Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Die Erinnerung an die Dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts ist beklemmend. Auch damals hat die Welt geglaubt: "Der kann doch nicht ernstlich einen großen Krieg wollen." Und doch hat Adolf Hitler diesen durch die vierte Etappe seiner Eroberungen ausgelöst. Selbst wenn der Westen es wollte (wofür es nur am extrem rechten und extrem linken Rand Sympathien gibt), so sollte aber schon klar sein: Die ersten drei der genannten historischen Etappen werden sich wohl nicht mehr wiederholen können. Denn dem offensichtlich von allen guten Geistern verlassenen russischen Aggressor Wladimir Putin wird mit Sicherheit die Ukraine nicht so kampf- und wehrlos in die Hände fallen wie damals dem deutschen Aggressor Adolf Hitler das Saarland, Österreich und die Tschechoslowakei (als Folge des Münchner Abkommens, mit dem damals naive westliche Politiker "Peace in our time" gesichert glaubten). Eine gründliche Analyse der russischen Perspektive findet mehr als Dutzend zusammenspielende Motive, die den russischen Diktator antreiben und gerade jetzt zum Losschlagen motivieren.
Saarland, Österreich und Tschechoslowakei wird die Ukraine schon deshalb niemals sein, weil sich Land und Volk bei einem russischen Einmarsch, aber auch danach mit allen Mitteln wehren werden. Auch wenn ihr die schmähliche deutsche Linksregierung keine Waffen zur Selbstverteidigung zukommen lassen will. Auch wenn die Amerikaner nur von wirtschaftlichen Sanktionen reden, die Russland nicht sonderlich beeindrucken. Aber die Ukrainer – mit immerhin halb so viel Einwohnern wie Deutschland – sind dennoch mit großer Erbitterung kampfbereit und werden Putin nicht so billig ins gefräßige Maul fallen wie Hitler seine ersten Eroberungen. Außerdem werden viele vor allem osteuropäische Nationen dem Land mit Waffen beistehen.
Sie fürchten, dass das Schicksal der Ukraine auch für sie eine Wiederholung der 40 sowjetischen Schreckensjahre bringen könnte. Und auch Großbritanniens Premier Johnson, der nicht ganz zufällig eine ganze (faszinierende) Biografie über Winston Churchill geschrieben hat – welcher 1940 alleine gegen den Aggressor gestanden war! –, ist überzeugt, dass das Nachgeben gegenüber einer Aggression nichts bringt.
Auch das russische Verhalten während der letzten Stunden drängt bis in die Details den Vergleich mit Gleiwitz auf. Skurrile Explosionen in den russisch besetzten Gebieten in der Ostukraine deuten ganz auf eine Parallele zum angeblichen Angriff Polens auf den deutschen Reichssender Gleiwitz am 31. August 1939. Dieser war ja in Wahrheit von SS-Männern gesprengt worden, die den Befehl hatten, einen Vorwand für den längst beschlossenen, vorbereiteten und dann in den Morgenstunden des 1. September beginnenden Angriff auf Polen zu liefern. Der den Ausbruch des Weltkriegs bedeutet hatte.
Putin kann inzwischen fast nicht mehr zurück, selbst wenn er wollte. Von Tag zu Tag würde in russischen Augen die Blamage größer, wenn er jetzt die Truppen einfach abzieht. Die – eigentlich geplante – Erpressung des Westens mit Drohungen hat offenbar nicht funktioniert. Selbst für die Gasversorgung Europas durch Russland – die einzige wirtschaftliche Stärke des von Kommunisten und dann den räuberischen Oligarchen der Putin-Clique heruntergewirtschafteten Landes – scheint ein wenn auch notdürftiger Ersatz bereitzustehen. Schien es vor wenigen Tagen noch so, als ob der Mann im Kreml sich damit begnüge, dass der Westen der Ukraine den von dieser zur eigenen Verteidigung so sehr ersehnten Nato-Beitritt auf absehbare Zeit verweigert, so wird von Stunde zu Stunde durch immer neue Kriegsvorbereitungen ein gesichtswahrender Rückzug des Diktators unwahrscheinlicher.
Denn niemand ist bereit und willens, ihm die Kolonialisierung der ganzen Ukraine am Servierteller anzudienern, und damit de facto auch gleich eine Oberhoheit über die baltischen Staaten, Georgien und große Teile Osteuropas.
Verzweifelt wird zugleich rund um den Erdball gerätselt, warum Putin eigentlich so agiert, warum er so hemmungslos alles auf die Karte der Aggression setzt. Offensichtlich haben sich da in seinem Denken mehrere Motivstränge zu einem gefährlichen Knoten verstrickt:
Diese Faktoren haben Putin einerseits motiviert und andererseits glauben gemacht, dass jetzt der beste Zeitpunkt zum Losschlagen gekommen ist, den es für ihn vielleicht nie wieder geben wird. Das Durchschlagen eines Knotens hat ja mindestens schon einmal ein Eroberer zum Symbol eines furchtbaren Angriffskriegs gemacht – der aber dennoch jetzt noch in mindestens zwei Nationen verehrt wird. Obwohl das Durchschlagen des Gordischen Knotens 2355 Jahre her ist …