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Der Ukraine-Krieg droht zur bisher größten Menschheits-Katastrophe dieses Jahrhunderts zu werden – aber er bekommt überraschenderweise auch das Potenzial als größter Hoffnungsbringer. Zumindest wird am Beginn des zweiten Kriegsmonats eine bisherige Unmöglichkeit langsam zu einer von Tag zu Tag wachsenden Möglichkeit, nämlich dass die Ukraine den Aggressor vertreiben könnte. Die Ursachen dieser Entwicklung liegen sowohl auf der politisch-psychologisch-emotionalen Ebene wie auch auf der militärisch-waffentechnischen. Beide hängen in der Ukraine freilich eng zusammen.
Heute ist jedenfalls ganz und gar nicht mehr so eindeutig von einem überlegenen russischen Sieg auf dem Schlachtfeld auszugehen wie noch vor wenigen Wochen. Dazu trägt die Geschlossenheit und Entschlossenheit der gesamten ukrainischen Bevölkerung entscheidend bei, wie jeder Kriegstag noch mehr zeigt.
Der Wunschtraum von Wladimir Putin in seiner von Geheimdienst-Desinformationen vergifteten Welt ist ja schon nach den ersten Kriegstagen mit lautem Knall geplatzt. Denn nicht nur die ukrainisch sprechenden Ukrainer, sondern genauso die russisch sprechenden stehen wider alle Moskauer Erwartungen den Invasoren mit dem gleichen Gefühl gegenüber: mit wild entschlossenem Hass (zum Glück werden sie nicht durch die ins Absurde abgleitende österreichische Justiz und Gesetzgebung gehindert, die ja auch begründeten Hass bestrafen will …).
Die Ukrainer empfinden sich schon seit Generationen mit großer Geschlossenheit als ein eigenes Volk gegenüber den Russen, obwohl sie zum Teil Russisch sprechen. Bei den Österreichern – die ja auch die gleiche Sprache sprechen wie ein großer Nachbar – empfindet sich hingegen erst seit der NS-Zeit eine Mehrheit als eigene Nation. Der Grund für diese Einstellung der Ukrainer sind vor allem die zaristisch-russischen und sowjet-russischen Verbrechen und Genozide gegen sie und ihre Identität; sie sehen aber auch heute, dass das nachkommunistische Russland nur kurze Zeit ein Staat mit freien Bürgern gewesen ist, und dass es heute auch nach innen wieder eine eindeutige und brutale Diktatur geworden ist.
Diese Entschlossenheit, da auf keinen Fall dazugehören und seine eigene (viel stärker westliche) Identität leben zu wollen, gibt dem Volk unglaubliche Kraft. Die Ukraine hat diese Kraft ab 2014, als Putin mit der ersten Etappe seines Eroberungskrieges begonnen hatte, zu gezielten Vorbereitungen auf einen weiteren Abwehrkrieg genutzt, während die Ukrainer damals ja militärisch noch völlig irrelevant gewesen sind und ihre Armee noch ganz sowjetisch geprägt gewesen ist.
Sie haben sich geschworen, nie wieder so hilflos zu sein. Sie haben diesen Schwur ernst genommen und sich auf einen hochintelligenten Krieg vorbereitet. Den sie nun tatsächlich führen müssen. Die hohe Qualität dieser Vorbereitungen war weder in Europa noch in Moskau richtig eingeordnet worden.
Diese Ge- und Entschlossenheit der Ukrainer sollte auch Österreich ein Vorbild sein. Sie sollte ihnen klarmachen: Es gibt eine Chance.
Sie sollte aber auch zu einem globalen Umdenken bei all jenen führen, die die Welt in große Einflusssphären von ein paar Nationen erster Klasse aufgeteilt sehen, die alle anderen beherrschen. Ein Erfolg der Ukraine wäre entscheidend für einen großen Wandel hin von diesem multipolaren Denken vergangener Jahrtausende hin zu einem Denken, wo die nationale Freiheit jedes Volkes entscheidend ist, wenn sich dessen Bürger nur geschlossen genug für die eigene Souveränität einsetzen.
Allerdings gibt es in der Geschichte viele Beispiele, wo auch entschlossen kämpfenden kleine Völker gegen die militärische Dampfwalze der Größeren untergegangen sind. Aber die letzten ukrainischen Wochen sind jedenfalls ein (weiteres) Beispiel fürs Gegenteil. Die Ukraine zeigt, dass Widerstand auch gegen eine Übermacht nicht aussichtslos ist.
Dieser zumindest zeitweilige Erfolg hat klare Voraussetzungen:
Die Außenwelt hat der Ukraine durch Waffenlieferungen sehr geholfen (wobei Ungarns diesbezügliche Zurückhaltung ein ewiger Schlechtpunkt in der Geschichte des Landes sein wird, das sich bisher durch seine eigenen Freiheitskämpfe viele Gutpunkte erworben hatte).
Die Außenwelt hat der Ukraine auch dadurch geholfen, dass sie bereitwillig Millionen Frauen und Kindern Zuflucht gegeben hat. Das hat den ukrainischen Männern ermöglicht, sich ganz auf die Abwehr des Aggressors zu kümmern, während sie sich nicht mehr um ihre Familien sorgen mussten.
