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Längst sind jene Österreicher zu einer kleinen Minderheit geschrumpft, die noch einen Überblick über alle geltenden, beziehungsweise beschlossenen Corona-Vorschriften haben. Längst haben sie das Kapitel geistig in jenem Ordner abgespeichert, der mit "Chaos pur" überschrieben ist. Zu oft sind die Regeln in zu kurzen Abständen geändert worden. Zu oft haben sich einzelne Bundesländer, insbesondere Wien, mit zusätzlichen Regeln noch zusätzlich wichtig machen wollen und so die Verwirrung noch mehr vergrößert. Längst sind mindestens drei weitere Regelsysteme in und außer Kraft getreten, bevor das erste beim Verfassungsgerichtshof überprüft wird.
Dieser hat jetzt bei einer solchen Überprüfung einer früheren Corona-Regelung einmal etwas sehr Kluges gemacht: Er hat vom Gesundheitsminister eine lange Liste konkreter Daten und Fakten verlangt, um die Regierungsmaßnahmen zu überprüfen. Das ist jedenfalls eine Schande für den Minister, denn eigentlich hätte es ganz selbstverständlich sein müssen, dass diese Daten schon von Anfang an alle offengelegt werden. Denn auch die Bürger sollten genauso ein Recht auf Information zu allen Daten haben, die es rund um die Pandemie, die einzelnen Impfstoffe, deren Nebenwirkungen, die Mortalität von Corona, die Ansteckungen durch Geimpfte und Ungeimpfte, die Bettenauslastung, den Unterschied zwischen den "an" und dem "mit" dem Virus verstorbenen Österreichern, die Übersterblichkeit. die internationalen Vergleiche und vieles andere mehr gibt.
Ist es nicht mühsam, das alles zusammenzutragen? Ja, gewiss doch. Aber eigentlich sollte es dennoch selbstverständlich sein, ständig alle Aspekte, Zusammenhänge, Wirkungen, aber auch Ungewissheiten rund um Corona offenzulegen. Sind sie doch der Anlass zu den stärksten Einschränkungen der menschlichen Freiheit seit der NS-Zeit.
Die Pflicht, all diese Daten endlich vorzulegen, heißt zwar noch lange nicht das, was die Impfgegner da jubelnd heraus- oder hineingelesen haben, nämlich dass eine Aufhebung der Maßnahmen bevorstünde. Aber sie ist sehr wohl ein Rüffel für den Verwaltungsapparat des Gesundheitsministeriums, weil er nicht von vornherein alle Daten veröffentlicht, beziehungsweise nach ihnen gesucht hat.
Allerdings wird sich auch der Gerichtshof damit abfinden müssen, dass es nicht auf alle seine (und unsere) Fragen eine Antwort geben wird. Weil es die nicht geben kann. Das Virus ändert sich viel zu schnell, bevor man noch ausreichend Erfahrungen, also Daten mit der letzten Variante gewonnen hat. Dementsprechend war es logischerweise auch unmöglich, Impfstoffe jahrelange zu prüfen. Zusätzlich verwirrend ist, dass einmal die Älteren besonders gefährdet waren, und einmal die Jüngeren.
Das einzige, was man zu Corona jetzt schon mit absoluter Sicherheit sagen kann: Impfen reduziert die Gefahr signifikant, ernsthaft zu erkranken. So sind beispielsweise auf den niederösterreichischen Intensivstationen 93 Prozent der Patienten nicht geimpft. So haben nach Aussagen von mehreren Klinikchefs die wenigen Geimpften in den Intensivstationen fast alle schon vorher ein schweres Leiden gehabt. Und die Nebenwirkungen von Impfungen sind samt allen bösen (und überwiegend noch nicht nachgewiesenen) Einzelfällen minimal im Vergleich zu den millionenfachen letalen Folgen einer Corona-Erkrankung.
