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Immer intensiver werden vielerorts die Versuche, die Demokratie wegzuwischen. Man kann sie auch als Putsch bezeichnen. Von den grünen NGOs über die Verkehrs- und Justizministerin bis zu den Impfgegnern reichen die diversen Kämpfe, im Dienste irgendwelcher angeblich höherer Ideen ohne jede verfassungsrechtliche Legitimation und ohne jede demokratische Willensbildung Macht ausuzüben. Im Grunde tun sie damit dasselbe wie andere Extremisten der Geschichte – mit Ausnahme des Verzichts auf Mord, Gewalt und Konzentrationslager. Bei vertraulichen Gesprächen mit ÖVP-Exponenten wird gleichzeitig erstmals so intensiv wie noch nie kritisch über die Frage nach dem richtigen Koalitionspartner nachgedacht. Und da wird in Abwesenheit von Sebastian Kurz statt über die von ihm erwählten Blauen und Grünen immer mehr über die Roten als vielleicht doch besseren Koalitionspartner nachgedacht. Aus gutem Grund, und ohne Realisierungschance.
Die Ähnlichkeiten zwischen den eingangs genannten und anderen Geißeln der Menschheit sind frappierend. Nur die angeblich höhere Idee ist jeweils eine unterschiedliche:
Was für ein Hohn für die Demokratie! Dabei ist Gewessler nur Vertreterin der viertgrößten Partei Österreichs. Dabei gibt es keinerlei Willensbildung, geschweige denn einen Konsens in der Regierung in ihrem Sinn. Dabei gibt es keine koalitionsinterne Abklärung. Dabei hat sich das Parlament immer für die Umfahrungsautobahn ausgesprochen. Damit ist die wichtigste Infrastrukturentscheidung seit Jahren ein totaler Alleingang einer in die Politik gewechselten NGO-Aktivistin, jenseits aller Demokratie- und Rechts-Entscheidungen.
Wenn das durchgeht, ist künftig absolut jede Willkürentscheidung möglich, solange sie sich auf eine "historische Aufgabe" beruft. Genau von einer solchen hat beklemmenderweise auch ein Adolf Hitler in zahllosen Reden gesprochen. Die Grünen hätten zweifellos eine solche Formulierung bei einem blauen oder schwarzen Politiker auch prompt als nationalsozialistische Wiederbetätigung angezeigt, und der ORF hätte voller Entsetzen Sondersendungen anberaumt.
Betrachtet man all die hier aufgezählten Phänomene aus nüchterner Distanz, dann sind die grundlegenden Ähnlichkeiten jedenfalls ebenso frappierend wie beklemmend. All diese Gruppen wollen sich unter Berufung auf irgendwelche angeblich höheren Ideen über das grundlegende Fundament der Demokratie hinwegsetzen, das im ersten Verfassungsartikel der Republik Österreich so präzise und nachvollziehbar festgehalten worden ist: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus."
Dieses Volk kann sich derzeit fast nur in Mehrheitsentscheidungen der von ihm gewählten Parlamente äußern, wobei die Verfassung je nach Materie nationale oder regionale Mehrheiten, relative, absolute oder Zweidrittel-Mehrheiten verlangt. Aber nirgendwo steht etwas von einer höheren Macht irgendwelcher ideologischer oder Verschwörungstheorien, die die Verfassung aushebeln würde. Dort steht auch nichts von einer höheren Macht der durch absolut nichts legitimierten, oder auch nur identifizierten, aber dennoch allgegenwärtigen "Experten". Präziser zitiert: der "Experten und Expertinnen".
Tatsache ist jedenfalls, dass alle aufgelisteten Ideologien und Gruppierungen bei ihrem Machtkampf niemals die Mehrheit des Volkes hinter sich hatten (wenn man von marginalen und kurzfristigen Ausnahmen wie der kommunistischen Machtergreifung in der Tschechoslowakei absieht). Das hat sie aber nie in ihrem Kampf um Macht, um immer noch mehr Macht gehindert.
Tatsache ist ebenso, dass die direkte Demokratie noch viel besser als die in fast allen Ländern praktizierte repräsentative Demokratie geeignet wäre, den demokratischen Volkswillen gegen die Machtansprüche radikaler Gruppen zu verteidigen. Denn dann könnte in jeder einzelnen Frage geklärt werden, dass die Behauptungen der Gruppe nicht dem Volkswillen entspricht.