Auf der polit-psychologischen Seite haben umgekehrt die russischen Streitkräfte dadurch einen Riesenmangel, dass ihre Soldaten nie motiviert worden sind. Diese hatten eigentlich keine Ahnung, warum sie überhaupt Krieg führen. Sind sie doch zuerst in bloße Manöver und von diesen in "Spezialoperationen" geschickt worden. Dann sollten sie das ukrainische Volk von angeblichen "Nazisten" befreien, die sie aber nie gefunden haben.
Es gibt zwar keine Anzeichen eines Anti-Putin-Widerstandes in der Armee. Aber dennoch scheinen die Soldaten zu spüren, dass es verlogen zugeht. Jedenfalls sind sie vom Mut der Ukrainer und ihrer emotionalen Entschlossenheit meilenweit entfernt. Das bildet auch einen großen Unterschied zum zweiten Weltkrieg, wo die russischen Soldaten nach Hitlers Überfall sehr genau wussten, warum sie kämpften.
Die Erinnerung an Polens Verteidigung gegen die gleichzeitig angreifenden Deutschen und Sowjets führt uns zur zweiten Ebene eines chancenreichen Abwehrkampfes, der militärischen. Denn emotional waren die Polen damals zweifellos genauso entschlossen wie heute die Ukrainer, sich gegen die Aggressoren zu wehren und ihre eigene Nation zu verteidigen (was linke Dummköpfe als bösen "Nationalismus" denunzieren). Aber das alleine nutzte ihnen nichts.
Denn die Polen waren damals militärisch viel zu altertümlich aufgestellt, um gegen die deutlich moderner gewordenen Deutschen mit ihren Panzerarmeen reüssieren zu können. So hatten sie sogar noch Kavallerieregimenter.
Ähnliche Fehler versuchen die Ukrainer seit der 2014 erlittenen Lektion zu vermeiden. Von ihrer ganz neuen Kriegsführung wird man wohl noch viele Jahre etwa auch in österreichischen Generalstabskursen lernen.
Diese vermeintlichen Kinderspielzeuge haben sich schon im aserbaidschanisch-armenischen Krieg als absolute Wunderwaffe des 21. Jahrhunderts gegen scheinbar überlegene Gegner erwiesen. Dort sind vor allem türkische Fabrikate zum Einsatz gekommen. Das hat Aserbaidschan gegenüber den von Russland unterstützten Armeniern entscheidend geholfen.
Die Ukraine hat die Drohnen in einem tollen wissenschaftlichen Aufwand selbst weiterentwickelt. Ihr ist es damit gelungen, ganze russische Panzerkolonnen lahmzulegen. Und außer der Störung des ukrainischen Funkverkehrs ist den Russen bisher nichts gegen die Drohnen eingefallen. Aber auch die Funkstörungen haben die Ukrainer nicht entscheidend behindert. Denn sie kommunizieren jetzt vor allem mit Hilfe der Star-Link-Satelliten des amerikanischen Unternehmers Elon Musk.
Die Drohnen übernehmen Aufklärungsarbeiten viel effektiver, als alle bisherigen Methoden es konnten. Sie können dadurch die ukrainische Artillerie viel genauer dirigieren. Und sie können auch selbst sehr gezielt Geschoße gegen Panzer abschießen.
Einer der ukrainischen Kämpfer verglich ihre Effizienz sehr bildhaft mit einem Schwarm von Bienen, der Menschen angreift. Diese Schwärme haben entscheidend zum Stillstand des russischen Panzerangriffs beigetragen. Dieser Einsatz und die Entwicklung neuer hocheffektiver Drohnen ist ein Produkt der hautengen Kooperation der ukrainischen Universitäten mit der Verteidigung des Landes.
Das alles heißt noch nicht, dass ich überzeugt wäre, die Ukraine würde den Krieg gewinnen. Aber das heißt, dass ich es erstmals nicht mehr ausschließe.
Jedenfalls ist die Entwicklung auf dem Schlachtfeld der Grund für die wachsende Nervosität im Kreml und für die – wahrscheinlich zutreffenden – Berichte, dass Putin über die mangelnde Effektivität seiner Generäle tobt. Auch wenn ihm wohl immer nur ein geschönter Lagebericht gegeben wird, wie es ja das Schicksal vieler Diktatoren der Geschichte gewesen ist.
Diese Entwicklung der Krieges ist zweifellos auch der Grund, dass die Russen ihre Truppen neu gruppieren müssen. Dass sie offenbar die Einkreisung Kiews vorerst aufgegeben haben. Dass sie sich jetzt "nur" noch auf Vorstöße in der Ostukraine konzentrieren, wo ihr Angriff ja vor sieben Jahren steckengeblieben ist.
Das alles sollte jedenfalls eine dringende Empfehlung sein, über die österreichische Landesverteidigung gesamthaft und völlig neu nachzudenken, wenn das Land souverän bleiben will. Damit die aus der Ukraine abgeleitete Hoffnung Realität wird, braucht es aber:
PS: Die Ukraine hat ein großes Problem im Drohnenkrieg: Sie leidet an Nachschub-Problemen für bestimmte Teile. Dabei wären ihr mittlerweile selbst ganz normale zivile Drohnen aus dem Westen eine große Hilfe. Aber fast wage ich zu wetten, dass die britischen und amerikanischen Dienste auch dieses Hindernis überwinden werden.