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Österreich, die dreifache Europa-Blamage

Hinter den fast lächerlich anmutenden Drohungen der Frau Gewessler gegen die EU und der noch peinlicheren Aktion der FPÖ, Österreich bei der EU zu denunzieren, geht eine viel ernstere Bedrohung der europäischen Integration fast unter. Das ist der rasch voranschreitende (nach dem Brexit: weitere) Zerfall der EU aus eindeutigem Verschulden der EU-Kommission und des EU-Gerichtshofs. Das stimmt ziemlich verzweifelt – vor allem weil man in der österreichischen Politik diese Gefahr nicht einmal begreift, geschweige denn gegen sie ankämpft. Alle drei Aspekte zusammen machen erschütternd klar, wie wenig ernstzunehmend Österreich in Sachen Außen- und Europapolitik heute ist. Kein einziger Akteur, keine einzige Partei ist das.

Beginnen wir mit den grünen und blauen Blamagen. Die kann man wenigstens noch irgendwie von der amüsanten Seite nehmen. Wenn man sich bemüht.

­­­­Verkehrsministerin Gewessler kündigte mit groteskem Selbstbewusstsein eine Klage gegen den Beschluss der EU-Kommission an, Energieerzeugung aus Gas und Kernkraft als nachhaltige Technologien zu werten. Dabei müsste auch für Gewessler völlig klar sein,

  • dass die große Mehrheit der EU-Staaten hinter diesem Beschluss der EU-Kommission steht, weil sie auch selber Atomkraftwerke haben oder neue bauen;
  • dass ohne Atomstrom aus dem Ausland und ohne Gas auch in Österreich – obwohl es relativ viel Wasserkraft hat – mit Sicherheit die Lichter ausgehen und die Heizungen kalt bleiben würden;
  • dass es auch langfristig ohne Atomenergie keine Hoffnung für Europa gibt, die von den Grünen durchgesetzten EU-Klimaziele zu erreichen.

All diese Fakten werden von den Grünen total verdrängt. Noch bedenklicher ist aber, dass sich auch keine andere österreichische Partei traut, dem grünen Schwachsinn entgegenzutreten. Keiner einzigen Partei ist offenbar noch bewusst, dass einst beim Referendum über die Nichtinbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf mehr als 49,5 Prozent der Abstimmenden für die Atomkraft gestimmt haben. Dass in dieser von allen Parteien ignorierten Gruppe auch heute noch eigentlich politisch viel mehr zu holen wäre als beispielsweise bei den 10 bis 20 Prozent Impfgegnern, die von der FPÖ so hofiert werden. Dass es in sämtlichen anderen europäischen Ländern starke Parteien gibt, die die Notwendigkeit von Atomkraftwerken begreifen.

Vielmehr machen alle Parteien – einschließlich dem sonst so sklavisch EU-gläubigen Bundespräsidenten – wie Lemminge die geisteskranke Politik der Grünen mit und kämpfen gegen die europäischen Windmühlen. Sie haben Angst vor der grünen Anti-Atom-Hetze. Sie haben Angst vor der atompanischen Kronenzeitung (und haben deren rapiden Bedeutungsverfall nicht mitbekommen). Da lässt man die Vernunft lieber bleiben.

Ernst nehmen kann man da freilich keine einzige dieser Parteien mehr.

Noch lauter lachen als Gewessler lässt der freiheitliche Abgeordnete Roman Haider. Dieser hat jetzt allen Ernstes bei der EU ein Artikel-7-Verfahren gegen Österreich verlangt. Er behauptet, Österreich sei wegen der Impfpflicht kein Rechtsstaat mehr und solle daher sein Stimmrecht in der EU verlieren.

Damit übertrifft Haider die Frau Gewessler noch an Peinlichkeit. Sein Verlangen ist sowohl formaljuristisch wie meritorisch chancenlos. Aber wirklich empörend ist die sich im Verlangen Haiders offenbarende Einstellung. Offenbar ist er zu allem bereit, zu jedem Schaden für Österreich, solang dieser einer propagandistischen Kampagne dient. Einst hätte man gerade in der FPÖ zu einem Typen, der Österreich im Ausland denunziert, "vaterlandsloser Geselle" oder zumindest "Right or wrong, my country" gesagt. Das Verhalten der FPÖ erinnert übrigens auch an die SPÖ-Chefs Klima und Gusenbauer, die im Jahr 2000 die anderen EU-Länder zu Sanktionen gegen Österreich ermuntert haben. Das erinnert ebenso an die derzeitigen Oppositionsparteien Polens und Ungarns, die ihre Länder ständig bei der EU denunzieren.

