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Viktor, the winner is - home alone

Vor wenigen Monaten wäre der Wahltriumph von Viktor Orbán reiner Anlass zum Jubel gewesen. Heute kann man ihn aber nur noch mit durchaus gemischten Gefühlen zur Kenntnis nehmen. Einerseits gibt es nach wie vor viele gute Gründe zur Freude über das Ergebnis. Andererseits hat sich Orbán im Ukraine-Krieg überaus charakterlos verhalten. Man kann jetzt nur hoffen, dass er diese Einstellung wenigstens bald korrigiert. Man muss es auch vor allem deshalb hoffen, weil Ungarn ein seit Jahrhunderten mit Österreich verbundenes, aber auch für die gemeinsame Zukunft Mitteleuropas ganz wichtiges Nachbarland ist.

Viel spricht dafür, dass der mit massiver Mehrheit wiedergewählte ungarische Premier seinen russlandfreundlichen Kurs vor allem deshalb eingeschlagen hat, weil er den Wählern dadurch einreden konnte, bei einer scharfen Verurteilung der russischen Aggression wäre Ungarn bedroht und seine Soldaten müssten in der Ukraine kämpfen.

Diese beweisfreie und zynische Angstmache hat Erfolg gehabt, auch wenn Ungarn pro forma alle EU-Sanktionsbeschlüsse mitträgt. Hingegen hat es im Unterschied zu anderen Nachbarländern der Ukraine nicht erlaubt, dass über Ungarn Waffenlieferungen an die Ukraine gehen. Dabei waren und sind diese Lieferungen ein entscheidender Beitrag für die erstaunlichen Abwehrerfolge der Ukraine. Dabei ist völlig klar: Wenn Putins Krieg auf die EU und damit die Nato überschwappt, wird Ungarn das bisherige Putinisieren seines Premiers gar nichts helfen. So muss ja Ungarn auch jetzt schon genau die gleichen Konditionen bei seinen Gaslieferungen hinnehmen wie der Rest der EU.

Orbán ist zweifellos viel zu intelligent und zu erfahren, um das alles nicht zu wissen.

Hinter seiner Haltung steht wahltaktischer Opportunismus, nicht Feigheit. Diese prorussische Haltung ist aber noch aus einem weiteren Grund enttäuschend: Orbán ist einer der ganz wenigen noch amtierenden osteuropäischen Politiker, die sich einst noch selbst tapfer und öffentlich der sowjetrussischen Herrschaft entgegengestellt haben. Und ausgerechnet er ist auf Distanz zu der gegen eine ganz ähnliche russische Herrschaft kämpfende Ukraine gegangen.

Das bleibt traurig, auch wenn Orbáns Flirt mit den Russen psychologisch zweifellos eine Reaktion auf die ständigen völlig überflüssigen Provokationen und Demütigungsversuche der EU gegenüber Ungarn sind. Aber Orbán hat sich damit eindeutig vom Regen in die Traufe geflüchtet.

Das bleibt traurig, auch wenn Orbán nach der Wahl mutmaßlich wieder seinen Kurs ändern und aus der Traufe wegzukommen versuchen wird. Das ist umso notwendiger, da Orbán mit seinem Putinisieren ja auch seinen bisher engsten Verbündeten, also Polen, ebenso vor den Kopf gestoßen hat wie die für Ungarn besonders wichtigen USA. Dabei war der langjährige enge und vertrauensvolle Schulterschluss Polen-Ungarn auch die Lebensversicherung Orbáns gegen echte Sanktionen der EU. Ohne Polen kann es keinen Entzug des ungarischen Stimmrechts gebe. Polen hingegen ist jener Nachbar der Ukraine – und Russlands! –, der weitaus am tapfersten Flagge gegen den Aggressor zeigt, der nicht nur weitaus am meisten Flüchtlinge aufgenommen hat, sondern der der Ukraine auch sehr effizient mit Waffen hilft. Orbán kann sich ja nicht im Ernst nur noch auf das kleine Slowenien verlassen.

Es ist jedenfalls kaum vorstellbar, dass noch einmal gelingen kann, jemals wieder so ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Ungarn und Polen wie in der Vergangenheit aufzubauen. Damit ist die Zukunft der Visegrad-Vier fundamental bedroht. Das ist enorm schade, weil Mitteleuropa das einzige relevante Gegengewicht gegen die linksliberale EU-Mehrheit in Westeuropa werden hätte können. Und weil gerade Orbán selbst immer wieder die zentrale Bedeutung Polens als größtes Land für Mitteleuropa angesprochen hat.

