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Es ist extrem merkwürdig: Fast gleichzeitig zu einer neuen schweren Niederlage der Korruptionsstaatsanwaltschaft mit einer ihrer zahllosen grotesken Anschuldigungen vor Gericht hat diese WKStA in einer spektakulären Aktion die Ex-Ministerin Sophie Karmasin verhaften lassen. Ohne dass bisher über die bekannten Kanäle der WKStA irgendein Grund bekannt worden wäre, der eine Untersuchungshaft auch nur annähernd rechtfertigen würde.
Um nicht missverstanden zu werden: Gegen Karmasin sind schwerwiegende Indizien übler rechtswidriger Preisabsprachen und Scheinangebote bekannt, mit denen sich Meinungsforschungsinstitute gegenseitig Aufträge zugeschoben haben. Das ging auch zu Lasten des Steuerzahlers. Das ist gut, dass es aufgedeckt worden ist. Damit dürfte die WKStA erstmals seit langem wieder einen Treffer erzielt haben. (Freilich gelang das ganz zufällig mit Hilfe der Aussage der Frau Beinschab, die von den Genossen Staatsanwälten eigentlich in der Hoffnung, etwas gegen Sebastian Kurz in die Hand zu bekommen, unter rechtlich ebenfalls bedenklichen Verhaftungsdruck gesetzt worden war, die aber dann Karmasin statt Kurz schwer belastet hat.)
Nur: Solche Preisabsprachen finden leider in vielen Branchen statt, vor allem bei öffentlichen Aufträgen, bei deren Vergabe es oft nicht so genau zugeht wie bei privaten Aufträgen. Solche Absprachen führen zu Recht zu Verurteilungen, wenn sie auffliegen und bewiesen werden können. Aber eine Untersuchungshaft ist damit noch keineswegs gerechtfertigt. Denn diese kann ja nur aus ganz genauen Gründen verhängt werden. Und bezüglich der Preisabsprachen eine "Tatbegehungsgefahr" anzunehmen, ist absolut absurd. Denn sobald die Preisabsprachen aufgeflogen sind, können sie ja nicht mehr funktionieren.
Außerdem hätten dann logischerweise auch die anderen Teilnehmer an der Absprache mit den gleichen Konsequenzen rechnen müssen. Auch wenn sie nicht frühere Politiker einer bürgerlichen Partei gewesen sind.
Hat da wieder ein allzu gefügiger Richter-Anfänger eilfertig mitgespielt und seine Unterschrift ohne nachzudenken unter die Haftanordnung gesetzt? Bei den Zuständen in der Richtervereinigung, die sich im Vorjahr wahnwitzigerweise mit den Staatsanwälten solidarisiert hat, ist das ja in Hinblick auf einige jüngere Richter zumindest denkbar.
Einzuräumen ist zumindest theoretisch freilich auch die Möglichkeit, dass da noch irgendein ganz anderes Delikt im Spiel ist, bei dem wirklich Tatbegehungsgefahr besteht, von dem wir aber bisher nichts wissen. Und von dem bisher nicht einmal noch das Gemeinde-Wien-finanzierte Zentralorgan der WKStA informiert worden ist.
Sollte das aber nicht der Fall sein – und irgendwann müssen sie ja ihre Karten aufdecken –, dann gibt es einen weiteren WKStA-Skandal, der eine dem Recht verpflichtete Justizministerin endlich zum Handeln verpflichten müsste. Müsste. Freilich: Diese hat selber ihre eigenen Skandale am Hals, sodass sie zu solch einem Schritt nicht imstande ist, selbst wenn sie ihr Amt ernst nähme und nicht bloß als ideologischen Kampfauftrag verstehen würde.
Jetzt schon eindeutige Tatsache ist die schwere Niederlage der WKStA im Prozess gegen einen leitenden Spion des Verfassungsschutzes BVT. Dieser ist zumindest in erster Instanz voll von den absurden Vorwürfen der WKStA freigesprochen worden. Sein angebliches Hauptdelikt, das die WKStA so empört: Er hat eine überraschenderweise ankommende nordkoreanische Delegation überwachen lassen, ohne den Rechtsschutzbeauftragten zu informieren.
Aber im Falle der WKStA verfolgt den sowieso niemand. Weil sie dafür ja selber zuständig wäre. Und weil sie sofort jeden mit Verfahren eindeckt, der sie kritisiert oder gar gegen sie vorgeht.
Schlimmer als all das ist die völlige Tatenlosigkeit der WKStA bei den wirklichen, bei den ganz großen Skandalen in dieser Republik.
Wenn man es mit dem Einsatz der Ukraine für die eigene Landesverteidigung vergleicht und mit der ungeheuer eindrucksvollen Tatsache, dass bereits über 60.000 Ukrainer freiwillig in ihr Land zurückgekehrt sind, um dieses auch mit dem eigenen Leben zu verteidigen, dann kann einem ob all der eigentlich schwer kriminellen Versäumnisse in allen drei Staatsgewalten nur schlecht werden.
Diese Versäumnisse erregen jedenfalls den Zorn der Österreicher viel mehr als die seit 70 Jahren bekannte Tatsache, dass ein Minister der Partei X bei Postenbesetzungen mit Vorliebe auf Nahestehende der Partei X greift. Das ist gewiss in höchstem Maß ungut und gehört abgestellt (wo es nicht um legistische, politische oder strategische Aufgaben eines Ministeriums geht, wo jeder Minister das Recht haben sollte, ähnlich denkende Mitarbeiter zu haben: Man denke nur, wie im Jahr 2000 die neuen Sozial- oder Finanzminister in 30 Jahre lang rot durchkneteten Ressorts gelandet sind).
Das ist aber jedenfalls lange nicht so staatsgefährdend wie die Verbrechen in Sachen Landesverteidigung!
Wenn Parlamentsparteien aber nur bei einer einzigen anderen Partei Missbräuche "aufdecken" wollen, die bei allen passiert sind, wenn sie die großen politischen Verbrechen überhaupt negieren, dann stinkt das empörend zum Himmel. Dann geht es ihnen nicht um Österreich, nicht um Recht, sondern nur um eine parteipolitische Aktion.
PS: Um in Hinblick auf den Beginn dieses Textes präzise zu sein: Die Karmasin-Verhaftung ist schon einige Stunden vor dem Freispruch des BVT-Spions erfolgt. Dennoch ist die Vermutung extrem stark, dass da ein Zusammenhang besteht. Außerdem dürften auch WKStA-Staatsanwälte so viel rechtliche Ahnung haben, dass sie in der Schlussphase des tagelang hinter verschlossenen Türen laufenden BVT-Prozesses gespürt haben, dass wieder einmal ein Verfahren gar nicht gut für sie läuft.