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Omikron: Vieles richtig gemacht, vieles falsch gemacht

Ein relativ großer Teil der vor zwei Tagen hier gemachten Corona-Empfehlungen ist umgesetzt worden – noch vor der Infektion des Bundeskanzlers. Das bezieht sich vor allem auf die weitgehende Reduktion der massiv überschießenden und nie wirklich kontrollierten Quarantäne-Maßnahmen. Diese wurden angesichts der vielen Anzeichen von harmloser gewordenen Erkrankungs-Verläufen und angesichts des sonst durch überlange Quarantänen allerorten drohenden Personalmangels abgebaut. Man kann nur froh sein, dass nicht dem lauten Verlangen aus ORF und SPÖ (die wie immer im Parallelschwung agieren) nach strengeren, statt abgemilderten Maßnahmen gefolgt worden ist. Zugleich aber haben die neuen Beschlüsse überflüssigerweise neue Probleme aufgeworfen.

Sogar der zum internationalen Corona-Orakel gewordene deutsche Virologe Christian Drosten setzt der bei Linken habituell gewordenen und rund um Omikron erneut schnappatmenden Corona-Panik einen durchaus beruhigten Eindruck entgegen: "Vielleicht baut sich da gar nicht ein so großes Problem auf."

Trotz der galoppierenden Ansteckungszahlen darf man vorerst ein wenig entspannt sein. Daher kann man auch fast – fast – die in Österreich dennoch neuentstandenen Probleme milde bewerten.

Das erstaunlichste davon ist das seltsame Doppelspiel zwischen der im Halbschatten agierenden "Gecko"-Kommission und der laut Verfassung eigentlich alleinverantwortlichen Bundesregierung. Denn einen Tag nach einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler und Gesundheitsminister formulierte eine – bei dieser Pressekonferenz selbst am Podium gesessene! – Sektionschefin aus dem Gesundheitsministerium in einem Interview Erstaunliches. Sie sagte nämlich etwas, was entweder die Regierung sagen hätte sollen oder sonst niemand. Auch nicht eine Beamtin, die sich neuerdings mit dem kreativen Titel "Chief Medical Officer" schmückt (was ist dann übrigens der Gesundheitsminister, wenn man diese Terminologie ernst nehmen sollte?). Die Frau Offizier ohne Tarnkleidung gab in einem Interview jedenfalls erstmals unumwunden kund: Eine "Durchseuchung" der Bevölkerung mit dem Virus "wird passieren".

Wahrscheinlich hat sie damit sogar recht, wahrscheinlich wird jetzt jedenfalls eine "Durchseuchung" passieren, egal was Regierung und Gecko tun. Statt "Durchseuchung" sollte es allerdings präziser heißen: "eine unaufhaltbare Verbreitung des Virus, die aber wie bei den ebenfalls unaufhaltbaren Grippewellen nie die ganze Bevölkerung treffen wird". Inhaltlich kann man da aus mehreren Gründen weitgehend mit der Sektionschefin mitgehen.

  • Denn Omikron ist viel ansteckender als alle bisherigen Varianten.
  • Denn diese Form des Virus ist zugleich aber auch offensichtlich harmloser geworden, wie auch Drosten vermutet.
  • Denn weltweit sind alle versuchten "Zero-Covid"-Strategien ohnedies gescheitert.
  • Denn der offenbar von ORF und SPÖ ersehnte Dauer-Lockdown wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit noch viel schlimmer, würde noch viel mehr gesamtgesellschaftliche Schäden anrichten als das, was jetzt stattfindet.

Dennoch ist eindeutig: Das offene Bekenntnis zu einer "Durchseuchung" ist ein so dramatischer Strategiewechsel, dass die Österreicher ihn nicht aus dem Mund einer Beamtin hören hätten wollen, welchen Titel immer sie trägt, sondern von der Bundesregierung – sofern diese noch regiert. Bundeskanzler Karl Nehammer saß ja selbst – noch vor seinem positiven Corona-Test – am Podium, wo er ganz im Gegensatz zum Durchseuchungs-Szenario der Frau Offizier mehrere Signale der Kampfentschlossenheit ausgestoßen hat. Diese kamen bei ihm rhetorisch viel stärker durch als die eigentlich spannenden Entspannung-Signale, wie es die Zurücknahme diverser Quarantäne- und Contact-Tracing-Regeln vor allem für Dreifachgeimpfte ist (die in vielen Bundesländern wie Wien ohnedies nur noch auf dem Papier gestanden sind) und wie es der Verzicht auf die von der SPÖ geforderten neuen Lockdown-Maßnahmen ist.