Im Banne all dieser eigenen Blödheiten bekommt in Österreich niemand die Zerfallserscheinungen der EU mit. Dabei sind diese sehr ernst zu nehmen. Dabei wäre es eigentlich absolut oberste Pflicht und Aufgabe gerade Österreichs in seiner geographischen Lage und mit seiner k. und k. Vergangenheit, gegen diesen Zerfall zu kämpfen. Es geht genau um jenes Mitteleuropa, in dem nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die wichtigste Zukunft Österreichs liegt.

Es geht darum, dass Ungarn, Polen und Slowenien, aber auch einige andere osteuropäische Staaten durch die linksliberale Blödheit der EU Schritt für Schritt aus der EU hinausgeekelt werden. Von den ungarischen und polnischen Oppositionsparteien angestachelt haben EU-Kommission und EU-Gerichtshof ihre Aktionen zur Demütigung der Osteuropäer immer mehr intensiviert.  Das ist ein Vorgehen, das sich diese Länder mit absoluter Sicherheit nicht gefallen lassen werden – egal, welches "Vergehen" dafür als Vorwand dient.

Etwa der Vorwurf, dass in Polen bei der Richter-Einsetzung und Absetzung nicht die richterliche Unabhängigkeit gewahrt werde (dabei werden auch in vielen anderen Ländern wie etwa Österreich Höchstrichter politisch bestellt; dabei hat auch Deutschland nach der Wende kommunistisch bestellte DDR-Richter zur Recht hinausgeschmissen, also das getan, was jetzt, 30 Jahre später, den Polen als Verbrechen vorgehalten wird). Etwa die Vorwürfe, weil es in Ungarn verboten ist, Schulkinder mit homosexueller und Trans-Propaganda zu konfrontieren. Etwa weil Polen und Ungarn im Gegensatz zu den Wünschen Deutschlands konsequent den Zustrom von illegalen Migranten zu stoppen versuchen.

Die EU-Mehrheit – bei der schändlicherweise auch viele österreichische EU-Abgeordnete mittun – glaubt hingegen in ihrer unerträglichen Präpotenz, dass die Osteuropäer so sehr vom Geldfluss aus dem Westen abhängig seien, dass sie sich letztlich demütigen lassen werden. Das erinnert an einstige Kolonialmethoden, bei denen man mit wertlosen Glasperlen Eingeborene gefügig machen wollte.

Nun, wer Osteuropa kennt, weiß mit Sicherheit: Diese Völker sind viel zu stolz, als dass sie sich das gefallen lassen werden. Ist es doch heute geradezu Kern ihres nationalen Identitätsmythos, dass es ihnen nur durch ihr opferreiches nationales Aufbegehren gelungen sei, die sowjetische Herrschaft abzuschütteln. Was zum Teil auch stimmt (freilich waren damals die Herren Reagan, Gorbatschow und Jelzin wohl noch wichtigere Akteure …). Aber jedenfalls relevant ist die Wirkung dieses Mythos: Völker, die überzeugt sind, die sowjetischen Panzer selbst vertrieben zu haben, sind absolut nicht gewillt, sich den Homosexualitäts-Aposteln aus Brüssel zu beugen.

Das erinnert an den Spruch eines Mannes, der von der zentralen Kraft der Polen- und Ungarn-Hasser hochverehrt wird, nämlich Karl Marx: "Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce."

Während sich Polen in seinem Frust über die EU immer mehr den USA zuwendet, geht Ungarn in seiner Verzweiflung einen anderen Weg, nämlich den einer Annäherung an Russland. Das ist bedrückend. Das sollte Brüssel besonders dringend die Notwendigkeit einer Umkehr klarmachen, und die österreichischen Außen- und Europapolitiker aufwachen lassen.

