Zwölf Lektionen aus anderen Ländern für die Alpenrepublik
08. April 2022 00:46
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 7:30
Während sich Österreichs Politik und Medien täglich krampfhaft bemühen, die Welt neu zu erfinden, und doch nie aus ihrem Ideologiesumpf herauskommen, sollten sie viel öfter einfach in andere Länder schauen, um gute Ideen zu finden, die nachzuahmen sind. Zwölf Beispiele aus ganz Europa als Anregung – die aber unsere politmediale Elite trotz aller Notwendigkeiten ignorieren wird. Weil sie ja nicht imstande ist, aus dem eigenen Eierbecher hinauszuschauen.
Die zwölf Lektionen im Einzelnen:
- Es entspricht zwar nicht unseren Vorurteilen über Rumänien, aber die Flucht einer ehemaligen Ministerin aus dem Balkanland lässt ordentlich staunen. Denn sie ist geflohen, nachdem sie wegen Korruption zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Ihr Delikt: Sie hat als Tourismus-Ministerin auf Steuerkosten eine Box-Gala organisiert, um ihr Image für künftige Wahlen zu verbessern.
Man stelle sich nur vor, in Österreich würden alle Politiker verurteilt, die aus Imagegründen Steuergeld für unnütze Dinge ausgeben. Von Schwimmbädern auf Wiener Straßen bis zu ländlichen Kreisverkehren werden ja reihum vermeintlich imagefördernde, in Wahrheit aber lediglich geldverschwendende Dinge vor Wahlen aus Steuermitteln organisiert. Zu dieser Liste gehören zweifellos auch über die Inflation hinausgehende Pensions- und Beamtenbezugs-Erhöhungen vor Wahlen, ebenso wie hektische und eindeutig parteipolitische Aktivitäten von Arbeiter- und Wirtschaftskammer. Oder Exklusivauftritte eines Bundespräsidenten bei angeblichen Spenden-Veranstaltungen – in jenem Jahr, da seine Wiederwahl ansteht. Oder, als weitaus größtes Korruptionsdelikt, die Vergabe von parteipolitisch gesteuerten Bestechungsinseraten aus öffentlichen Geldern im alljählich dreistelligen Millionenbereich an bestimmte Medien (ganz besonders in Wahljahren und ganz besonders im Imperium der Stadt Wien).
Um das zu bekämpfen bräuchten wir freilich eine Korruptionsstaatsanwaltschaft, die so fähig ist, wie es neuerdings ihre rumänischen Kollegen sind, die sich nicht als ideologisch-parteipolitisches Instrument zur Bekämpfung feindlicher Politiker missversteht, und die sich nicht statt mit den großen Verbrechen primär mit lächerlichen Kleinigkeiten befasst – etwa mit Beamten, die Wahlkartenkuverts zu früh schlitzen, oder mit Polizisten, die für die Begleitung eines Gefahrenguttransports zehn Euro Trinkgeld bekommen.
- Apropos Wahlkampf-Opportunismus: Da kann man nur vor dem um seine Wiederwahl kämpfenden Präsidenten Frankreichs tief den Hut ziehen. Denn er hat mitten im Wahlkampf angekündigt, das Pensionsantrittsalter von 62 auf 65 Jahre zu erhöhen. Das macht im von Populismen aller Art geschüttelten Österreich sprachlos, wo seit Wolfgang Schüssel keine Regierung am Pensionsantrittsalter zu rütteln gewagt hat. Obwohl das in Österreich angesichts der dramatischen Überalterung, der Kinderarmut, der steigenden Lebenserwartung, der wachsenden Staatsschulden und des überall schon katastrophal auftretenden Arbeitskräftemangels heute noch viel notwendiger wäre als damals. Dennoch wagt ausgerechnet in dem bisher nonchalant weit über seine Verhältnisse lebenden Frankreich der Präsident solche Ankündigungen. Und hat dennoch gute Chancen auf seine Wiederwahl.
- Apropos seltsame Spendenveranstaltungen mit dem österreichischen Bundespräsidenten: In Schweden hat ein ähnliches Solidaritätskonzert neunmal so viel Geld für die Ukraine gesammelt wie ein solches (samt massiver ORF-Hilfe) in Wien.
