Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Prinzipiell kann man nicht ausschließen, dass so grässliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie jenes aus dem Kiew-Vorort Butscha auch gestellt sind. Das ist eine These der offiziellen wie auch getarnten russischen Propaganda, die hierzulande von einigen wenigen der radikalsten Links- wie Rechtsextremisten geteilt wird. Dennoch könnte sie theoretisch stimmen. Daher sollte man immer auch die unwahrscheinlichsten Möglichkeiten ernsthaft prüfen. Doch inzwischen haben mich fünf Beweise – nicht zuletzt das Verhalten Moskaus selber – absolut sicher gemacht: Diese Massenmorde gehen auf das Schuldkonto der russischen Invasoren und auf die direkte Verantwortung der Moskauer Führung (mit nachträglicher Ergänzung).
Erster Beweis: Es ist absolut unmöglich, binnen weniger Stunden nach Abzug der russischen Truppen aus Butscha all die grässlichen Anblicke zu inszenieren, die sich den Ukrainern und internationalen Fotografen danach geboten haben. Nicht einmal die erfahrensten Regisseure aus Hollywood könnten das auch nur irgendwie schaffen.
Zweiter Beweis: Selbst wenn ich mich mit dem ersten Beweis irren sollte, wäre es für die ukrainische Regierung politischer und internationaler Selbstmord, wenn sie das selbst inszeniert hätte. Denn mit Sicherheit würden zumindest einige der Hunderten Helfershelfer, die man für eine solche blitzschnelle Inszenierung samt hundertfachen Morden braucht, nachher mit der Wahrheit herausrücken – schon aus moralischer Entrüstung über ein so zynisches Verbrechen, bei dem Ukrainer wehrlose Ukrainer zu Hunderten foltern und ermorden, nur um internationales Echo zu erzielen. Es sind genug internationale Journalisten in der Ukraine unterwegs, die mit dieser Story den journalistischen Coup ihres Lebens publizieren könnten, so es einen Beweis dafür gäbe.
Dritter Beweis sind westliche Satellitenaufnahmen, die zeigen, dass zumindest ein Teil der Morde schon Tage vor dem russischen Rückzug stattgefunden haben; ähnliche Teilbeweise liefern einzelne Drohnenaufnahmen.
Viertens gibt es in den befreiten Vororten ukrainische Augenzeugen, die einige der unprovozierten Morde beobachten konnten.
Fünfter und letztlich stärkster Beweis ist aber die russische Reaktion selber. Wäre die russische Führung nämlich unschuldig an dem Massaker und daher ahnungslos darüber, dann hätte sie ganz anders reagiert, als Stunden nach dem russischen Abzug aus Butscha die ersten Berichte erschienen sind. Dann hätte eine anständige Regierung eines Rechtsstaats eine sofortige umfassende gerichtliche Untersuchung durch russische Staatsanwälte und Kriminalbeamte angeordnet, aber auch durch den Internationalen Strafgerichtshof ermöglicht, um zu prüfen, ob in Butscha etwa ein kommandierender Offizier ganz im Alleingang ausgerastet ist. Was ja denkbar ist. Bei einer solchen Untersuchung – in einem Rechtsstaat eben – wäre insbesondere jeder einzelne Soldat, der in Butscha stationiert gewesen ist, penibel zu befragen, ob und was er gesehen hat. Eine solche Untersuchung kann gar nicht in wenigen Stunden durchgeführt worden sein.
Mit anderen Worten: So wie Moskau reagiert und sofort alles als erstunken und erlogen bezeichnet hat, reagiert man nur, wenn man genau weiß, dass das Massaker sehr wohl passiert ist und dass es im eigenen Verantwortungsbereich passiert ist.
Selbst wenn das Massaker nicht von Moskau angeordnet worden ist – was ich (nach dem Prinzip: im Zweifel für den Beschuldigten) noch immer annehme –, so ist eindeutig klar: Mit dem Unterlassen einer eigenen Untersuchung hat die russische Führung eindeutig zugegeben, dass sie über das Blutbad zumindest informiert gewesen ist. Und vor allem, dass sie bereit ist, alle Verantwortlichen voll zu decken. Damit aber haben Putin und seine Paladine in der Armeeführung die volle Verantwortung, die volle Schuld auf sich geladen. Denn in jedem Strafrechtssystem der Welt macht man sich mitschuldig, wenn man einen Mörder, um dessen Taten man weiß, deckt, versteckt und vor jeder Verantwortung schützt.
Lediglich einige Randaspekte müssen vorerst offen bleiben – und werden es wohl auch, wenn Moskau nicht zur genaueren Aufklärung beiträgt:
Das Einzige, wovor man die Ukrainer jetzt warnen muss: Sie sollten sich jetzt keinesfalls dem – wohl in jedem normalen Menschen zwangsläufig hochsteigenden – Rachedurst hingeben, ihre Empörung etwa an den immerhin schon 600 russischen Kriegsgefangenen auslassen und alttestamentarisch Gleiches mit Gleichem vergelten. Diese Versuchung ist jetzt gewiss in manchen riesengroß, aber die Ukraine würde viele Sympathien verlieren, würde sie nicht zeigen, dass sie anders ist als Putin. Gerade jetzt wäre sogar eine vorbildliche Behandlung der russischen Gefangenen ein absoluter Trumpf in den Händen der Ukrainer.
PS: Die nächsten Stunden sind im Übrigen auch die letzte Chance für die hiesige FPÖ, sich durch eine klare Verurteilung der russischen Massaker wieder auf die Seite der Menschlichkeit und des Rechts zu stellen. Und gleichzeitig aus ihrem Sumpf an Corona-Verschwörungs- und Entwurmungstheorien herauszukommen, in dem sie in den letzten beiden Jahren versunken ist. Tut sie das nicht, dann würden ganz andere Theorien an Glaubwürdigkeit gewinnen, nämlich jene, dass mit dem Abgang des Herrn Gudenus noch keineswegs alle bedenklichen Kontakte der FPÖ Richtung Russland abgebrochen sind, wie uns eine Zeitlang weisgemacht worden ist.
Nachträgliche Ergänzung: Inzwischen ist eine weitere unabhängige Quelle aufgetaucht, welche die russischen Massaker bestätigt. Der deutsche Bundesnachrichtendienst hat in den letzten Wochen mehrere Gespräche abgefangen, welche die Gräueltaten bestätigen. Auf mehreren Kanälen versucht unterdessen die russische Propaganda, Gegenbeweise zu verbreiten. Bei Nachprüfung erweist sich aber kein einziger als stichhaltig.