Die Annäherung an Russland ist gerade im Fall Ungarns besonders erstaunlich. Ist doch Premier Viktor Orbán fast der letzte amtierende Staatsführer, der einst noch selbst als Oppositioneller aktiv gegen die sowjetische und kommunistische Herrschaft aufbegehrt hat. Ist doch die ungarische Revolution 1956 das opferreichste Aufbegehren gegen die Gewaltherrschaft Moskaus in ganz Osteuropa gewesen. Hat doch Orbán selbst die frühere Linksregierung noch scharf wegen ihrer Russlandfreundlichkeit kritisiert.

Damit ist Orbán aber auch vielleicht der einzige, der die gefährliche Gratwanderung zwischen Europa und Russland wagen kann. Bei aller Kritik am Verhalten der EU den Osteuropäern gegenüber kann einem bei der Beobachtung dieses Kurses aber dennoch ganz und gar nicht wohl sein. Denn auch ein gefinkelter Politiker wie Orbán kann auf der falschen Seite abstürzen.

So ist sein jetziges Zusammentreffen mit dem russischen Machthaber Putin ziemlich besorgniserregend abgelaufen. Nicht deshalb, weil man in gefährlichen Zeiten nicht das Gespräch suchen sollte. Das versuchen ja auch andere westliche Politiker, wenn auch nur telefonisch. Das ist aber deshalb besorgniserregend, weil Orbán ganz offensichtlich als einen Akt außenpolitischer Korruption üppige russische Bestechungsgeschenke für seinen bevorstehenden Wahlkampf entgegengenommen hat. Und noch mehr deshalb, weil Orbán in einer langen Erklärung nach dem Zusammentreffen mit Putin keine Silbe der Kritik am bedrohlichen russischen Truppenaufmarsch rund um die Ukraine zustandegebracht hat.

Zu dieser Bedrohung waren von Orbán vielmehr nur Phrasen zu hören wie jene, dass es "keinen führenden Politiker der Europäischen Union gibt, der einen Konflikt mit Russland möchte". Als ob daran irgendjemand gezweifelt hätte. Und auch sonst gab es nur Lob für Putin, wie: "Ungarn hat von Herrn Präsident Putin immer Respekt erhalten."

Für diese Anbiederung bekommt Ungarn eine Milliarde Kubikmeter Gas zu einem weit günstigeren Preis als Europa. Er bekommt eine intensivierte Kooperation beim Ausbau des ungarischen Atomkraftwerks, zusätzliche Flugverbindungen für nach Ungarn kommende russische Touristen sowie den Bau eines großen Container-Terminals an der ukrainisch(!)-ungarischen Grenze (was übrigens auch alle österreichischen Träume zunichte macht, dass der Umstieg von der bis nach China reichenden russischen Breitspur-Eisenbahn auf die europäische Normalspur hierzulande stattfinden könnte).

Bei anderer Gelegenheit hat Orbán demonstrativ klar gemacht, dass sich Ungarn selbst verteidigen könne und nicht so wie Rumänien und andere Staaten um die Entsendung zusätzlicher amerikanischer und britischer Truppen bitten werde.

Diese ungarische Politik macht besorgt. Aber diese massiven Signale einer Annäherung an Russland sind auch irgendwie verständlich. Denn Orbán gewinnt damit nicht nur Wahlkampfgeschenke für seinen Kampf gegen die ungarische Oppositionsfront (in der sich Postkommunisten bedenkenlos mit antisemitischen Rechtsextremisten zusammengeschlossen haben). Ungarn demonstriert damit auch die Entwicklung alternativer Optionen zur immer feindlicher werdenden EU. Was für ihn besonders wichtig ist, seit in Berlin intensive Ungarn-Hasser an die Macht gekommen sind.

Diese russlandfreundliche Demonstration ist aus ungarischer Perspektive auch dadurch motiviert, dass nach ungarischer Ansicht die Ukraine den Ungarn im Grenzgebiet nicht die international üblichen Minderheitenrechte eingeräumt hat. Das ist ein weiterer Grund für Ungarn, keinerlei pro-ukrainische Akzente zu setzen.

Die ungarische Annäherung an Russland scheint allerdings der seit vielen Jahrzehnten so engen Kooperation zwischen Ungarn und Polen zu widersprechen. Sind doch für Polen jedenfalls die Russen der Hauptfeind. Ist doch in diesen Tagen der polnische Ministerpräsident demonstrativ in die Ukraine gefahren, was auch optisch einen Gegenakzent zu Orbáns Putin-Besuch darstellt.