Das ist auch deshalb enorm schade, weil man erstmals auch im Wiener Außenministerium, wo man sich lange nur entweder Richtung Deutschland oder Richtung Balkan orientiert hat, ein wenig die Bedeutung einer engeren mitteleuropäischen Kooperation erkannt hat. Was man zuletzt insbesondere an der gemeinsamen Reise der Außenminister aus Tschechien, Österreich und der Slowakei nach Moldawien ablesen konnte.

Ungarn muss jedenfalls international sehr aufpassen, dass der Orbán-Sieg nicht zu einem Pyrrhus-Sieg wird, der das Land sehr, sehr einsam macht. Orbán kann ja nicht im Ernst glauben, echte Freunde wie Polen und die anderen Visegrad-Länder oder wie die USA durch Putins Russland ersetzen zu können.

So traurig dieser wahltaktische Russlandflirt Orbáns auch ist, so wenig kann das daran ändern, dass in vielerlei anderer Hinsicht der neuerliche Sieg des Langzeitpremiers auch positiv zu werten ist. Denn dieser Sieg ist auch – weit über Ungarn hinaus – eine Bestätigung der  Bedeutung der nationalen Identität des eigenen Landes für die Bürger gegenüber den Zentralisierungs- und Bevormundungstendenzen in den EU-Institutionen, die sich in Bereiche einmischen, die in keinem EU-Vertrag der Union überantwortet worden sind. Wie es etwa die ungarischen Gesetze gegen Schwulen- und Trans-Propaganda in den Schulen sind.

Auch wenn Ungarn ständig als illiberales Land gegeißelt wird, so kann jeder österreichische Liberale in Wahrheit von Ungarn nur träumen, insbesondere von den dortigen Steuergesetzen. Mit einer Einkommensteuer von maximal 15 Prozent (als Flat Rate) und einer Körperschaftssteuer von 9 Prozent herrschen beim pannonischen Nachbarn absolut paradiesisch-liberale Zustände. Die logischerweise auch immer mehr Europäer und Unternehmen zur Übersiedlung nach Ungarn veranlassen und dort die Wirtschaft boomen lassen.

Auch alle Konservativen Europas können angesichts der besonders üppigen Unterstützung für ungarische Familien wie auch für Christen in der Dritten Welt und insbesondere im islamischen Raum dem Land nur zujubeln.

Ein weiterer Grund, sich über den Wahlsieg Orbáns trotz allem zu freuen, ist die empörende Hetzkampagne des ORF – sowohl in Radio wie Fernsehen – gegen Orbán. Diese Kampagne hat noch weit die Einseitigkeiten des Gebührensenders zugunsten der innerösterreichischen Linken übertroffen. Was man kaum für möglich gehalten hat.

Dabei hat es den ORF nicht einmal gestört, dass sich die ungarischen Linksparteien sogar mit einer rechtsextremen Gruppierung (Jobbik) mit zumindest in früheren Jahren eindeutig antisemitischen Akzenten verbunden haben, nur um Orbán zu stürzen.

Dabei war jeder in den letzten Tagen zu hörende Vorwurf der ORF-Kampagne lächerlich:

