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Hat die Demokratie abgedankt?

Wozu überhaupt noch wählen, wenn dann ohnedies ganz andere, nicht einmal indirekt gewählte und den Bürgern oft nicht einmal bekannte Kräfte die wahren Entscheidungen treffen? Egal, was sie gewählt haben. Diese Frage drängt sich in diesen Tagen rund um Corona ganz besonders deutlich auf. Dieser Frage haben wir uns auch schon vorher zunehmend stellen müssen. Demokratie und Rechtsstaat rücken offenbar immer mehr in den nebulosen Raum einer willkürlichen Beliebigkeit, einer irrelevanten Formalangelegenheit.

Drei Beispiele für diese Entwicklung ragen besonders negativ heraus:

  • Da können nie gewählte, aber stramm linke WKStA-Staatsanwälte den nach einer demokratischen Wahl bestellten Bundeskanzler mit dubiosen Vorwürfen und ohne jeden tauglichen Beweis ungehindert abschießen.
  • Da kann eine ebenso aus dem Dunkel agierende Mehrheit der Verfassungsrichter entgegen dem Willen der Bevölkerungsmehrheit die österreichischen Grenzen weitgehend für illegale Immigranten öffnen und gleichzeitig jedes persönliche Briefgeheimnis zerstören.
  • Und da hat nun auch bei der Corona-Bekämpfung im Dunkel der "Experten"-Anonymität eine nie demokratisch bestellte Gruppe die Regierung abgelöst.

Damit ist nun auch in einem weiteren wichtigen Bereich ein Abdanken der Demokratie zu konstatieren.

Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich ist es richtig, gut und notwendig, Experten gut zuzuhören. Aber es ist fatal, ihnen die Entscheidungsmacht anzuvertrauen. Das zerstört das Vertrauen der Menschen in die Demokratie. Das hebelt auch die Verfassung aus, in der nirgendwo von einer "gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (Gecko)" die Rede ist.

Deren Agieren lässt schon nach den ersten Tagen intensive Sehnsucht nach der "Viererbande" der ersten Corona-Monate empfinden. Auch wenn man nicht mit all ihren Entscheidungen einverstanden gewesen sein mag, waren das alle vier Mitglieder einer von der Mehrheit des Parlaments und damit der Bevölkerung getragenen Regierung. Diese Viererbande und ihre Parteien konnte man (zumindest am Wahltag) zur Rechenschaft ziehen. Sie konnte man tadeln. Und zu ihr konnte man auch Vertrauen haben – wie es in den ersten Corona-Monaten ganz massiv der Fall gewesen ist. Sie hat damals auch deshalb Vertrauen errungen, weil damals ein breiter Konsens zwischen den beiden Regierungsparteien hergestellt worden ist (und zeitweise auch mit einem Teil der Opposition).

Jetzt gilt das alles nicht mehr, jetzt hat die Regierung die Verantwortung abgeschoben. Wohl aus zwei Gründen:

  • Erstens fehlt ein starker Bundeskanzler, der (auch mit Autorität) um den Konsens zwischen allen Ministerien und allen gesellschaftlich wichtigen Gruppen kämpfen würde.
  • Zweitens sind jetzt – wie in fast allen anderen Ländern – für die Politik im Bereich Corona keine Lorbeeren mehr zu holen. Was auch immer man tut, führt angesichts des nun schon zweijährigen und immer mehr an Sisyphos erinnernden Pandemie-Kampfes zu wachsender Frustration. In dieser Situation zieht sich die Regierung einfach feige zurück und überlässt anderen das Regieren.

Dabei stimmt ganz eindeutig das – inzwischen freilich auf den Index der innenpolitischen Correctness gesetzte – Wort eines ÖVP-Landeshauptmannes, demzufolge die Virologen am liebsten alle wegsperren würden (was aber, siehe China, auch nichts helfen würde); weshalb man ihnen nicht allzu viel Macht geben sollte.