Aber dennoch kann man sicher sein, dass die Achse zwischen Warschau und Budapest halten wird. Aus mehreren Gründen:

  • Aus historischer Tradition und Freundschaft;
  • weil nur die gegenseitige Solidarität zwischen den beiden Staaten ihnen Sicherheit gegen den von etlichen Linkspolitikern gewünschten Entzug des EU-Stimmrechts gibt (dieses kann gemäß Artikel 7 – das ist jener, den die FPÖ gegen Österreich aktivieren will, – nur dann entzogen werden, wenn alle anderen dem zustimmen).
  • Weil sich beide Länder entschlossen gegen jeden der in der EU regelmäßigen Versuche wehren, ihre Grenzschließungen gegen illegale Migranten aufzuweichen, was viel besser gelingt, wenn man einen gleichgesinnten Partner hat;
  • weil sich die beiden Länder, aber auch das ihnen immer näher rückende Slowenien gemeinsam viel besser gegen die Versuche der linken EU-Mehrheit wehren können, die ihnen zustehenden Gelder aus dem Wiederaufbaufonds wegen angeblicher Rechtsstaatsverletzungen zu verweigern: Insbesondere Polen scheint als Reaktion EU-intern schon eine Dauerblockade begonnen zu haben, durch die alle Einstimmigkeit erfordernden Beschlüsse verhindert werden (dieselbe Strategie hat vor Jahrzehnten übrigens Frankreich mit der "Politik des leeren Stuhls" praktiziert, um ein möglichst hohes Agrarbudget zu sichern);
  • weil die Aversion gegen die gesellschaftspolitische Links-Entwicklung der EU in Osteuropa immer größer wird. Insbesondere für die katholischen Polen war das jüngste Verlangen des französischen Präsidenten Macron der absolute Tiefpunkt, dass die EU ein "Recht auf Abtreibung" in ihre Charta aufnehmen soll. Damit zieht nach den homosexuellen Lobby-Aktionen ein weiteres Thema eine tiefe geistige Bruchlinie quer durch den Kontinent.

Gleichzeitig stehen die seltsamen Signale vom Treffen Orbáns mit Putin auch in Kontrast zur jüngsten Erklärung von 15 rechtskonservativen Parteien in Madrid. Diese hat Orbán selbst gemeinsam mit dem Regierungschef Polens wie auch mit Exponenten der spanischen Vox und der österreichischen FPÖ (Marlene Svazek aus Salzburg) erst wenige Tage davor unterzeichnet. Interessanterweise nicht eingeladen war in Madrid die deutsche AfD, mit der ja wiederum FPÖ-Chef Herbert Kickl enge Kontakte hält: Diese wird nach dem Rücktritt von Parteichef Meuthen wegen der von diesem selbst kritisierten "zunehmenden Radikalisierung" von einer schweren Krise gebeutelt.

Die 15 Parteien unterzeichneten – mit der auffälligen Ausnahme der Französin Le Pen – eine Erklärung mit folgendem, völlig eindeutigem Satz: "Die militärischen Aktionen Russlands an der Ostgrenze Europas haben an den Rand eines Kriegs geführt."

PS: Eine zusätzliche Skurrilität am Rande sind die EU-Vorwürfe einer Rechtsstaatsverletzung gegen Slowenien: Dieses sei kein Rechtsstaat mehr, weil es die staatliche Finanzierung einer Nachrichtenagentur gestoppt hat. In Österreich hingegen wehren sich die ORF-Redakteure gegen eine staatliche Finanzierung des ORF (statt der Zwangsgebühren) und sehen darin ebenfalls eine Rechtsstaatswidrigkeit. Wir sehen: Linke können sowohl A wie Non-A zum Delikt erklären. Je nachdem, wie es ihnen passt.

PPS: Wie sehr derzeit die gesamte ungarische Politik vom bevorstehenden Wahlkampf geprägt wird und in eine ungute Richtung geht, ist auch an einem rein innerungarischen Aspekt zu sehen: Viele Lebensmittel-Preise mussten jetzt per Verordnung auf das Niveau des Oktobers zurückgeschraubt werden. Das ist reiner Wahlkampf und Populismus, wie man ihn anderswo eigentlich immer eher bei den Sozialisten sehen kann.

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