- Apropos ORF: Da kündigt die neue Chefin der ARD in Deutschland an, den Journalisten des dortigen Gebühren-Rundfunks ihren unerträglichen Gesinnungsjournalismus auszutreiben. "Unserem Nachwuchs unterstellt man manchmal moralischen Rigorismus. Wir haben dieses Problem erkannt und sind es angegangen." Die ARD-Journalisten sollen sich künftig darauf beschränken, "zu sagen, was ist". Im ORF herrscht haargenau der gleiche Gesinnungsjournalismus wie bisher in der ARD, den man auch als linken Umerziehungs-Journalismus bezeichnen könnte. Aber seit dem Ausscheiden von Gerd Bacher gab und gibt es dort niemanden, der dieses Problem zumindest erkannt geschweige denn bekämpft hätte. Und dass es einen neuen ORF-Generaldirektor gibt, der angeblich nicht links ist, hat noch niemand mitbekommen.
- Würde etwa der ORF berichten, "was ist", dann würden die Österreicher erfahren, was in Großbritannien das Unterhaus beschlossen hat (auch wenn es das seit einigen Jahren klar linke Oberhaus zu verhindern versucht, wozu ihm aber die britische Rechtsordnung nicht wirklich die Möglichkeit gibt): So soll künftig Menschen, die sich als Zuwanderer die Staatsbürgerschaft erschlichen haben, diese wieder entzogen werden können. So soll es harte Strafen für "Flüchtlinge" geben, die auf illegalen Routen ins Land kommen.
- Der österreichische Außenminister könnte von vielen Ländern lernen, wie man zumindest die ärgsten Peinlichkeiten vermeidet. So hat er sich nämlich noch am Dienstag ins Fernsehen gestellt und erklärt, dass Österreich bei der von Dutzenden Demokratien praktizierten Ausweisung der (noch dazu in Österreich in großer Überzahl tätigen) russischen Diplomaten nicht mitmachen werde, es sei denn, einer von ihnen würde beim Spionieren erwischt. Nur um dann am Donnerstag plötzlich vier von ihnen auszuweisen. Das heißt: Entweder ist Herr Schallenberg völlig überflüssig und jemand anderer – wohl der Bundeskanzler – macht an ihm vorbei die österreichische Außenpolitik. Oder aber Herr Schallenberg ist völlig überfordert und hat nicht gewusst, dass gleich vier der beim Außenministerium akkreditierten Diplomaten Spionage betreiben. Welche Erklärung ist peinlicher?
- So hat die SPÖ jetzt etwas getan, was in überhaupt keiner Demokratie der Welt anständige Politiker tun würden: Sie hat durch eine scheinheilige Parlamentsanfrage einen anonymen Denunziationsbrief in voller Länge, aber unter parlamentarischer Immunität an die Öffentlichkeit gespielt. Das ist etwas, was wohl auch keine einzige Zeitung der Welt tut. Was nur die SPÖ tut. Dabei ging es um die Sicherheitsbeamten, die die Familie des Bundeskanzlers beschützen müssen (gegen den insbesondere aus der Gruppe der radikalen Corona-Leugner, die gerade die grüne Klubobfrau physisch massiv attackiert haben, Morddrohungen gekommen sind). Diese haben außer Dienst alkoholisiert ein anderes Auto beschädigt. Dabei erregt sich die SPÖ – pardon: ihre anonymen Briefschreiber – etwa darüber, dass Sicherheitsbeamte die Kinder Nehammers mit dem Auto in die Schule bringen. Als ob die Sicherheitsbegleitung der Kinder in der Straßenbahn, samt hinterherfahrendem Polizeiauto, einfacher wäre. Als ob die Nehammer-Kinder sich nicht mit Sicherheit lieber ohne die polizeilichen Wachhunde bewegen würden.
- Da könnte aber auch Karl Nehammer – so sehr seine Bereitschaft, jetzt nach Kiew zu reisen, anzuerkennen ist – vom Ausland viel lernen. Etwa von Finnland, wo Präsident Niinistö nun den Mut hatte zu sagen, dass er seine Meinung in Sachen Neutralität geändert hat. Dazu haben auch die massiven Meinungsäußerungen der finnischen Bürger beigetragen. Denn jetzt sind angesichts des Schicksals der allein gelassenen Ukraine schon 62 Prozent der Finnen für einen Nato-Beitritt! Ganz ähnlich ist die Entwicklung in Schweden.