  • In Ungarn gäbe es keine Pressefreiheit mehr, da 80 Prozent der Medien Orbán unterstützen würden. Mag sein, dass das stimmt, auch wenn bei diesem regelmäßig wiederholten Vorwurf völlig unklar geblieben ist, was eigentlich mit den 80 Prozent gemeint ist: Auflage? Zahl der Zeitungstitel? Zahl der Redakteure? Nur Print und TV? Oder auch Online? Hat man 80 Prozent der Ungarn verboten, andere Medien zu konsumieren? Ist offenbar alles egal. Hauptsache, es klingt nach Zensur. Mehr interessiert die ORF-Kampagnisierer doch nicht. Dabei würde sich die Frage geradezu zwingend aufdrängen, würde man logisch und nicht ideologisch argumentieren: Warum konsumieren nicht mehr Ungarn jene Medien, die Orbán attackieren?
  • An Orbán-freundliche Medien würde ungarisches Steuergeld fließen: Auch das mag stimmen – nur ist es absolut peinlich, wenn ausgerechnet von österreichischen Medien solche Vorwürfe erhoben werden. Gibt es doch kaum eine Demokratie, in der so viel Steuergeld ohne jede Objektivierung an Medien geht wie Österreich; und hat sich doch insbesondere die Gemeinde Wien durch fast ungehemmt fließendes Steuergeld praktisch alle relevanten Medien gewogen gemacht.
  • In Ungarn seien einige Orbán nahestehende Menschen reich geworden: Selbst wenn der Vorwurf stimmen sollte, ist er absurd. Denn auch in sehr vielen anderen europäischen Ländern sind – zum Glück! – viele Unternehmer von Null hoch aufgestiegen. Und viele von ihnen hatten sich durch Freundlichkeit gegenüber der eigenen Regierung diesbezüglich den Rücken freigehalten. Um es freundlich zu sagen. Mit anderen Worten: Korruption muss man beweisen können. Solche Andeutungen sind nur miese Untergriffe, die vermuten lassen, dass es keine Beweise gibt.
  • Orbán habe das Wahlrecht – also die Methoden, wie Stimmen in Mandate verwandelt werden – zu seinen Gunsten umgestaltet. Auch das stimmt – ebenso wie die Tatsache, dass auch der Heiligste aller Sozialdemokraten, also Bruno Kreisky, einst genau dasselbe getan hat, um sich die Unterstützung der FPÖ zu kaufen. Was von Linken aber nie als undemokratisch dargestellt wird. Und ebenso ist Tatsache, dass Orbán jetzt 53 Prozent der Stimmen erhalten hat. Das ist ein so hoher Prozentsatz, wie ihn keine andere Partei in Europa erzielt. Daher ist es ziemlich egal, dass das bei den Mandaten dann einen noch höheren Anteil der Sitze auslöst (wie es bei jedem Mehrheitswahlrecht der Fall ist).

Jene zwei Punkte, die wirklich bedenklich rund um diese ungarische Wahl sind, werden hingegen nirgendwo kritisiert: Das eine ist der Umstand, dass die Meinungsforschungsinstitute einen zweiprozentigen Vorsprung Orbáns prognostiziert haben, dass dieser dann am Wahlabend aber um gigantische 18 Prozent voranliegt. Ohne dass irgendjemand sagen könnte, bei der Stimmenauszählung wäre manipuliert worden, oder die Wähler hätten in der Zelle nicht völlig frei ihr Kreuz setzen können. Wie seriös sind die von den österreichischen Medien so begeistert zitierten ungarischen Umfragen? Hatten die vielleicht ganz andere Zwecke – nämlich oppositionelle Wähler zu den Urnen zu bringen? Da waren ja noch Karmasin-Umfragen seriös, egal ob die Auftraggeber bei der ÖVP oder SPÖ zu finden waren.

Noch viel seltsamer, weil in Wahrheit mies und niederträchtig, ist etwas Zweites. Das ist der eindeutige Versuch der EU-Kommission, den Ungarn massiv zu signalisieren: Wenn ihr Orbán wiederwählt, bekommt ihr weniger von dem Geld, das Ungarn zusteht. Das ist eindeutig eine massiv undemokratische Wahlbeeinflussung.

Freilich: Wer glaubt, die Ungarn würden sich durch so etwas unter Druck setzen lassen, kennt das kleine Volk in der Mitte Europas und seinen Nationalstolz ganz, ganz schlecht.

In Summe bleibt aber dennoch die Freude über Orbáns Wahlerfolg gedämpft. Dabei hätte er einen solchen wohl auch ohne Putinisieren erzielt. Auf Grund der positiven Entwicklung Ungarns, auf Grund der dummen EU-Politik – und nicht zuletzt auf Grund des Krieges, jedes Krieges.

 Denn in Stunden der Turbulenzen und Gefahr scharen sich in der Regel alle Völker um den eigenen Chef und scheuen vor Wahl-Experimenten zurück. Das zeigt der gleichzeitige und ähnlich überlegene Sieg des Aleksandar Vucic in Serbien. Und diese Regel wird mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Tagen auch durch einen Sieg Emmanuel Macrons in Frankreich bewiesen. Wenngleich die Meinungsforscher auch für Frankreich – schon wieder – ein enges Rennen prophezeien ...

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