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Die Schlachten ums Eigentum an den IT- und Internet-Giganten gleichen immer mehr den Duellen und Entscheidungsmatchs im Sport. Da wie dort ist es für die Zuschauer umso spannender, nicht nur, je offener der Ausgang ist, sondern vor allem, je personalisierter die Auseinandersetzung wird. Das waren sie im Tennis oder Boxen immer schon; das sind sie auch bei den Autorennen (obwohl man glauben möchte, eigentlich wäre die Leistung der Tausenden Techniker viel wichtiger); und das sind sie in den letzten Jahren auch im Fußball geworden, wo es fast nur noch um die Rivalitäten zwischen zwei Trainern zu gehen scheint, die wild gestikulierend und schreiend an der Seitenlinie herumtanzen. Eine solche Schlacht ist nun auch rund um Twitter in Gang, seit der reichste Mann der Welt dort um eine ausreichende Aktienmehrheit kämpft. Und das ist in Wahrheit ein enorm politischer und weltanschaulicher Kampf geworden.
Längst geht es dabei nicht nur um das Gefecht eitler Männer zwischen Elon Musk und der alten Twitter-Garde. Dieser Kampf ist auch eine gesellschaftspolitische Schlacht um den fundamentalen Wert der zuletzt (auch) bei Twitter oft arg beschnittenen Meinungsfreiheit. Der Kampf um die Aktionärs-Mehrheit bei Twitter könnte aber auch über die Mehrheit der Wahlmänner bei der nächsten US-Präsidentenwahl entscheiden. Er könnte damit angesichts der Vorgänge in der Welt – zusammen mit der französischen Präsidentenwahl! – eine politische Entscheidung sondergleichen werden. Jedenfalls wäre es fatal, die Twitter-Schlacht geistig als ein bloß für Aktienbesitzer relevantes Duell abzutun, die außerhalb der Wirtschaftsseiten nichts zu suchen hat.
Twitter ist in den letzten Jahren – noch vor Google und der Facebook-Gruppe – an der Spitze der Zensurbataillone gestanden. Das Twitter-Management hat in massiv einseitiger Weise insbesondere in den letzten US-Wahlkampf eingegriffen. Es hat vielen Tweets des – damals immerhin amtierenden – US-Präsidenten Donald Trump wie ein Oberzensor demütigend distanzierende Anmerkungen angefügt, die jede Trump-Äußerung als Blödsinn denunziert haben. Und zuletzt hat Twitter Trump sogar den Zugang zu Twitter gleich ganz und überhaupt gesperrt, das zuvor sein Hauptkommunikationsinstrument gewesen ist. Das war und ist ein Riesenskandal. Denn damit hat sich ein Privatunternehmen zum politischen Akteur aufgespielt. Es hat sich mehr Macht angemaßt, als selbst ein Gericht nach einem langen und nach strengen Regeln ablaufenden Verfahren hat.
Das heißt nun wohlgemerkt nicht, dass alle Behauptungen und Tweets des Donald Trump in Ordnung gewesen wären. Ganz und gar nicht. Der Mann hat viel Unsinn geredet. Er hat vor allem seine Wahlniederlage mit einer Fülle überzogener Vorwürfe und Aktionen zu überdecken versucht.
Andererseits gibt es aber unzählige überzogene und unsinnige Behauptungen anderer Personen auf Twitter, die dort völlig unwidersprochen stehen bleiben können. Und ganz eindeutig ist auch Trumps Nachfolger eine Katastrophe. Joe Biden ist schwach und immer häufiger auch desorientiert. Er zeigt schwere altersbedingte Ausfallserscheinungen. Er hat durch eine überflüssige Erklärung dem russischen Machthaber Putin geradezu freie Hand gelassen, die Ukraine anzugreifen, weil diese kein Nato-Land ist. Dann aber hat er wiederum Putin öffentlich mehrfach persönlich beschimpft. Das ist einfach unklug aus dem Mund des US-Präsidenten (auch wenn Biden an sich mit jedem Wort recht hatte).