Bloße Meinungsumfragen werden ja offensichtlich von den radikalen Gruppen nicht zur Kenntnis genommen. Dabei zeigen diese eindeutig, dass beispielsweise die Mehrheit der Menschen eindeutig für die Impfpflicht ist, dass sie ebenso eindeutig gegen die Gendersprache ist, oder dass sie noch viel eindeutiger für die Ostumfahrung Wiens samt Lobautunnel ist (insbesondere gilt das für die unter dem alljährlich schlimmer werdenden Dauerstau auf der "Tangente" und unter der damit verbundenen Umweltbelastung leidenden Ostösterreicher). All diese Fragen ließen sich mit Volksabstimmungen viel eindeutiger – und vor allem rechtsverbindlich! – klären, gäbe es in Österreich solche Entscheidungsmöglichkeiten.
Dann könnte niemand mehr brüllend durch die Straßen ziehen und behaupten: "Wir sind das Volk!" Dieser Spruch hat 1989 bei den tapferen Sachsen gestimmt, aber er stimmt mit absoluter Sicherheit 2021 nicht bei den österreichischen Impfgegnern. Auch wenn sie es noch so oft schreien.
Lautstärke sollten nie demokratische Entscheidungen aushebeln können. Genausowenig sollten das die infamen, sich in fast unbeschränkter Willkür abspielenden Menschenjagden durch ideologische und machtgeile Staatsanwälte können (die jetzt übrigens nach der ÖVP erwartbarerweise wieder die FPÖ ins Visier genommen haben …).
Im Gegensatz zur chaotischen österreichischen Lage haben vor wenigen Tagen die Schweizer Bürger neuerlich die Überlegenheit und den Nutzen direktdemokratischer Entscheidungsmethoden demonstrieren können: Sie haben in einem Referendum ganz klar die Impfgegner abgeschmettert. Diesen wurde dort ein- für allemal gezeigt, dass sie eben nicht "das Volk" seien.
Fast noch wichtiger am jüngsten eidgenössischen Referendumstag war übrigens das Ergebnis bei einer zweiten Frage, über das aber hierzulande praktisch gar nicht berichtet wurde: Mit nicht weniger als 68 Prozent haben die Stimmbürger das Verlangen abgelehnt, die Schweizer Höchstrichter nicht mehr vom Parlament wählen zu lassen, sondern durch unabhängige Experten und durch Losentscheid.
Damit hat das Schweizer Volk ganz klar Nein zu den sich in letzter Zeit vor allem in den Medien massiv breit machenden Versuchen gesagt, die Demokratie durch eine Expertokratie an den Rand zu drücken. Ständig werden ungenannte "Experten" als Beweis für irgendetwas mündlich zitiert, während der Wille des Volkes immer mehr als gleichgültig ignoriert wird. Dabei sind "Experten" zwar – manchmal! – unabhängig, aber nie ideologisch neutral und noch weniger allwissend.
Dennoch hat sich in Wien die grüne Verkehrsministerin Gewessler nicht nur auf ihre angebliche "historische Aufgabe" sondern auch auf "alle Experten" beim Ausbefehl für die Wiener Ostumfahrung berufen. Dabei sind sogar viele der öffentlich auftretenden Experten ganz anderer Ansicht als Gewessler. Dabei entpuppen sich die von den Grünen oder dem ORF und anderen Linksmedien ständig zitierten anonymen "Experten", sobald man sie einmal doch identifizieren kann, meist als bloße Aktivisten von "Greenpeace" und ähnlichen (staatlich subventionierten) Vorfeldvereinen der Grünen.
Ganz ähnlich ist es auch um die "Experten" der Greta Thunberg und anderer Schulschwänzerinnen bestellt. Denn schaut man die näher an, dann trifft man allzu oft auf Absolventen halbseidener "Studien", wie Politologie und Co. Hingegen werden von den linken Medien seit Jahren die zehntausenden echten Naturwissenschaftler totgeschwiegen, die sich dezidiert gegen die These erklärt haben, dass der – ja immer stattfindende – Klimawandel neuerdings angeblich "menschengemacht" sei.
