Von Frankreich über Österreich bis Skandinavien: Der Klügere gewinnt
18. Februar 2022 01:31
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 5:30
Es ist erstaunlich, wie viel klüger andere europäische Staaten auf die größten Bedrohungen reagieren, mit denen wir langfristig konfrontiert sind. Während in Österreich für viele das größte Problem in Politik und Medien darin zu bestehen scheint, dass eine Ministerin unter vier Augen einem Mitarbeiter gegenüber die Sozialisten als "Gsindel" bezeichnet hat, während andere Tag und Nacht an die wüstesten Lügengeschichten über Corona und die Impfungen glauben und dementsprechend jammern, nimmt man in anderen Ländern die drei wirklichen und größten Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte wahr: Die bestehen in einem gewaltigen, den gesamten Wohlstand bedrohenden Energiemangel; die bestehen in der raschen Zunahme der bedrohlichen Aggressivität von Putins Russland, die nur noch mit jener der Zaren (ohne deren Verhalten es nicht zum ersten Weltkrieg gekommen wäre) und Stalins (der halb Europa 40 Jahre versklavt hat) vergleichbar ist; und die bestehen in der rapide größer werdenden demographischen Katastrophe, die Europa in einen rasch verarmenden Pensionisten-Kontinent verwandelt, wo nur ein immer geringerer Prozentsatz der Menschen noch arbeiten will.
Ohne behaupten zu wollen, dass sie auf alle Herausforderungen schon die perfekte Antwort gefunden hätten, gibt es doch in anderen Ländern im Osten, aber auch Norden Europas eindrucksvolle Signale der Ernsthaftigkeit im Umgang mit diesen drei Herausforderungen. Während diese bei uns nicht einmal ignoriert werden.
Lassen wir aber diesmal Osteuropa beiseite, wo einige Nationen in den letzten drei Jahrzehnten ja schon jenes Wirtschaftswunder nachgeholt haben, das es in Deutschland und Österreich in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg gegeben hat, das in Osteuropa aber wegen der Lähmung durch den Realsozialismus und den sowjetischen Kolonialismus nicht stattfinden hat können. Heute sei der Blick statt dessen auf sieben eindrucksvolle und nachahmenswerte Beispiele aus dem Norden Westeuropas gerichtet. Wobei vielfach auffällt, dass es durchaus oft auch gemäßigte Sozialdemokraten sind, die zukunftsorientierte Lösungen mittragen. Während der letzte wirklich positive und historische Beitrag der Sozialdemokratie für das Schicksal Österreichs in den frühen 50er Jahren die Absage an den Kommunismus gewesen ist.
- Das halblinks regierte Frankreich hat den Bau von nicht weniger als 14 Atomkraftwerken in Angriff genommen. Nach deren Fertigstellung wird Frankreich, das schon jetzt seinen eigenen Strom fast zur Gänze aus AKW bezieht, trotz seiner traditionellen industriellen Schwächen das Gold der Zukunft in Händen haben. Der Rest Europas, insbesondere Deutschland, wird wie ein Verdurstender nach dem Atomstrom aus Frankreich gieren, wenn dort die von den Grünen geschürte und den anderen Parteien nachgeplapperte Anti-Atom-, Anti-Kohle-, Anti-Benzin-, Anti-Diesel- und Anti-Gas-Hysterie ihr Ziel erreicht haben wird. Die Franzosen (aller Lager) hingegen werden sich über die in Österreich und Deutschland praktisch alle Parteien durchschüttelnde Antiatomhysterie amüsieren können.
- Das links regierte Schweden baut in 500 Metern Tiefe ein Atommülllager in den Fels, das 100.000 Jahre Sicherheit garantiert. Schweden hat zwar vor sechs Jahren auch so wie Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen – ist aber inzwischen deutlich klüger geworden. Man lässt die sechs existierenden Reaktoren am Netz und denkt an den Bau zehn weiterer. Dabei bleibt ohnedies zunehmend offen, ob man ein Endlager überhaupt brauchen wird und ob man den Atommüll nicht bald wieder aus der Tiefe holen wird. Denn international werden immer mehr Kraftwerksmodelle entwickelt, welche die Radioaktivität des Atommülls gut wiederverwerten können.
- In Sachen Sicherheit gegenüber der wachsenden russischen Aggressivität hat das – ebenfalls sozialdemokratisch regierte – Dänemark jetzt Verhandlungen mit den USA über die Stationierung amerikanischer Soldaten in Dänemark aufgenommen. Dabei ist Dänemark gar kein direkter Anrainer Russlands. Es spürt aber die russischen Gelüste, die ganze Ostsee ebenso wie das Schwarze Meer in ein russisch kontrolliertes Gebiet zu verwandeln.