Biden kann im Gegensatz zu Trump keinerlei außenpolitische Erfolge vorweisen. Diesem war zwar das intensiv versuchte Arrangement mit Nordkorea nicht geglückt. Aber Trump schaffte dafür eine historische Aussöhnung zwischen Israel und den gemäßigten Arabern rund um Saudi-Arabien. Biden hingegen hat in Sachen Ukraine nicht nur durch diese erwähnte Bemerkung schwer gepatzt. Er scheitert seit Wochen daran, den unerträglich entscheidungsschwachen deutschen Regierungschef Scholz zu einer viel rascheren Hilfeleistung in Hinblick auf die von der Ukraine benötigten schweren Waffen zu bewegen. Dabei steht die deutsche SPD eigentlich noch viel stärker, als es Angela Merkel war, eindeutig im Lager des Joe Biden.
Es gibt also ganz sicher keinen objektiven Grund, die Trump-Jahre als schlechter für Amerika und die Welt einzustufen als die Biden-Jahre. Ganz unabhängig davon, dass Trump durchaus die Absicht zu hegen scheint, es beim nächsten Mal neuerlich zu versuchen.
Die Twitter-Manager haben das hingegen anders gesehen. Und sie haben ganz einseitig auf den Linien der Linken in die US-Innenpolitik eingegriffen. Das aber ist für viele Amerikaner, so eben auch für Elon Musk, ärgerlich bis unerträglich. Sie sind tief überzeugt: Weder die Briefpost noch die Betreiber eines Telefonunternehmens noch sonst ein Unternehmen sollte zwischen guten und bösen Inhalten unterscheiden dürfen. Das sollte nur einem Gericht zustehen, wenn ganz eindeutig gesetzlich Strafbares gesagt wird. Etwa Anstiftung zur Gewalt oder persönliche Beleidigungen.
Was auch immer man über Musk denkt – Menschen, die auch in Adabei-Kolumnen auftauchen, sind mir immer etwas suspekt –, so bleibt doch Tatsache: Er hat mit Mut immer wieder in ganz Neues investiert. Und er hat das mit Erfolg gemacht. Ob nun bei Paypal, bei seinem Weltraumunternehmen oder beim Tesla-Auto, wo er enorm von den politischen Unterstützungen für Elektro-Fahrzeuge profitiert hat. Was ja bei einem Freund von Donald Trump besonders köstlich ist.
Dementsprechend aggressiv ist die Gegenoffensive des Twitter-Managements, das mit allen Mitteln verhindern will, dass Musk siegt. Es mobilisiert alle Aktionärsgruppen, darunter pikanterweise auch eine arabische, nur ja nicht an Musk zu verkaufen.
Es ist noch völlig offen, wer dabei siegen wird. Und wer dabei am Ende unglaublich viel Geld verlieren wird. Denn so sehr Musks Vorstoß die Kurse von Twitter in die Höhe getrieben hat, so sehr müssen die verkaufsunwilligen Aktionäre bangen, dass ihre Werte ins Bodenlose stürzen, wenn Musk nicht die bestimmende Aktienmehrheit erlangen sollte, und wenn er dann seine Pakete wieder geschlossen auf den Markt wirft.
Dabei werden wie beim Sport die Schiedsrichter eine große Rolle spielen: die Börsenaufseher, die Wettbewerbsbehörden und die hinter ihnen stehenden Gerichte. Es sind ja nicht nur die derzeitigen Twitter-Kommandanten, die mit rauen, an der Grenze des Erlaubten liegenden Bandagen agieren, sondern es ist ganz gewiss auch Musk.
So offen der Kampf auch ist, und so spannend und aufregend er selbst dann ist, wenn man ihn nur als Machtkampf unter Kapitalisten verstehen will, so eindeutig ist, dass ein Sieg von Musk ein Sieg für mehr Meinungsfreiheit und weniger Zensur wäre. Das wäre auch für europäische Diskussionen wichtig. Auch wenn natürlich die von den Gutmenschen bei Twitter & Co ausgehende Zensur in keiner Weise mit den wirklich totalitäre Zensur ausübenden Staaten Russland, Türkei oder China zu vergleichen ist.
Am besten hat es der brillante Norbert Bolz, der weitaus wichtigste Medienwissenschaftler des deutschen Sprachraumes, formuliert: "Der Blockwart und der Denunziant zittern vor Elon Musk." Wie wahr.