Mit dem Zitieren angeblicher oder wirklicher "Experten" versuchen Medien und Parteien nichts anderes als einen rhetorischen Trick zur Stärkung der eigenen Position.
Das Schweizer Referendumsergebnis könnte übrigens jene Parlamentsabgeordneten in anderen Ländern beruhigen, die insgeheim fürchten, sie würden bei mehr direkter Demokratie arbeitslos, und die daher heftig gegen diese intrigieren. Das Volk sieht also durchaus weiterhin wichtige Aufgaben für die Parlamente, die es nicht selber wahrnehmen kann oder will. Und die es schon gar nicht der Lotterie eines Losentscheides anvertrauen will.
Vor allem sollten die Repräsentativabgeordneten erkennen, dass manche Entscheidungen im 21. Jahrhundert nur noch dann überhaupt durchzubringen sind, wenn sie von einem Volksentscheid getragen werden. Sonst werden heikle Beschlüsse durch Populismus und Machtgier der Parteien, Medien, Justizaktivisten und NGOs unmöglich gemacht. Sehr oft ist das von den herrschenden Eliten verachtete Volk nämlich deutlich klüger und mutiger.
Wien und Niederösterreich haben scharf gegen den für sie verheerenden Gewessler-Beschluss protestiert (der sich an ähnliche Beschlüsse zu Projekten in anderen Bundesländern anschließt!). Das sollte bei der niederösterreichischen ÖVP besonders vermerkt werden, hat sie doch einst ganze Wahlkämpfe mit der lachhaften Agitation gegen einen Tunnel bestritten, nämlich gegen den unter dem Semmering (der inzwischen gebaut wird, ohne dass eine der von Erwin Pröll angedrohten Katastrophenfolgen eintritt). Und die Wiener SPÖ muss sich wiederum nachsagen lassen, in den Jahren der Rathauskoalition mit den Grünen das Autobahnprojekt nicht gerade forciert zu haben.
Auf Bundesebene war von ÖVP wie SPÖ erstaunlich wenig zum einsamen Beschluss von Frau Gewessler, die ja immerhin eine Bundesministerin ist, zu hören. Dabei geht es um ein Thema, das für dreieinhalb Millionen Österreicher (minus ein paar Grüne) und für weitere Millionen Mitteleuropäer, die diese Strecke benutzen müssen, eine Katastrophe ist.
Das Gerede von Bundeskanzler Schallenberg und Bürgermeister Ludwig, jetzt müsse nach Alternativen gesucht werden, kann nur als Hohn aufgefasst werden. Ist doch schon 20 Jahre lang wirklich alles durchdiskutiert worden. Und sind doch schon 150 Millionen Euro in die Planung investiert worden.
Hält man das wirklich für eine kleine Lokalfrage (was ja auch der Gewessler-Kampf gegen andere strategisch wichtige Straßenprojekte von Vorarlberg bis zur Steiermark keineswegs ist!)? Oder ist man nur feig und hat erst dann eine klare Meinung, wenn Meinungsumfragen vorliegen? Oder denkt man einfach koalitionsopportunistisch – sei es in Hinblick auf bestehende (schwarz-grüne), oder künftig erhoffte (rot-grüne) Koalitionen?
Immer deutlicher wird jedenfalls, dass nach dem Abschuss von Sebastian Kurz durch die Linksstaatsanwälte jetzt die oberste Regel in der bestehenden Koalition zu sein scheint: Jeder Minister kann tun, was er will. Von Regierungsführung ist derzeit jedenfalls keine Spur. Immer öfter hört man daher – ob zu Recht oder Unrecht: "Unter Kurz wäre das nicht passiert".
Hinter den Kulissen wird im führungslos gewordenen ÖVP-Lager auch immer öfter diskutiert, ob man eigentlich den richtigen Koalitionspartner hat. Dort ist man ja über die Aktionen der Justizministerin fast noch mehr empört als über die Verkehrsministerin. Und auch bei den vielen Pannen im Corona-Management hält man sich für ein schuldloses Opfer des überforderten Gesundheitsministeriums (auch wenn man zugibt, dass im Unterschied zum Frühjahr 2020 keine einzige Regierung der Welt mehr mit einer Corona-Strategie innenpolitisch punkten kann). Lediglich beim grünen Parteiobmann und der Klubvorsitzenden sieht man noch eine funktionierende Koalitionsbasis.