Bei den anderen zwei entscheidenden Fragen tappen wir hingegen weiterhin im Dunkeln, die beide eine Impfpflicht und Restriktionen für Ungeimpfte rechtfertigen würden, weil es in beiden Fällen eben nicht um ihre Freiheit geht, mit ihrem Körper zu tun, was sie wollen, sondern um den Schutz Dritter:
Auf beide entscheidende Fragen kann vorerst noch niemand ganz überzeugende Antworten geben. Daher darf man gespannt sein, wieweit sich da der Gerichtshof aus dem Fenster lehnen wird; und ob er der Regierung das Recht einräumt oder vielleicht sogar die Pflicht auferlegt, nach dem Prinzip "Im Zweifel für die Vorsicht, solange diese nicht völlig übertrieben erscheint", zu handeln, weil zum Regieren eben die Regierung und nicht Gerichte da sind.
Freilich: Selbst wenn man der Regierung dieses generelle Motto zubilligt, bleibt eine ganze Menge gravierender Kritikpunkte an wichtigen Aspekten, die keinesfalls untergehen dürfen. Die wichtigsten:
Mit einem Satz: Nicht der Kampf gegen die Pandemie ist falsch (ob er übertrieben war, werden wir erst in ferner Zukunft seriös bewerten können), aber das Versagen der Gesundheitsbehörden. Zumindest in Wien ist man auch noch nach zwei Jahren überfordert, mit Infektionsfällen umzugehen, wodurch die Stadt alle Gutpunkte wieder verspielt, die sie durch das Funktionieren der Wiener PCR-Testsysteme an sich zu Recht erworben hat (und wofür ihr der ORF täglich Weihrauch streut).
Dennoch sollte man bei aller frustrierten Kritik an vielen Details überforderter Behörden Gelassenheit bewahren. Denn es gibt absolut kein Land auf der Welt (außer man nimmt die Lügengeschichten aus Nordkorea und China ernst), das in diesen zwei Jahren nicht furchtbare Fehler gemacht hätte.
Selbst das anfangs bei FPÖ und Umgebung ob seiner mehr auf Überzeugung denn Verboten aufbauenden Corona-Politik hoch gelobte Schweden wird von den Corona-Leugnern neuerdings totgeschwiegen. Denn sie haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass ausgerechnet dort das schlimmste ihrer Schreckensszenarien Realität geworden ist: Denn in Schweden haben sich die Menschen zu Tausenden elektronische Chips mit den Daten ihres Grünen Passes unter die Haut einbringen lassen.
Die politische Folge des Unsicherheit ausstrahlenden Zickzack-Kurses der letzten zwei Jahre zeigt sich in der Polarisierung der Wahlergebnisse: Sowohl in Waidhofen an der Ybbs wie auch in Portugal – man verzeihe den etwas ungewöhnlichen Vergleich – haben die impffreudigen Sozialisten signifikant gewonnen. Noch mehr Zugewinne gibt es für die neue Impfgegner-Partei MFG in Waidhofen, während es ÖVP, Grünen und FPÖ dazwischen gar nicht gut ging.
Auch in Portugal gelang einer klar rechten Partei fast aus dem Stand der Sprung auf den dritten Platz. Diese Partei hat freilich nicht gegen das Impfen gekämpft, sondern genau jenen Kampf geführt, der einst für FPÖ und ÖVP in ihren Erfolgszeiten der wichtigste gewesen ist: nämlich den gegen die illegale Einwanderung sowie den gegen Abtreibung, Subventionen und Feministen. Diese Themen sind bei Schwarz und Blau heute fast in Vergessenheit geraten.
PS: Wir werden wir uns wohl alle mit Amüsement an den einstigen Gesundheitsminister Anschober erinnern, der ein Jahr lang wöchentlich gesagt hat: "Die nächsten zwei Wochen werden entscheidend." Daher sollten wir vorsichtig sein im Umgang mit jenen Prognosen, die davon ausgehen, dass dank Omikron in zwei Wochen das Schlimmste vorbei sein werde. Aber dennoch macht es viel Hoffnung, dass es schon etliche Länder von England bis Dänemark gibt, die fast alle Corona-Beschränkungen aufgehoben haben. Die ein Leben danach kennen.