- In Sachen Sicherheit besonders aktiv – wenn wohl auch, um damit gleichzeitig vom innenpolitischen Sturm wegen einiger vorschriftswidriger Partys abzulenken – ist der britische Premier Boris Johnson. Der konservative Politiker zeigt von allen internationalen Staatsmännern derzeit die meiste Solidarität mit der Ukraine gegen die russische Bedrohung, auch durch Waffenlieferungen, während Deutschland wie Österreich, abgesehen von einigen rhetorischen Übungen, den Kopf möglichst tief in den Sand stecken.
- Das Nato-Land Norwegen übertrifft bei seinen Bemühungen um Frieden in jeder Hinsicht weit die neutralen Österreicher. Diese reden zwar seit Jahrzehnten davon, dass sie sich statt eines militärischen Beitrags zur europäischen Sicherheit besonders um die politische Vermittlung in Konflikten bemühen werden. Österreich hat aber in Wahrheit noch in keinem einzigen Konflikt vermitteln können (auch Bruno Kreisky im Gegensatz zur Behauptung linker Hagiographen nicht; dieser hat, statt zu vermitteln, im Ost-West-Konflikt einseitig die Amerikaner, und im Nahostkonflikt einseitig die Israelis beleidigt). Norwegen hingegen hat nicht nur die bisher wichtigsten Nahost-Abkommen vermittelt. Es hat jetzt in Sachen Afghanistan auch direkte Gespräche aufgenommen, um die Taliban zu einem vernünftigeren Verhalten zu bringen. Man weiß zwar nicht, ob das zu einem Erfolg führen wird. Aber es ist eindeutig, dass das jeden Versuch wert ist.
- In Sachen Migration hat das sozialdemokratisch regierte Dänemark konsequent und erfolgreich den Kampf gegen die illegale Migration aufgenommen. Die Dänen schieben Asylwerber erfolgreicher ab als alle anderen und lassen sich auch von naiven Richtern keine Asylsuchenden ins Land zwingen.
- Die nordischen Länder zeigen auch ökonomisch eindrucksvolle Vernunft und glauben nicht ans arbeitsfreie Schlaraffenland. Das ist insbesondere beim realen (also nicht nur auf dem Papier stehenden) Pensionsantrittsalter zu beobachten. Sowohl Sozialdemokraten als auch Konservative haben dort begriffen, dass die ständig steigende Lebenserwartung und die gesunkenen Geburtenzahlen es notwendig machen, dass das ganze Land länger arbeiten muss, will es seinen Wohlstand erhalten. Das macht übrigens auch subjektiv das Leben zu einem sinnvolleren. Längeres Arbeiten wird hingegen in Österreich und in Deutschland von Sozialdemokraten und Gewerkschaften wie ein Verbrechen bis aufs Messer bekämpft. Die Zahlen des realen (also nicht nur des auf irgendeinem Papier stehenden!) Pensionsantritts im Durchschnitt der Bevölkerung zeigen einen dramatischen Unterschied, der unweigerlich auch dramatische Konsequenzen für das künftige Wohlergehen eines Landes haben muss. Diese Konsequenzen ließen sich bestenfalls durch gewaltige Bodenschätze etwa an Öl und Gas vermeiden – aber auch die gibt es in Norwegen und nicht in Österreich. Hier die nüchternen Zahlen, um wie viele Jahre im Schnitt Männer, beziehungsweise Frauen in den einzelnen Ländern später in Pension gehen als bei uns:
Großbritannien 5 bzw. 4;
Dänemark 5 bzw. 4;
Finnland 3 bzw. 3;
Schweden 7 bzw. 7;
oder Norwegen 6 bzw. 7.
Aber in Österreich gibt es seit Wolfgang Schüssel keinen einzigen Politiker, der begreifen würde, dass dieser Unterschied zwangsläufig die künftige Verarmung der Nation bedeutet, die auch gewiss nicht durch europäische Banknotendruckereien verhindert werden kann. Die Verarmung wird umso sicherer, wenn man gleichzeitig eine völlig illusorische Energiepolitik verfolgt, die allen Ernstes glaubt, mit Windmühlen und Solarpaneelen alle Gas-, Kohle- und Atomkraftwerke ersetzen zu können. Wäre man nicht gut erzogen, könnte einem da jene Ausdrücke einfallen, welche die politische Klasse übereinander verwendet, wie "Gsindl", "Koffer" oder "Falotten". Aber nicht nur für eine Partei.
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