Nur eine Regierung ist dazu da und imstande, eine gesamthafte Sicht herzustellen – also genau das, was spezialisierte Experten per definitionem nicht können, haben sie doch alle einen Tunnelblick. In eine gesamthafte Sicht wären auch Werte und viele unterschiedliche Interessen und Aufgaben einzubeziehen. Etwa der Wert der persönlichen Freiheit ebenso wie die psychologische Situation der Menschen nach zwei Jahren Krise, die wirtschaftliche Lage und die wachsende Schuldenbelastung, um nur einige zentrale Aspekte einer jetzt von niemandem mehr vorgenommenen gesamthaften Sicht zu nennen.

Nur eine Regierung könnte – wie es in anderen Ländern bereits geschieht – auch das Risiko auf sich nehmen, darauf zu bauen, dass sich die Hoffnungen auf einen deutlich milderen Verlauf der Omikron-Variante wirklich realisieren werden. Ein "Experte" wird sich das hingegen nie trauen. Der will immer absolut sicher gehen. Der blickt nur gebannt auf die Entwicklung der Inzidenzen und ähnliches.

In dieser neuen Expertokratur, wo Regierung und Parlament nur noch eine Abnickfunktion haben, ist es nun auch prompt gleich zu den ersten beiden schweren Fehlentscheidungen gekommen.

Die erste ist die Silvesterregelung: Nur wenige Tage, nachdem für Silvester eine liberale Regelung verkündet worden war, wurde nun das Gegenteil dekretiert. Alle Gasthäuser müssen auch am 31. Dezember schon um 22 Uhr schließen. Nicht einmal Hotels dürfen ihre eigenen Gäste danach bewirten.

Hinter dieser Regelung steht ein absurdes und vor allem völlig wirklichkeitsfremdes Menschenbild. Die "Experten" glauben offenbar, dass sich die Menschen zu Silvester wirklich um 22 Uhr brav ins Bett legen oder mit dem Ehepartner einsam vor den Fernseher setzen und sich das ORF-Programm antun. Statt als "Experten" sollte man sie auf Grund solcher Entscheidungen nur noch als die "Ahnungslosen" bezeichnen. Natürlich wird es als Folge der gesperrten Gasthäuser in zahllosen überfüllten Privatwohnungen dichtgedrängte Partys geben. Darauf deuten jetzt schon die Sektverkäufe in den Supermärkten hin.

Der zweifelhafte Experten-Erfolg: Hingegen wird sich niemand auf die diversen Silvesterpfade begeben, wo ja die offenbar gefährliche Frischluft weht. Und schon gar niemand wird sich den Impf- und Test-Kontrollen aussetzen, die man in den Restaurants und Hotels vornehmen könnte. In Privatwohnungen wird hingegen niemand kontrollieren.

Logischerweise fällt es den Österreichern angesichts dieses hirnbefreiten Chaos immer schwerer, den Staat noch ernst zu nehmen, wenn er alle paar Tage völlig gegensätzliche Anordnungen erlässt. Auch diesen Aspekt würde eine kluge gesamthafte Perspektive berücksichtigen.

Hirnlos ist auch die zweite Fehlentscheidung dieser Tage: nämlich die Ankündigung einer finanziellen Prämie, wenn man sich impfen lässt. Das ist sogar gleich aus fünf Gründen ein Unsinn.

