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Es ist fest verwurzelter Teil der österreichischen Kultur so wie etwa die Einladung eines Gastes zu einem Kaffee oder einem Glas Wein. Mit 99-prozentiger Sicherheit haben sämtliche Abgeordneten des Landes – ob zum Nationalrat oder Landtag – schon einmal irgendwo interveniert, damit jemand einen Posten im öffentlichen Bereich oder eine Wohnung oder eine Förderung bekommt. Die meisten sehen das geradezu als Teil ihrer Job Description. Jetzt aber wird genau das in den Augen der sogenannten Korruptionsstaatsanwaltschaft zum kriminellen Delikt der Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Freilich nur dann, wenn die Intervention von einem ÖVP- oder FPÖ-Politiker gesetzt worden ist, rund um die man ja reihum Handys und Computer beschlagnahmt hat, während rote oder grüne Chats für die Genossen Staatsanwälte völlig tabu sind.
Dadurch können sie auch den zweiten zumindest indirekt inkriminierten Vorwurf einseitig ausbauen: Unter schwarzen Ministern wurden viel öfter Schwarze etwas. Auch dieser Vorwurf stimmt an sich zweifellos. Ebenso wie halt unter roten, grünen, blauen Ministern oder Landesräten viel öfter denen nahestehende Menschen etwas geworden sind. Das kann man zum Teil sogar durchaus verstehen, ist doch ein Politiker für ein großes Ressort verantwortlich, wo er auch davon abhängig ist, dass da nicht allzu viele Beamte parteipolitisch gegen ihn intrigieren. Was ich bei Ministern und Beamten unterschiedlicher Parteifarbe selbst oft beobachten habe können.
Wenn man also auch bei relevanten Spitzenpositionen ein gewisses Verständnis für parteinahe Besetzungen haben kann – sofern ein Politiker dabei nicht durch Einsetzung eines Versagers der Republik und sich selbst schadet –, kann man trotzdem totale Einfärbigkeit keineswegs akzeptieren. Wie sie im zu 90 Prozent bis zum letzten Portier knallroten Riesenapparat der Gemeinde Wien herrscht. Oder im knallschwarzen Niederösterreich.
Die WKStA will freilich nur die eine Seite der österreichischen Realität zur Kenntnis nehmen. Sie werten nämlich "ganz zufällig" immer nur schwarze und blaue Handys aus. Dabei kann absolut niemand glauben, dass der ÖVP-Klubchef Wöginger, gegen den die WKStA nun ein Strafverfahren eröffnen will, mit seiner Intervention eine Ausnahme unter den 183 Abgeordneten ist. Oder dass nur H.C. Strache ein offenes Ohr für Interventionsbitten hatte.
Bei den Interventionen geht es nicht nur um Beamtenjobs. Besonders eifrige Intervenierer in alle Richtungen sind auch die Landeshauptleute. So hat ein hochrangiger ORF-Redakteur nie ein Hehl daraus gemacht, dass er den oberösterreichischen Landeshauptmann für sich anschieben hat lassen. Und das Auftauchen der Besetzungen von ORF-Spitzenpositionen in Koalitions-Vereinbarungen hängt natürlich ebenso eindeutig mit einer Unzahl von Interventionen der Betreffenden bei der Politik zusammen.
In Hinblick auf die Justiz und die Staatsanwaltschaft gibt es sogar das schriftliche Protokoll einer Geheimbesprechung, bei der sozialistische Exponenten verabredet haben, dass sie gezielt die Justizbehörden unterwandern werden, die ihnen damals zu bürgerlich schienen.
Ich selbst könnte ein ganzes Buch füllen mit all den Interventionen irgendwelcher echter oder Möchtegern-Promis bei mir für junge Leute, die einen Job bei einer der von mir geleiteten Zeitungen gewollt haben (Ich habe in der Folge diesen jungen Leuten zwar des öfteren aus Höflichkeit einen Assessment-Termin für eine Lehrredaktion eingeräumt. Einen Job hat aber mit Sicherheit kein einziger bei mir bekommen, weil ich Interventionen immer als negative Selektion betrachtet habe. Das war diesen Jobsuchern gegenüber vielleicht ungerecht, das war mir aber wegen des Redaktionsklimas wichtig, wo keinesfalls jemand glauben sollte, ein neuer Kollege wäre unsauber in die Redaktion gekommen.)
Gewiss, bei einer Zeitung kann man keinen Amtsmissbrauch begehen. Das österreichische Gefühl ist aber dennoch bei allen begehrten Jobs, ob es nun um den eines Redaktionsaspiranten oder den des Leiters eines Finanzamtes geht, überall das absolut gleiche. Die meisten, die sich für den Job interessieren, sind überzeugt: Du kriegst ihn nur, wenn du Beziehungen hast, wenn jemand für dich anschiebt.
Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich wäre es wünschenswert, bei Postenbesetzungen immer den objektiv besten zu finden. Es ist jedoch oft enorm schwierig, herauszufinden, welcher Kandidat das eigentlich ist.
Das, was die WKStA jetzt gegen Wöginger unternimmt, hat hingegen zusammen mit ihren früheren Aktionen nur einen Effekt (selbst wenn es nicht eine neuerlich parteipolitisch total einseitige Aktion wäre): Es wird halt künftig wieder viel mehr im direkten persönlichen Gespräch besprochen werden und nicht mehr in elektronisch festgehaltenen Chats oder in abbhörbaren Telefonaten (selbst ein Höchstrichter hat mir dieser Tage gesagt: "Darüber red' ich aber nicht am Telefon").
Es wäre trotz all dieser Anmerkungen zweifellos schön, wenn man Interventionen jeglicher Art verbieten und tabuisieren könnte. Das kann aber nur Folge eines demokratischen Konsenses und Kulturwandels sein, und nicht die einer total einseitigen Agitation einiger linker Staatsanwälte. Denn dahinter steht der Anspruch, den demokratisch legitimierten Rechtsstaat durch einen Justizstaat zu ersetzen, in dem eine Klasse immer mehr Macht an sich reißt – ohne irgendwie demokratisch legitimiert zu sein. Denn "die" Politiker, so schlecht ihr Image auch sein mag, sind zumindest immer dem Urteil der Bürger ausgesetzt, die sie beim nächsten Mal abwählen können, während das Staatsanwälte und Richter nach ihrer Bestellung nicht sind.
In Wahrheit bedeutet der von manchen Kräften in dieser Republik ständig geforderte Machttransfer von den Parlamenten und den durch Parlamentsmehrheiten getragenen Regierungen hin zu einer niemandem mehr Rechenschaft schuldigen Richterklasse (in die sich auch die Staatsanwälte hineinschmuggeln) nichts anderes als eine Entmachtung der Bürger. Die haben dann in ihrem Staat – in dem das Recht theoretisch laut Verfassung vom Volk ausgeht – nur noch so viele Rechte wie Pfarrgemeinderäte in der Kirche.
Das wirklich Infame ist aber das völlig einseitige Vorgehen der Lieblingsstaatsanwaltschaft der Frau Zadic:
Denn bei keinem roten oder grünen Politiker – ob er nun im Bund oder in einem Land Verantwortung getragen hat oder trägt – oder ihnen nahestehenden Spitzenbeamten sind jemals Computer beschlagnahmt und Chats untersucht worden, um herauszufinden, ob er vielleicht irgendwo zugunsten eines Jobkandidaten interveniert hat. Dabei weiß jeder Österreicher, dass Interventionen nicht nur zwischen Angehörigen der gleichen Partei laufen, sondern auch durchaus lagerübergreifend. Denn fast jeder kann später auf irgendeiner anderen Ebene auch Gefälligkeiten von Exponenten anderer Parteien brauchen, um Bürgerinterventionen erfüllen zu können.
Ebenso widerlich, infam und einseitig ist es auch, dass nur beim schwarzen Thomas Schmid das üble Gegengeschäft Inserat vs. gefällige Berichterstattung inkriminiert wird, nicht aber, wenn die SPÖ der Täter ist. Dabei war sie das allein schon über die Gemeinde Wien in den letzten Jahrzehnten ganz eindeutig mehr als jede andere Partei.
Ähnlich infam und einseitig ist auch die von ORF und etlichen Linksvereinen geschürte plötzliche Aufregung darüber, dass ein ehemaliger Kärntner ÖVP-Politiker, der jetzt den Kärntner Verfassungsschutz übernommen hat, einst eine Grußbotschaft beim sogenannten Ulrichsbergtreffen von Weltkriegsveteranen gegeben hat. Denn die Tatsache, dass auch SPÖ-Politiker (und ebenso Freiheitliche) dort genauso aufgetreten sind, hat den ORF noch nie interessiert. Ebenso wie die Tatsache, dass viele Jahre auch das Bundesheer dieses Veteranentreffen mitorganisiert hat.
Die ständigen Versuche der Linken, eine Kollektivhaftung nur deshalb zu verhängen, weil jemand irgendwo aufgetreten oder mitgeschrieben hat, wo halt einmal auch andere aufgetreten sind, die als unberührbar gelten, werden immer unerträglicher. Denn dem Wortlaut jener Grußbotschaft war ja offensichtlich nichts vorzuwerfen.