Aber Nehammer betonte viel deutlicher die eigentlich nicht so aggressiven Kampfsignale. Zu diesen zählen insbesondere:

  1. Die schon seit einigen Wochen geltende Regel, dass Ungeimpfte im normalen Handel keinen Zutritt mehr haben, soll nun auch kontrolliert werden. Denn, was auch immer man von dieser Regel hält – Ungeimpfte sind natürlich empört darüber –, es kann keine Debatte darüber geben, dass Regeln in einem Rechtsstaat auch einzuhalten sind und nicht, wie es seit Wochen Realität ist, breitflächig ignoriert werden dürfen (das wird jetzt gerade in Australien auch dem von seinem Vater zum "Jesus" erhobenen Tennisspieler Djokovic zu seinem Erstaunen beigebracht, der das ja in Serbien bisher nicht erfahren hat).
  2. Die organisierte Vorbereitung von Reha-Zentren als jederzeit aktivierbare Back-Ups für leichtere Spitalsfälle, falls es doch zu einer massiven Zunahme der Krankenhaus-Belegungen kommen sollte (diese Kooperation Spitäler-Rehakliniken als kommunizierende Gefäße hätte im übrigen eigentlich schon lange vor Corona Teil einer strukturierten Spitalsplanung sein müssen, da es ja völlig unmöglich ist, für eine alle hundert Jahre eintretende Herausforderung die ganze Zeit über alles an dann eventuell notwendigen Kapazitäten in Reserve vorzuhalten).
  3. Die Pflicht, bei bestimmten, leider noch nicht definierten Gelegenheiten, auch im Freien FFP2-Masken tragen zu müssen.

Gewiss, es ist fast immer eine fast unlösbare Aufgabe, eine Doppelstrategie zu kommunizieren – einerseits deutliche Verschärfung, andererseits deutliche Abmilderung. Der Versuch der Regierung, es dennoch zu tun, ist dann jedenfalls durch Frau Reich endgültig zunichte gemacht worden.

Unabhängig von dieser schweren Kommunikationspanne gibt es freilich noch weitere Probleme, die sich die Regierung (mit oder ohne Rat der "Experten") durch die Details ihres neuen Corona-Pakets selbst geschaffen hat:

