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So intensive Lehrstunden wie die Wahlen in Ungarn und Frankreich hat die Alpenrepublik noch selten durch Vorgänge in anderen Ländern geboten bekommen. Freilich ist ziemlich fraglich, ob die dabei offerierten Lehren und Erkenntnisse von irgendjemandem in der sich meist in provinzieller Nabelschau begnügenden Politszene Österreichs überhaupt zur Kenntnis genommen werden.
Die einzelnen Lektionen aus zwei scheinbar so unterschiedlichen Ländern Europas (und einigen anderen Wahlen der jüngeren Vergangenheit):
Ein solches Bündnis, wie es in Ungarn die Alle-gegen-Orbán-Mischkulanz gewesen ist, kann keine Glaubwürdigkeit, kein Vertrauen erlangen – was aber eigentlich die wichtigste Währung in der Demokratie ist. Ein solches Bündnis schickt Wählern die klar erkennbare Meta-Botschaft: "Wir wissen zwar nicht, was wir wollen; wir wissen nicht, ob das Staatsschiff mehr nach links oder rechts fahren soll; aber zu diesem Zweck wollen wir gemeinsam an die Macht."
Diese Positionierung vermittelt den Wählern reine Machtgeilheit der beteiligten Politiker und das Fehlen jeder inhaltlichen Orientierung oder Identität. Das ist abstoßend. Das wird von den rechten Wählern noch viel weniger geschätzt als von den linken. Daher sind in Ungarn vor allem von der früher ganz rechts stehenden Protestpartei Jobbik viele Wähler zu Viktor Orbán gewechselt, während der Abgang bei der Linken weniger stark gewesen ist. Wähler wollen ernst genommen werden.
Dieses Motiv würde eigentlich auch für linke Wähler gelten. Sie haben es aber viel weniger umgesetzt. Was zeigt, dass auf der Linken viel größere Parteitreue, um nicht zu sagen Kadavergehorsam herrscht. Was aber natürlich auch damit zusammenhängt, dass es im politischen Spektrum Ungarns auf der rechten Seite durch Orbán eine ansprechende Alternative gegeben hat, auf der linken nicht.
Daher haben Österreichs Blaue wie Rote massives Glück gehabt, dass in den letzten zwei Jahren ihre diesbezüglichen Geheimverhandlungen im letzten Augenblick gescheitert sind, ein Bündnis gegen die ÖVP zu schmieden. Auch wenn Herbert Kickl darin die einzige Chance gesehen hat, seinen persönlichen Hass auf die ÖVP strategisch umzuwandeln; und Pamela Rendi-Wagner den einzigen Abkürzer, selbst ins Bundeskanzleramt zu kommen.
Das ist in Österreich ja schon ganz klar die Erkenntnis aus den so unterschiedlichen Erfolgen der Herren Mitterlehner und Kurz gewesen. Das zeigt sich jetzt noch einmal ganz deutlich in Frankreich: Die Präsidentschaftskandidatin der einst das Land dominierenden Gaullisten kommt vom linken Parteiflügel und ist jämmerlich untergegangen.
Ihr einziger Vorteil hat ihr rein gar nichts genutzt: Dass nämlich die Linke die Justiz immer nur auf rechte Exponenten der Konservativen loshetzt, nie auf linke. Wie man von Kurz über Matteo Salvini bis zum letzten erfolgreichen französischen Bürgerlichen Nicolas Sarkozy beobachten konnte.
Dennoch lassen sich faszinierenderweise vor allem die linken Parteien, aber auch die der rechten Mitte immer wieder ganz von dieser Klima-Panikmache instrumentalisieren, ohne zu begreifen, wie sehr sie sich damit von den Wählern entfernen.
Das sieht man an der unterschiedlichen Haltung zur russischen Ukraine-Invasion: Der ungarische Ministerpräsident hat die Karte einer De-Facto-Neutralität gespielt (auch wenn er diesen Ausdruck nicht verwendet) und bei den Ungarn den Eindruck erwecken können, dass er dadurch ein Übergreifen des Krieges auf Ungarn verhindern könnte. Das war ziemlich zynisch argumentiert, da Ungarn ja gleichzeitig den vollen Schutz des Nato-Bündnisses gegen einen feindlichen Angriff genießt.
Die gleiche Invasion hat anderswo völlig gegenteilige Interpretation der eigenen nationalen Interessen ausgelöst:
Die Skurrilität der Haltung der Österreicher steht dazu in einzigartiger Diskrepanz: Sie glauben als nunmehr fast schon einzige wider alle Logik an die Neutralität wie Kinder an einen Zauberspruch. Das hängt mit einer verlogenen österreichischen Staatspropaganda in den letzten Jahrzehnten, wie auch mit dem Niveau der heimischen Medien zusammen.
Hingegen ist die Schweiz als einzig anderes neutrales Land auf dem europäischen Festland militärisch hochgerüstet. Sie ist daher militärisch imstande, auf jeden potentiellen Herausforderer abschreckend zu wirken. Sehr zum Unterschied von Österreich.
Das haben die Sozialisten weder in Frankreich noch Ungarn begriffen. Das wissen hingegen viele andere Sozialdemokraten von Skandinavien bis zum Burgenland. Das kennzeichnet insbesondere den französischen Präsidenten Macron – sofern man den einst aus einer sozialistischen Regierung gekommenen Macron überhaupt noch irgendwie als Sozialdemokraten einordnen will und nicht gleich als Liberalkonservativen. Das bedeutet inhaltlich beispielsweise: Ablehnung der Migration aus außereuropäischen Ländern und Bekenntnis zu Atomkraftwerken.
Nicht nur die beiden aktuellen Wahlergebnisse, sondern auch jene aus Deutschland zeigen: Die Impfgegner sind zwar lautstark (wie man etwa auch auf diesem Blog an der Posting-Aktivität einer sehr kleinen, aber sehr aktiven Gruppe von Kommentatoren ablesen kann), aber nicht wahlentscheidend. Jene Wähler, die an die dabei verbreiteten Schauergeschichten glauben, gehen noch dazu in ihrer Totalprotest-Einstellung oft gar nicht wählen.
Das sieht man ganz deutlich sowohl am Dauererfolg von Viktor Orbán wie auch an der Entwicklung des Erfolgs der Le-Pen-Kandidaturen.
Das ist in Frankreich wie Ungarn gleich bei mehreren gescheiterten Kandidaten abzulesen. Le Pen hingegen tritt jedes Mal wieder an – und erzielt jedes Mal bessere Ergebnisse. Diese Weisheit ist auch schon in Teile der österreichischen Politik eingedrungen. Vor allem in den Bundesländern wird daher gerne schon in der Mitte von zwei Wahlterminen der Spitzenmann ausgetauscht, damit der Neue am Wahltag nicht mehr so neu wirkt. Auch ein Orbán hatte einst Wahlniederlagen erlitten, bevor er zum Dauersieger werden durfte.
Diese Regel gilt aber erst nach einem Beitritt zur EU. Bei Noch-nicht-Mitgliedern der EU ist hingegen der Druck der Bürger Richtung Beitritt meist deutlich stärker. Dieser Effekt hält auch nach dem Beitritt noch eine Zeitlang an.