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Es ist schwer, sich ein homerisches Gelächter zu verkneifen: Denn kaum haben die Freunde der SPÖ in der Korruptionsstaatsanwaltschaft mit völlig beweisfreien Vorwürfen den ÖVP-Bundeskanzler aus dem Amt gekippt, kaum liegt die Sozialdemokratische Partei erstmals nach Langem bei einer Meinungsumfrage wieder voran, kaum derhebt der (überdies mit Corona an den einsamen Küchentisch verdammte) Karl Nehammer die gewaltige Belastung der Sebastian-Kurz-Nachfolge, kaum hat sich die zweite große Oppositionspartei durch die üble Gossensprache ihres Chefs selbst tief ins Abseits manövriert – da bricht in der Sozialdemokratie selbst ein schlimmes Hauen und Stechen aus. Statt dass sich die Partei über die beste Phase der letzten Jahre freuen kann.
Im Grunde hat man da nur zwei Möglichkeiten: Entweder man schließt sich den schon vor 2000 Jahren gemachten Beobachtungen des römischen Dichters Juvenal an, dass man das alles nur noch mit Satire begleiten kann. Oder aber man wird vom Mitleid des alten weißen Mannes mit der jungen, netten, aber völlig überforderten Frau überwältigt, der ein Provinzrüpel jeden Tag klarmacht, wie unfähig sie denn sei (und verkneift sich den Gedanken, dass der Rüpel dabei eigentlich weitgehend recht hat).
Was aufs Erste besonders erstaunt: Nicht einmal der ORF kann diesen Genossenzwist im roten Haus ganz verschweigen. Das bestätigt die Vermutung, dass man dort weder auf Herrn Doskozil noch auf Frau Rendi-Wagner setzt, sondern auf den Rathausmann Michael Ludwig als künftigen starken Mann, weshalb man die gegenseitige Zerstörung von Rendi und Doskozil zumindest am Rande stattfinden lässt. Diese Vermutung wird auch durch die Corona-Berichterstattung des ORF bestätigt, bei der der Gebührensender derzeit total die hohen Ansteckungswerte in Wien verschweigt, nachdem er zuvor das Wiener Rathaus täglich lauthals bejubelt hat, solange die Wiener Corona-Zahlen erfreulich waren.
Apropos ORF und SPÖ in anderem aktuellem Zusammenhang: Es ist gar nicht vorstellbar, wie intensiv es der (von der masochistischen ÖVP gerade erst mit einer Gebührenerhöhung beschenkte) ORF rund um die Uhr berichtet hätte, wenn ein früherer Parteichef von ÖVP oder FPÖ regelmäßig dicke Schecks vom Terrorregime in Kasachstan erhalten hätte, damit er europaweit andere prominente Genossen als Lobbyisten für die steinzeitliche Diktatur anwirbt. Aber bei einem früheren SPÖ-Chef wird diese entsetzliche Peinlichkeit penibel unter den Teppich gekehrt, ebenso wie die Tätigkeit anderer prominenter SPÖ-Veteranen für Kasachstan. Dabei wäre es journalistische Pflicht Nummer eins, alles über die Österreich-Beziehungen eines Landes zu berichten, wenn dieses plötzlich die globalen Schlagzeilen beherrscht.
Zurück zur SPÖ: Tatsache ist, dass nicht einmal aus der Geschichte der ÖVP irgendeine öffentliche Äußerung bekannt ist, wonach die Parteimitglieder "extrem verärgert" über den Bundesparteivorsitzenden wären. Dabei ist die ÖVP reich an Provinzintrigen insbesondere aus der Steiermark gegen die jeweilige Parteispitze. Aber so tief ging es dennoch nicht einmal dort zu. Auch in der SPÖ selbst war man zumindest nach außen hin eine Zeitlang nobler: So hat man den Abschuss des jammervollen Werner Faymann lieber den am 1. Mai gegen Faymann pfeifenden Basis-Genossen überlassen, als dass sich die Spitzen irgendeiner Landespartei offen zu solchen Äußerungen hinreißen hätten lassen.
Allerdings hatte die SPÖ in früherer Vergangenheit eine noch viel brutalere Tradition im Führen parteiinterner Kriege. Kreisky gegen Androsch oder Pittermann & Broda gegen Olah waren da die übelsten Exzesse. Aber damals berichteten die Medien noch darüber.
Noch erstaunlicher als die gezielte Ablenkungsberichterstattung des ORF ist das Schweigen der linken Feministinnen, wenn männliche Genossen so mit der Parteivorsitzenden umgehen, wie es derzeit die pannonischen Burschen tun. Dabei zeigt sich in deren Verhalten ganz eindeutig massiver ruraler Machismo. Dabei ist es an vielen burgenländischen Stammtischen noch immer selbstverständlich, nur Männer zu sehen, die sich dort beim Blaufränkischen die Welt erklären. Vor diesem kulturellen Hintergrund hält man halt rund um den Neusiedlersee eine Frau als Chefin nicht wirklich aus, wenn die außer hübsch sein auch einmal etwas sagen will.
