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Frankreich, Slowenien, Europa – und jetzt?

Frankreich wie Slowenien, ein kleiner Nachbar Österreichs und die einflussreichste Großmacht in der EU, haben mit erstaunlich ähnlichen Ergebnissen gewählt: Da wie dort gibt es einen links-rechts schillernden "liberalen" Wahlsieger. Da wie dort hat die Wahl mit einer Niederlage des rechten Kandidaten geendet. Da wie dort hat diesem geschadet, nicht auf ausreichend deutliche Distanz zum Kriegsherrn in Moskau gegangen zu sein. Da wie dort (vor allem in Frankreich) sind die einst so großen und dominierenden alten Parteien zu völlig unbedeutenden Apparaten geworden. Und alle Machtträger in der EU feiern das Ergebnis überschwänglich. Denn es heißt für sie ja ein eindeutiges "Weiter so!"

Dieses "Weiter so" muss freilich von vielen Bürgern Europas als gefährliche Drohung aufgefasst werden – so sehr diese in ihrer großen Mehrheit auch den Wahlausgang begrüßen. Denn ganz eindeutig waren die französische Herausforderin Marine Le Pen wie auch der bisher amtierende slowenische Ministerpräsident Janez Jansa jene Kandidaten, die in den Augen der Wähler als die relativ moskaufreundlicheren gegolten haben. Sie konnten dabei aber nicht so wie zuletzt der Ungar Orbán in den Wählern das Gefühl wachrufen: Nur durch meine Putin-Nähe brauchen wir keine Angst vor dem Krieg haben. Dies hat zweifellos schon deshalb nicht gewirkt, weil sowohl Slowenien als auch Frankreich geographisch deutlich weiter vom Ukraine-Krieg entfernt sind als Ungarn.

Die Wahlsieger-Partei in Slowenien zeichnet vor allem eines aus: Sie ist neu entstanden. Sie konnte daher ohne Bürde irgendwelcher Erfahrungen, die die Bürger mit ihr schon gesammelt hatten, alle Hoffnungen unbekümmert wie im Brennglas zusammenfassen. Das ist ein Phänomen, das wir schon in mehreren osteuropäischen Ländern, aber auch in Italien sehen konnten, wo es schon mehrfach Erdrutschsiege gleichsam aus dem politischen Nirwana wie ein aufsteigender Komet kommender Kandidaten und Parteien gegeben hat.

Dies lässt freilich ahnen, dass die Kometen auch in Slowenien bald wieder zu Boden sinken werden. Denn mit dieser Methode kann man immer nur VOR der Übernahme eines politischen Amtes anziehend auf völlig unterschiedliche Hoffnungen wirken. Nachher sorgt die Heterogenität dieser Hoffnungen dafür, dass bald innerer Streit zur Zerreißprobe und oft wirklich zum Zerreißen führt. Das lässt die Menschen danach bald wieder sehr intensiv nach Politikern mit viel politischer Erfahrung Ausschau halten. Siehe etwa in Italien, wo auf die skurrilen, aber kurzzeitig erfolgreichen Cinque Stelle der Veteran Draghi gefolgt ist, der heute der weitaus populärste Politiker Italiens ist.

Jedenfalls ist ein solcher Wechsel ein ganz normaler Vorgang. Da wirkt sich einmal die unzufriedene Suche nach etwas Neuem stärker aus, dann wieder die ängstliche Suche nach etwas Vertrautem.

Am slowenischen Ergebnis schmerzt nur eines: Zu dem bunten Konglomerat, das dort die Wahl gewonnen hat, zählen auch altkommunistische Netzwerke, die auch viele Medien kontrollieren. Sie sind in diesem Konglomerat zwar nicht dominierend, aber es ist schon sehr ernüchternd, dass die internationalen Medien das überhaupt mit Schweigen übergangen haben. Jansa ist hingegen in den Auslandsmedien ununterbrochen als "umstritten" dargestellt und in die Nähe von Le Pen gerückt worden. Dabei sagt die Verwendung des Vokabels "umstritten" bei einem Politiker längst nur noch eines aus: Der linke Medienmainstream mag ihn halt nicht. Kommt doch dieser Mainstream in seiner Einseitigkeit nie auf die Idee, auch einmal einen linken Politiker als "umstritten" zu denunzieren.

Noch schlimmer in ihrer Einseitigkeit war die internationale Berichterstattung zu Frankreich. Dort haben fast alle Mainstream-Journalisten Marine Le Pen ohne jeden Beweis als "rechtsextrem" denunziert. Sie haben damit also ungeprüft die Beschimpfung durch die politischen Konkurrenten als Element ihrer Berichterstattung übernommen.

Tatsache ist, dass Le Pen absolut keinen Anlass gibt zu glauben, dass sie etwas Verfassungswidriges oder gar Gewalt im Auge hätte. Aber nur solche Inhalte sollten um Objektivität bemühte Journalisten dazu berechtigen, jemanden als "extrem" zu bewerten.

Das heißt nun gewiss nicht, dass ich den Sieg von Emmanuel Macron bedauerlich finde. Denn es gibt zwei politische Inhalte, die gegen Le Pen sprechen. Erstens sind das ihre – zumindest früheren – großen Sympathien für Wladimir Putin. Und, zweitens, ihre wirtschafts- und sozialpolitischen Vorstellungen. Sie hat allen alles versprochen, und von allem noch ein bisschen mehr. Das ist verantwortungsloser Populismus pur, der einen Österreicher lebhaft an Pamela Rendi-Wagner erinnert, die auch absolut jeden Tag neue milliardenschwere Forderungen erhebt.