Während die FPÖ angesichts des dortigen Corona-Kurses inzwischen für alle in der ÖVP als Partner inakzeptabel geworden ist, wird bei den Schwarzen erstmal wieder intensiver über die SPÖ diskutiert. Hat sich diese doch zumindest in Sachen Corona und Straßenbau als seriöse Partei erwiesen. Allerdings will man abwarten, ob sich auch in Sachen Justiz die besonnenen SPÖ-Juristen parteiintern Gehör verschaffen können, die im Privatgespräch ja wie die meisten Juristen den Kopf über WKStA und Justizministerin schütteln. Oder ob sich bei den Genossen die extremistische Linie der fraktionellen Justizsprecherin Yildirim durchsetzt, die jetzt (zur Unterstützung der WKStA) allen Ernstes der unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten der Justiz ihre Unabhängigkeit rauben und sie dem Parlament unterstellen will.
Der Machtkampf zwischen den Herren Ludwig und Doskozil und Frau Rendi-Wagner um die Führungsrolle scheint der ÖVP hingegen relativ gleichgültig zu sein. "Rein persönlich können wir mit allen." Alle drei scheinen ja in der Tat deutlich seriöser als ein Werner Faymann und deutlich weniger links als ein Christian Kern zu sein.
Aber nicht nur das Justizthema verhindert, dass ernsthaft über Schwarz-Rot nachgedacht wird: Denn seit Meinungsumfragen ein Kopf an Kopf zwischen Rot und Schwarz zeigen, und seit die ÖVP de facto führungslos dasteht, müssen auch alle schwarzen Strategen zugeben, dass die SPÖ niemals ohne Neuwahlen einem Koalitionswechsel zustimmen wird, bei denen sie ja hoffen kann, zur Nummer eins zu werden. Vor allem, wenn sie die Koalitionswahl der ÖVP als doppelt gescheitert darstellen kann.
Noch desinteressierter als die schwarzen und roten Bundesspitzen scheinen erstaunlicherweise die Freiheitlichen an der Gewessler-Amokfahrt zu sein. Dabei haben sie sich früher oft als Autofahrerpartei zu positionieren versucht. Aber Herbert Kickl kommt offensichtlich überhaupt nicht mehr herunter vom Baum des Corona-Extremismus, in dem er sich verstiegen hat. Und von wo aus er sonst kein anderes Thema mehr sieht.
Erstmals muss Kickl im Übrigen nun überdies auch in Sachen Corona damit fertig werden, dass prominente Freiheitliche in die Öffentlichkeit gehen, die seinen Kurs nicht mehr mitmachen wollen (was in privaten Gesprächen übrigens etliche andere schon viel länger getan haben).
Noch unfassbarer sind allerdings die Neos. Sie sind die einzigen, die so wie die Grünen dezidiert den Tunnel ablehnen. Offensichtlich wollen sie sich nun auch in diesem Punkt linksaußen positionieren. Ganz im Gegensatz zu den Neos kämpft die deutsche FDP, ihre angebliche Schwesterpartei, gegen ein Autobahn-Tempolimit. Die FDP ist also autofreundlicher, als selbst die FPÖ jemals gewesen ist, und lebt sogar als Ampelkoalitionspartner in einer viel weniger grünen Welt als die Neos.
PS: Noch eine ganz andere Anmerkung zu der von den Schweizern bestätigten Bundesrichter-Bestellung durchs Parlament: Diese ist eigentlich ein eindeutiger Fall für die EU zu sagen, die Schweiz sei kein Rechtsstaat mehr, weil ja ihre Bürger die Richterbestellung durch "Experten" abgelehnt und sie komplett weiterhin den Parlamentariern, also den Parteien überlassen haben. Zumindest würden EU-Kommission und Gerichtshof das sagen, wäre die Schweiz EU-Mitglied und würden linke Kampftruppen den Fall Schweiz in Brüssel und Luxemburg ähnlich skandalisieren, wie sie das etwa gegen Polen tun.