  • Zum ersten müsste man die Prämie aus Gleichheitsgründen zweifellos auch allen jenen zahlen, die sich bereits jetzt freiwillig "boostern" haben lassen. Bekämen die nichts, dann lägen bald Millionen Klagen beim Verfassungsgerichtshof und bekämen wohl mit Sicherheit auch Recht – so willkürlich der VfGH auch sonst entscheidet.
  • Zum zweiten wird damit das schon am Anfang der Corona-Krise von Sebastian Kurz fahrlässig ausgegebene Motto "Koste es, was es wolle" wiederholt, das den gefährlichen Eindruck erweckt hat, Geld wäre eine unbegrenzt vorhandene Menge oder ließe sich zumindest straflos vermehren. Während sich Kurz wenigstens vorsichtig bemüht hat, wieder auf Distanz zu jenem Motto zu gehen, macht eine allgemeine – und spürbare – Impfprämie die Rückkehr zu einer verantwortungsbewussten Haushaltspolitik endgültig unmöglich. Damit zeigt sich auch, dass die Hoffnungen, die man auf einen Vorarlberger Sparsamkeits-Charakterzug des neuen Finanzministers gesetzt hatte, vergeblich gewesen sind.
  • Zum dritten unterläuft man damit völlig die erst vor wenigen Wochen gemachte Ankündigung einer Impfpflicht. Was den Staat noch mehr zum Objekt von Gelächter machen würde.
  • Zum vierten würde man dadurch den harten Kern der Impfgegner zweifellos noch weniger erreichen als durch eine Impfpflicht, ob sie nun durch irgendwelche eingebildeten gesundheitlichen Gefahren oder durch politischen Hass motiviert sind.
  • Und zum fünften hebelt die Impfprämie völlig das Prinzip der staatsbürgerlichen Pflichten aus. Oder wollen die Impfprämien-Befürworter damit sagen, dass man künftig auch seine Steuern nur noch dann zahlen muss, wenn man eine Prämie dafür bekommt? Und seine schulpflichtigen Kinder nur noch dann zur Schule schicken? Und sich nur noch dann im Auto angurten und Winterreifen montieren muss, wenn ein dicker Scheck winkt?

PS: Hirnlosigkeit ist übrigens kein österreichisches Privileg. Sie ist auch einer Entscheidung des deutschen Verfassungsgerichtshof zu attestieren. Dieser hat dekretiert, dass Behinderte bei einer "Triage" nicht zum Opfer werden dürfen (Triage ist die durch Knappheitssituationen in Folge einer Pandemie möglicherweise notwendig werdende Entscheidung der Ärzte, wer ein vielleicht lebensrettendes Intensivbett bekommt). Dieses Urteil klingt edel und gutmenschlich, ist aber zutiefst verlogen und opportunistisch, solange man den Ärzten nicht gleichzeitig sagt, wen sie denn stattdessen dem Tod preisgeben sollen.

PPS: Fast täglich manipuliert der ORF – auch im Corona-Zusammenhang. Diesmal hat sich der Gebührenfunk neuerlich in beiden ZiB-Sendungen – an sich zu Recht, wenn auch zum geschätzt zwanzigsten Mal – mit den skurrilen und skandalösen Medikationsratschlägen des Herbert Kickl befasst, der sich damit selbst immer mehr aus der Gruppe ernstzunehmender Menschen herausnimmt. Auf der anderen Seite versteckt der ORF aber den Skandal um den der SPÖ mehr als nahestehenden Arbeiter-Samariter-Bund in der wenig gesehenen ZiB 2, obwohl dieser Skandal völlig neu ist: Von den Mitarbeitern des Arbeiter-Bundes sind im Wiener Austria-Center gegen Geld hunderte gefälschte Impfzertifikate ausgestellt worden! Das ist zweifellos noch viel schlimmer als Kickls Kurpfuscherei: Denn das ist eindeutiger Betrug und Urkundenfälschung. Dass diese "Samariter" de facto ein SPÖ-Verein sind, wird aber überhaupt völlig verschwiegen, ebenso wie die Tatsache, dass die Gemeinde Wien die Verantwortung für die dortige Impfaktion trägt. Stattdessen kommt eine Samariter-Pressesprecherin lange zu Wort, ohne dass sie von irgendeiner kritischen Frage unterbrochen würde. Und zur endgültigen Ablenkung vom SPÖ-Skandal wird der Bericht mit einer langen Passage über einen ähnlichen Vorfall in einer Tiroler Apotheke abgeschlossen. Obwohl dieser Fall in Hinblick auf die Zahl der Fälschungen nur rund ein Zehntel ausgemacht hat, obwohl er keinerlei politische Dimension hatte, und obwohl das Bekanntwerden des Falles Wochen zurückliegt. So macht man halt Parteifernsehen (was man etwa auch an Hand der manipulativen und einseitigen Fragen an den neuen Innenminister beweisen könnte).

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