Nehammer hingegen hat sich nicht entblödet, erst vor wenigen Tagen zu behaupten, dass uns ausgerechnet die Russen die "Demokratie" gebracht hätten. Dabei ist von denen wirklich überall die Demokratie immer nur zerstört worden. Dabei hat Österreichs Regierung 1955 den Abzug der russischen Truppen mit dem Satz "Österreich ist frei!" gefeiert. Dabei hat Österreich seine Demokratie neben dem geschlossenen Einsatz seiner Bürger (auch der Sozialdemokratie) ganz sicher nur dem Interesse der Westmächte zu verdanken, die Österreich zum Glück nicht so wie den Rest Mitteleuropas den Russen und damit auf vier Jahrzehnte totaler Unfreiheit und vielfacher Not überlassen haben.
- So könnte Österreich auch von einem anderen neutralen Land viel lernen: von der Schweiz. Diese hat nicht nur eine um ein Vielfaches stärkere Armee. Diese hat in den letzten Jahrzehnten auch für mehr Menschen atomsichere Schutzräume gebaut, als die Schweiz Einwohner hat. Bei uns gilt hingegen die vor allem von SPÖ und Kronenzeitung ausgegebene Devise: Wos brauch man dös ollas.
- So könnten Österreich und eben insbesondere die SPÖ, sowie die von manchen noch immer für relevant angesehene Kronenzeitung in Sachen Landesverteidigung sogar von der heimischen Caritas lernen. Deren eigentlich sehr, sehr weit links stehender Generalsekretär hat nämlich jetzt gefordert, dass es neben der militärischen auch eine soziale Sicherheit geben müsse. Das zweite, also immer noch mehr Sozialausgaben, fordern Caritas-Funktionäre zwar schon seit Jahrzehnten so wie die Linksparteien rund um die Uhr. Soweit so fad.. Aber mit dieser Formulierung hat der Herr Schwertner eben auch eindeutig zugegeben, dass die militärische Sicherheit genauso wichtig ist. Und er hat damit nicht mehr die jahrzehntelange Unsinnstheorie der Caritas und der Linken erzählt, dass es eh keine Kriege mehr geben würde, würden wir nur genug Sozialbudgets haben. Beides ist absolut neu.
- So täte es der österreichischen Präpotenz auch enorm gut, nachzudenken, warum zumindest bis zum Kriegsausbruch Ostmitteleuropa von der Ostsee bis ans Schwarze Meer ein fast jedes Jahr höheres Wirtschaftswachstum hatte. Der Grund ist ganz eindeutig: Sie haben fast alle die bei uns ringsum als neoliberal, als Teufelswerk denunzierte Flat tax, also einen Einheitssatz bei der Einkommensteuer auf sehr niedrigem Niveau. Dort zahlt man zwischen 10 und 20 Prozent Einkommensteuer (in Ungarn und Tschechien 15 Prozent), egal wie viel man verdient, während bei uns diese Steuer bis zu 55 Prozent von jedem zusätzlich verdienten Euro nimmt. Dabei sind dort fast überall die Staatsschulden deutlich niedriger. Dabei gäbe es dort für linke Populisten zum Unterschied von Österreich ein paar echte Argumente, was man für diesen und jenen sozialen Zweck noch deutlich mehr ausgeben sollte. Forderungen, die bei uns der SPÖ fast im Stundentakt einfallen.
- Und im Gegensatz zur linken Hasskampagne gegen Ungarn hat auch dieses (durch die Putin-Liebe seines Ministerpräsidenten durchaus problematische) Land sehr wohl darüber hinaus für eine bestimmte Gruppe etwas, sogar sehr viel, an Sozialausgaben aufgewendet, die bei uns seit den 70er Jahren sträflich missachtet wird: für die Familien. Bei größerer Kinderanzahl sind diese fast überhaupt steuerfrei gestellt und bekommen massive Hilfe beim Hausbau und beim Kauf eines Familien-Vans. Der Rest sind zwei reine Rechenaufgaben: Erstens: Welches dieser beiden Länder wird den Facharbeitermangel zumindest in der Zukunft besser in den Griff bekommen? Welches Land wird früher aussterben, die Ungarn oder die Österreicher?
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