Solche Aufregungen werden immer gezielt so hochgespielt wie etwa einst die um Liederbücher oder Rattengedichte von freiheitlichen Politikern, solange die FPÖ in der Regierung gewesen ist. Die Denunziationsmaschine arbeitet dabei immer mit den gleichen Methoden und Einseitigkeiten. Wichtig ist nur, dass ihr Werken am Ende den Linksparteien nützen soll.
Das Schlimme daran ist vor allem, wenn jemand, der es eigentlich besser wissen müsste, diese Kampagnen überhaupt zur Kenntnis nimmt (wie es etwa Sebastian Kurz in Hinblick auf die linke Einzelfall-Kampagne gegen die FPÖ getan hat; oder wie es etwa Karl Nehammer tut, der auf jede historische Denunziation gegen Engelbert Dollfuß hereinfällt, ohne dessen Verdienste zu nennen; wie es die jetzige FPÖ tut, die jede Denunziation gegen die ÖVP begeistert mitmacht). Noch schlimmer ist, wenn eine mit enormer Macht ausgestattete – und seit dem Abschuss der Herren Pilnacek und Fuchs völlig unkontrollierte – Institution wie die Staatsanwaltschaft sich selbst zur Speerspitze parteipolitischer Hexenjagd macht.
Das einzig positiv Überraschende am Aufpoppen der nunmehrigen WKStA-Aktion gegen Wöginger ist, dass die Öffentlichkeit diesmal erst auf korrektem Weg davon erfahren hat, und nicht wie sonst üblich zuerst in den Lieblingsverlautbarungsorganen der WKStA, also in "Falter", "Profil" und ORF. Das könnte der erste Millimeter auf dem kilometerlangen Weg zurück zum Rechtsstaat sein. Von ganzen Metern könnte man jedoch erst dann sprechen, wenn auch alle anderen Abgeordneten, die irgendwo interveniert und damit angeblich zum Amtsmissbrauch angeleitet haben, jetzt ein Strafverfahren bekämen. Und wenn alle Inserate, die die Gemeinde Wien vor allem in Boulevard- und Wochenzeitungen geschaltet hat, genauso intensiv samt Computer-Beschlagnahmen untersucht würden wie die Inseraten-Aktionen des Kurz-Anhimmlers Thomas Schmid.
Viel deutet übrigens darauf hin, dass das, was ich eingangs als österreichische Kultur bezeichnet habe, in Wahrheit keineswegs spezifisch österreichisch ist. In den USA ist es sogar ganz offiziell, dass rund 5000 Beamtenpositionen bei einem parteipolitischen Wechsel im Weißen Haus ausgetauscht werden, damit der neue Mann seine Politik auch wirklich umsetzen kann.
Österreich ist diesbezüglich milder, aber verlogener: Hierzulande sind überall Objektivierungskommissionen eingesetzt worden, um langmächtig, zeit- und kostenverschlingend zu tagen. Und doch werden sehr oft die Politikerwünsche erfüllt. Dafür geschieht das in Österreich nicht so wie in den USA schlagartig mit einer Massensäuberung nach Wahlen, sondern nur immer dann, wenn ein Posten neu zu vergeben ist. Deshalb sind manche Ministerien auch Jahre nach Ausscheiden des letzten SPÖ-Ministers in der Beamtenschaft noch mehrheitlich rot.
PS: Ins Kapitel widerlicher Schmutzkampagnen gehört auch die Weiterverbreitung offenbar gestohlener Handy-Inhalte des Kabinettschefs der ehemaligen ÖVP-Innenministerin Mikl-Leitner. An diesem Diebstahl scheint die WKStA nicht beteiligt zu sein, hingegen soll ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes der Täter sein. Das zeigt, wie groß der Sumpf ist. Jedenfalls werden seither wenig zimmerreine SMS von Mikl-Leitner verbreitet wie "Rote bleiben Gsindl!" Damit hat sich Mikl-Leitner auf dasselbe Niveau wie Michael Häupl begeben, der einst über "schwarze Koffer" gestänkert hat. Einziger Unterschied: Häupl hat das ungeniert öffentlich gesagt. Mikl-Leitner hingegen im Vertrauen, dass private Dialoge privat bleiben können – und sich nach deren Veröffentlichung gleich entschuldigt. Jedenfalls ist es sehr, sehr lang her, dass sich Schwarze und Rote im Interesse der Republik vertragen haben. Was üblen Figuren in Staatsanwaltschaft und Verfassungsdienst schmutzige Aktionen ermöglicht.