Macron hingegen versucht in einem – ohnedies zur Verschwendung neigenden – Land einige durchaus mutige und richtige Akzente: Dazu gehört etwa sein Plan, das Pensionsantrittsalter auf 65 Jahre zu erhöhen. Das ringt Respekt ab. Auch wenn man nicht verschweigen darf, dass auch Macron es – höflich ausgedrückt – sehr zu schätzen und nutzen weiß, dass Frankreichs endemische Staatsschuldenmacherei über die Europäische Zentralbank zu Lasten der europäischen Sparer finanziert wird. Wobei es fast schon Respekt abnötigt, wie er die Deutschen aller Couleurs immer wieder dazu bringt, diese Schuldenpolitik zu unterstützen. Von dieser ganz abzugehen, zählt hingegen nicht zu seinen Plänen.

Das größte Plus Macrons ist, dass er als einziger großer EU-Staatschef über den Tellerrand hinauszublicken imstande war und ist. So tritt er dem auch für Europa so gefährlichen Islamismus auch in anderen Kontinenten sehr energisch entgegen. So hat er sogar mit Kriegsschiffen versucht, dem türkischen Diktator Erdogan Einhalt zu gebieten, als dieser die EU-Staaten Griechenland und Zypern bei der Öl- und Gassuche bedroht hatte. Das hat sonst kein anderes Land interessiert (die Deutschen haben wie üblich lamentiert …)

In Sachen Ukrainekrieg kann man es Macron gewiss nicht vorhalten, dass er so wie etwa Karl Nehammer versucht hat, mit Direktkontakten dem kriegslüsternen Putin Einhalt zu bieten. Er hat es zumindest versucht. Und er hat während des Krieges zumindest nicht so einen peinlichen Eindruck hinterlassen wie der deutsche Bundeskanzler Scholz. Andererseits sollte ebenso klar festgehalten werden, dass Frankreich nicht gerade in der ersten Linie jener Staaten steht, die die Ukraine auch mit Waffen unterstützen. Da fällt das Land deutlich hinter das Nicht-mehr-EU-Mitglied Großbritannien zurück. Von den mit ganzer Seele für die Ukraine fiebernden Osteuropäern und den US-Amerikanern ganz zu schweigen.

Zurück zu Le Pen: Wäre der Krieg und ihre Soziallizitation nicht, würden in meiner Analyse durchaus die Sympathiepunkte überwiegen. Vor allem bei diesen drei zentralen Themen ihrer Kampagne:

Immigration und Islam. Das ist angesichts der vielen nordafrikanischen Bewohner Frankreichs nach wie vor und richtigerweise das zentrale Thema von Le Pen. Sie hat nicht zugelassen, dass statt dessen wie etwa in Österreich bei der FPÖ die Corona-Angstmacherei zum zentralen – und dort fast einzigen – politischen Inhalt ihres Lagers aufgeplustert wird. Gleichzeitig ist es mehr als eigenartig, wenn Medien, die sich für objektiv halten, Le Pens Migrations-Ablehnung als rechtsextrem bezeichnen, obwohl dieser von Boris Johnson bis Sebastian Kurz sehr ähnlich eingenommen worden ist.

Christentum: Le Pen ist keine sonderlich christliche Kandidatin. Macron aber schon gar nicht. Aber Le Pen spricht wenigstens immer wieder von den christlichen Werten, während Macron ein Vorkämpfer für die Abtreibung ist. Dementsprechend haben sich nur die (in allen Länder linken) evangelischen Bischöfe Frankreichs für Macron ausgesprochen, die katholischen haben sich hingegen demonstrtiv neutral verhalten.

EU-Reform. In Brüssel und in den anderen Hauptstädten ist besonders viel Angst vor Le Pen gemacht worden. Sie würde die EU zerstören. Anlass der Vorwürfe: Sie hat verlangt, dass das nationale Recht wieder Vorrang vor dem EU-Recht haben soll. Das aber ist eine durchaus interessante Forderung, die schon mehrfach in anderen Staaten erhoben worden ist. Das hat sogar schon der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe  so judiziert – wobei er aber keine Unterstützung von Angela Merkel bekommen hatte.

Dabei liegt die Lösung auf der Hand: Die EU-Staaten geben dem EU-Gerichtshof nur in jenen Materien das letzte Wort, wo die Staaten beim Beitritt ausdrücklich die Kompetenz an Brüssel übertragen haben. Die vom EuGH und der Kommission in den letzten Jahren in Anspruch genommene Generalkompetenz, die die Staaten in den Rang von Provinzlein degradieren will, ist hingegen eine Riesensauerei.

Die EU versucht die Machtakkumulierung unter Missbrauch allgemein programmatischer Sätze in den EU-Verträgen wie etwa jenem von der Rechtsstaatlichkeit. Zum Glück regt sich dagegen Protest quer durch Europa. Und die Proteste haben Recht: So war das beim Beitritt nicht ausgemacht. Die Zentralisierungsgier von Kommission und Gerichtshof ist mittelfristig reines Gift für die EU.

Es ist mit Sicherheit auf diese beiden zentralen Punkte zurückzuführen, dass Le Pen ein weit besseres Ergebnis hat, als sie oder ihr Vater bei allen bisherigen Versuchen erzielt hatten. Es wäre mehr als gut für Europa, würde Macron diese beiden Punkte selbst übernehmen. Um alles andere an Le Pen zu vergessen.

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