Das Absurde daran ist freilich: Hans Peter Doskozil hat trotz seiner ungehobelten Art mit seiner Metabotschaft recht: Sie kann es nicht. Nein, sie kann es wirklich nicht.
Rendi-Wagner strahlt weder Leadership noch Charisma aus. Sie ist weder in der Außenpolitik noch in der Wirtschaftspolitik, den beiden zentralen Feldern jeder Politik, daheim, sondern nur in einem derzeit wichtigen, aber doch in der Regel an der Peripherie liegenden Gebiet der Politik. Sie ist eine bloße Quereinsteigerin mit allen der SPÖ-Basis fremden Oberschicht-Ausstrahlungen, die der ebenfalls glücklose Christian Kern aus der Bürokratie geholt und die er bei seinem plötzlichen Abgang als überraschende Nachlassverwalterin hinterlassen hat. Ihr fehlt daher die in der SPÖ so wichtige Verankerung bei einer der drei entscheidenden Parteisäulen: Sie hat diese weder im Wiener Parteiapparat noch in der Gewerkschaft noch bei den Freimaurern.
Während man Rendi für all das keinen Vorwurf machen kann, ist sie sehr wohl für die Auswahl jenes Mannes selbst verantwortlich, der ständig im Namen der Partei und der Parteivorsitzenden öffentlich auftritt. Sie hat sich nämlich ausgerechnet einen Jörg Leichtfried als Winkelried und zweites Gesicht der Partei ausgesucht, der wirklich bei jedem Auftritt peinlich schleimig wirkt. Oder unbeabsichtigt komisch. Inzwischen werden schon Wetten abgeschlossen: Nach welchem Problem Leichtfried auch gefragt wird – als Schuldiger hüpft immer die Bundesregierung heraus. Und er merkt nicht, wie langweilig und unglaubwürdig er damit ist. Ob es um Corona geht (so als ob die Pandemie nur in Österreich wüten würde) oder um die Inflation (wo er die österreichischen 4,3 Prozent fürchterlich findet, wo ihn die 5,3 Prozent in Deutschland aber überhaupt nicht interessieren, obwohl dort seit langem seine Parteifreunde mitregieren): Leichtfried findet die Regierung ganz furchtbar unfähig.
Noch absurder ist aber: Es sind gar nicht diese inhaltlichen, persönlichen, personalpolitischen und karrieremäßigen Defizite, die Rendi jetzt auf den Kopf fallen. Der Frontalangriff auf sie erfolgt nämlich ausgerechnet in jenem Feld, wo sie wirklich daheim ist, in dem der Gesundheitspolitik. Ausgerechnet dort ist es nicht mehr nur der Dauerstänkerer aus dem Burgenland, der sich frontal gegen die Parteichefin stellt. Jetzt sind es auch schon offen die Parteichefs sowohl aus Salzburg als auch Tirol.
Zwar ist die SPÖ in diesen beiden Ländern alles andere als eine wichtige politische Kraft. Und das Burgenland ist überhaupt das kleinste Bundesland Österreichs. Aber gerade das ist bezeichnend: Auch Leichtgewichte haben heute kein Problem mehr damit, sich öffentlich gegen die Parteichefin zu stellen. Nicht einmal bei einem zentralen Thema aus dem Zentrum der persönlichen Kompetenz von Pamela Rendi-Wagner scheuen sie inzwischen davor zurück, nämlich bei der von Regierung wie SPÖ-Spitze geplanten Impfpflicht. Da kann man sich vorstellen, wie irrelevant es in der SPÖ sein wird, wenn Rendi einmal in irgendeiner anderen Frage eine prägnante Meinung äußern sollte. Was sie aber eh nicht tut.
Irgendwann wird wohl der Zeitpunkt kommen, wo Rendi sagt: "Da hau ich den Hut drauf, das tu ich mir nicht mehr länger an. Da streich ich lieber meinen Kindern die Frühstücksbrote und erledige meine Beamten-Akten." Um diese zweifellos in ihr schon oft hochkommenden Wünsche aber auch in die Tat umzusetzen, dürfte ihr jedoch ausgerechnet ihr Geschlecht im Weg sein. Denn Frauen sind meist zäher als Männer, sie vermögen oft mehr zu ertragen als diese.
Umso mehr empfindet man als alter weißer Mann nur noch eines für sie: nämlich grenzenloses Mitleid.