  1. Wie stellen sich die hohen Damen und Herren, die offenbar selten einkaufen gehen, die 2G-Kontrolle vor, wenn diese in einem Geschäft erst am Schluss beim Zahlen an der Kassa erfolgt, worauf die Regierung als Möglichkeit sogar ausdrücklich hinweist? Man stelle sich einen Kunden vor, der sich lange beraten hat lassen, der mit etlichen Artikeln und geöffneter Geldbörse in der Hand an der Kassa steht und dann erklärt, nicht geimpft zu sein (oder das Handy mit dem Grünen Pass zuhause "vergessen" zu haben)? Welcher Kaufmann bringt dann die Energie auf, den Kunden, in den man so viel Zeit investiert hat, wieder wegzuschicken, Streit und eine lange Schlange vor der Kassa entstehen zu lassen, die doch nicht gekauften Waren wieder ins Regal zu schlichten und sich dann noch den Spruch anzuhören: "Danke für die Beratung, ich kaufe das halt jetzt via Amazon, wenn ich bei Euch nicht zahlen darf"?
  2. Wie stellt sich die Regierung genau die FFP2-Maskenpflicht im Freien vor? Meint sie wirklich, dass ein Gesetz zumutbar ist und nicht den Staat lächerlich macht, dem zufolge man jedes Mal eine Maske aus der Tasche reißen und aufsetzen sollte, wenn einem hie und da auf einem sonst menschenleeren Weg jemand entgegenkommt? Aber wie grenzt man sonst die neue Maskenpflicht im Freien ab? In Wahrheit ist diese Abgrenzung nur bei Veranstaltungen und Versammlungen sauber möglich.
  3. Was soll es heißen, dass der Grüne Pass nur sechs Monate gilt? Wissen die Regierungsratgeber nicht, dass schon seit etlichen Monaten zum dritten Mal geimpft wird, dass es aber noch keine ausgereifte vierte Impfung gibt, die speziell gegen Omikron-Infektionen wirkt? Wollen sie, dass die derzeit so gepriesenen "Geboosterten" dann wieder als ungeimpft gelten und überall ausgeschlossen sind?
  4. Immer schwieriger wird es für die Regierung auch, die Impfpflicht zu realisieren, die ohne Detailanalyse im Vorjahr für Februar als fix angekündigt worden ist. Denn:
    • Es liegt bezeichnenderweise noch immer kein zwischen allen beteiligten Stellen akkordierter Rechtstext vor.
    • Die Administration von ELGA (die elektronische Gesundheitsakte) sagt nun trotzig, sie könne das erst im April umsetzen.
    • Man hat auch auf die – vom Tagebuch empfohlene – etappenweise Umsetzung verzichtet, die viel einfacher umzusetzen gewesen wäre, bei der man zuerst nur die am meisten bedrohten Bevölkerungsgruppen zum Impfen gezwungen hätte.
    • Auch verfassungsrechtlich ist die Möglichkeit einer Blamage inzwischen größer geworden, hat doch der Verfassungsgerichtshof die Einschränkungen von Grundrechten primär von der Gefahr einer Überlastung der Intensivstationen abhängig gemacht. Die ist aber jetzt unwahrscheinlicher geworden:
      - Die Belegung von Spitals- wie Intensivbetten schrumpft zumindest derzeit von Tag zu Tag;
      - Die Hinweise mehren sich, dass die nun dominierenden Virus-Mutationen zwar ansteckender sind, aber seltener ins Spital und noch viel seltener in die Intensivstation führen;
      - zugleich mehren sich die Hinweise, dass sich die Omikron-Variante stärker als frühere Varianten der Impf-Wirkung entzieht.

All diese Neuentwicklungen machen einen Impfzwang heute problematischer, als er noch vor Weihnachten gewesen ist.

Tatsache ist jedenfalls: Auch der Bundeskanzler wird trotz seines positiven Tests weiter amtieren müssen. Wie viele Hunderttausende andere auch. Dennoch ist ihr und auch Nehammers Restrisiko zweifellos immer größer als Null, bei einer Infektion auch ernsthaft zu erkranken. Aber Österreich kann eben nicht als Ganzes zugesperrt werden. Daher ist der generelle Weg der angespannten Entspannung sicher richtig – ein Weg, auf dem sich alle ständig bewusst bleiben: Letztlich hat ja auch jeder ein Restrisiko, in einen Unfall verwickelt zu werden, der in ein Auto, einen Zug, ein Flugzeug oder eine Gondel einsteigt. Und tut es trotzdem. Aber ebeno ist jeder gut beraten, dabei auf vorsichtiges Fahren Wert zu legen.

PS: Die "Berichterstattung" des ORF und anderer Mainstream-Medien zu Corona kotzt nur noch an: Vor Weihnachten wurde dort tagtäglich die Gemeinde Wien und ihr weiser Bürgermeister bejubelt, weil Wien zu diesem Zeitpunkt viel bessere Corona-Zahlen hatte als die anderen Länder. Jetzt hingegen hört man wieder keinen Ton über die Lage in Wien mehr, obwohl die Stadt inzwischen unter allen bevölkerungsstarken Bundesländern die weitaus schlechtesten Inzidenz-Werte hat: 7-Tage-Inzidenz Wien 638; Niederösterreich 358; Oberösterreich 351; Steiermark 260. Jedoch,  plötzlich interessieren sich die Medien nicht mehr für diese Unterschiede – ganz offensichtlich weil sie unangenehm für die Gemeinde Wien geworden sind. Da fragt man sich nur: Warum die noch immer einen Kaufpreis beziehungsweise Zwangsgebühren verlangen. Nämlich von uns, und nicht von der SPÖ.

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