpunkt erreichen. Was für ein Unterschied zu Professionalität, Klugheit und Verantwortungsbewusstsein, die in mehreren anderen, (einst neutralen oder pazifistischen) Ländern zu bewundern sind.
Man kann nur den Hut ziehen insbesondere vor Schweden und Finnland, die jetzt in enger Abstimmung untereinander mit festen und parallelen Schritten von der traditionellen Neutralität in die Nato hinein wechseln. Seit Wochen findet dazu ein wirklich sensationeller Paarlauf zwischen diesen beiden Ländern statt.
Aber auch andere Nicht-Nato-Staaten haben aus dem russischen Angriffskrieg dramatische Konsequenzen gezogen:
Blicken wir nun auf Österreich. Vor diesen Wechsel müsste man fast eine Trigger-Warnung setzen, dass dieser Blick verstören und depressiv machen könnte.
Da redet Bundeskanzler Karl Nehammer zwar davon, dass der Nato-Beitritt der bisher neutralen Finnen und Schweden in Folge des Angriffskrieges Putins ein "Paradigmenwechsel" sei. Aber zugleich betont er mit geheimnisvoller Logik, dass an der österreichischen Neutralität nichts geändert werde. Denn Österreich könne ja "aktive Neutralitätspolitik" betreiben (warum nur die Schweden und Finnen nicht ebenfalls auf dieses Zaubermittel draufgekommen sind?). Es wird einem wirklich schon übel, wenn die österreichische Politik ihr hirnloses Kopf-in-den-Sand-Stecken seit vielen Jahren mit dieser völlig substanzlosen Phrase begründet, wir müssten nur eine "aktive Neutralitätspolitik" betreiben, dann würde alles gut.
Da läuft auch der FPÖ-Chef Kickl ständig mit dieser Phrase und der ebenso inhaltsleeren Forderung herum, Österreich solle "Brückenbauer" werden (oder will Kickl jetzt in der Ukraine die vielen Brücken schnell aufbauen, die seine russischen Freunde zerbombt haben?). Vor kurzem hat er sich sogar darüber aufgeregt, dass Nehammer in Kiew den dortigen Präsidenten besucht hat. Das wäre "neutralitätsfeindlich" gewesen.
Da haben die Finnen den für diese Woche zu einem Staatsbesuch angekündigten österreichischen Bundespräsident Alexander van der Bellen kurzfristig hinausgeworfen. An realitätsfremdem Illusions- und Phrasengedresche aus Österreich haben die sachorientierten Finnen nämlich absolut kein Interesse mehr (Van der Bellen wollte mit ihnen laut seinen offiziellen Ankündigungen über die Herausforderungen für die Europäische Union sprechen …). Der finnische Präsident fährt lieber nach Washington, als sich mit österreichischen Traumtänzern abzugeben.
Die Verantwortungslosigkeit dieser drei Spitzenmänner gegenüber der österreichischen Sicherheit wird noch durch die Verteidigungsministerin Tanner übertroffen. Sie begründet das Festhalten an der Neutralität und den Unterschied zum Verhalten Schwedens und Finnlands allen Ernstes damit, dass dort eine "räumliche Nähe" zu Russland gegeben sei.
Vielleicht könnte man der aus welchen Gründen immer zur Verteidigungsministerin gewordenen Bauernbündlerin einmal eine Landkarte kaufen (so viel Geld müsste doch selbst im österreichischen Verteidigungsbudget drinnen sein). Dann könnte sie entdecken, dass Österreich eine viel größere "räumliche Nähe" zu Russland oder gar zur von Russland angegriffenen Ukraine hat als die meisten Nato-Staaten, und dass auch Schweden keine direkte Grenze mit Russland hat. Vielleicht erspart sie uns dann solchen Unsinn. Ganz abgesehen davon, dass ihr Denken, wonach sich offenbar nur unmittelbare Nachbarn Russlands um die eigene Sicherheit kümmern müssten, mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass auch Länder wie Österreich bald unmittelbare Nachbarn Russlands sein könnten.
Endgültig empört über die gesamte politische Klasse dieses Landes macht aber, wenn man den neuesten Vorschlag von Gesundheitsminister Rauch liest. Er verlangt eine Diskussion über – das Verbot von Fiakern!
Über die Sicherheit Österreichs und Europas sowie die dafür notwendigen Maßnahmen diskutieren sie nicht. Das übersteigt ihren geistigen Horizont. Aber um die Fiaker macht sich diese Klasse geistiger Schrebergartenzwerge Sorgen!
Hinter vorgehaltener Hand sagen einem dann die Klügeren aus dieser Zwergenschar: "Wir wissen eh, dass wir da ein Problem haben. Aber solange die Mehrheit der Bevölkerung für die Neutralität ist, und solange 52 Prozent glauben, dass die Neutralität vor kriegerischen Auseinandersetzungen schütze, können wir das nicht lösen."
Gewiss: In der Demokratie ist der Wille der Bevölkerung zu respektieren. Und ohne die mit den schwedischen Kommunisten übereinstimmende und an hirnfreiem Populismus seit jeher alle anderen Parteien noch übertreffenden SPÖ gibt es ja kaum eine Chance auf die notwendige Zweidrittelmehrheit zu einer Änderung des Neutralitätsgesetzes.
Nur: Das gibt doch um Himmels Willen einer Regierung nicht das Recht, die Bevölkerung anzulügen. Das aber tut sie ständig. Dann sollte sie sich aber nicht über die Ergebnisse solcher Meinungsumfragen wundern.
Eine Regierung hätte vielmehr sogar die absolute Pflicht, den Menschen klipp und klar die Wahrheit zu sagen. Die besteht eindeutig in dem Satz:
Neutralität schützt keine Sekunde vor kriegerischen Auseinandersetzungen, und schon gar nicht dann, wenn der Neutrale nicht bis zu den Zähnen bewaffnet ist.
Das beweisen zahllose historische Beispiele. Wie etwa das Schicksal des zweimal neutralen Belgien, das gleich in zwei Weltkriegen eines der ersten angegriffenen Länder war. Wie etwa Ungarn 1956, dessen Neutralitätserklärung zum sowjetischen Einmarsch geführt hat. Wie etwa die zum Glück nur auf dem Papier gebliebenen russischen Polarka-Planungen für den Militärmarsch durch das neutrale Österreich, um Jugoslawien anzugreifen.
Aber was soll‘s. Der Sorgen-Horizont unserer Politiker endet beim Stress der Fiakerpferde. Und sie reden uns an jedem Nationalfeiertag erneut ein, das Wort "Neutralität" sei ein wunderbarer Talisman, um alle Unbill fernzuhalten.