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Ein Merz macht noch keinen Frühling

Seit mehr als einem Jahrzehnt hat es die Funktionärsclique rund um Angela Merkel verhindert, dass der Wille der CDU-Mitglieder realisiert wird, die an der Spitze der Partei eigentlich schon seit langem Friedrich Merz und vor allem seine Politik sehen wollten. Diese Politik lässt sich knapp so charakterisieren: bürgerlich und liberalkonservativ an Stelle des ständigen Sich-immer-mehr-an-linke-und-vor-allem-grüne-Inhalte-Anpassens unter Merkel. Nun ist es endlich soweit. Und das ist gut für die CDU und Deutschland.

Erst im Rückblick wird klar, wie schlimm die Katastrophe Merkel für die CDU gewesen ist. Ihre Ära brachte den Absturz auf weniger als die Hälfte der Stimmprozente, die die Union noch in ihren besten Jahren unter Merkel-Vorgänger Helmut Kohl hatte. Sie bedeutete den Gang in die für die CDU/CSU extrem schwierige Opposition und die Machtübergabe an einen SPD-Kanzler, der an der Oberfläche den Eindruck erwecken kann, er wäre eh dasselbe wie Merkel, nur halt bei einer anderen Partei. Und am Allerschlimmsten für die Union: Erstmals haben sich in der Merkel-Zeit rechts von ihr Parteien mit Erfolg etablieren können, die "Alternative für Deutschland" und die "Freien Wähler".

Vor allem die AfD wäre niemals ohne die vier ganz großen sachpolitischen Fehler der Angela Merkel ins Leben gekommen beziehungsweise am Leben geblieben:

  1. Schon der Gründungsfunke der AfD war von Merkel entzündet worden, und zwar durch ihre verfehlte EU-Politik. Diese reichte von der Unterstützung für diverse Brüsseler Zentralisierungsbestrebungen bis hin zur Tolerierung der weichen Euro-Währungspolitik, die zur Finanzierung der südeuropäischen Schuldnerstaaten nicht zuletzt auf deutsche Kosten an die Stelle der jahrzehntelang harten D-Mark trat.
  2. Die Grenzöffnung für die illegale Massenmigration mit all ihren fatalen Folgen (die ja auch in der ÖVP ein Erdbeben und einen Machtwechsel ausgelöst hatte).
  3. Der allen früheren CDU-Festlegungen widersprechende Totalausstieg aus Kohle- und Atomenergie, der für die deutsche (und übrigens auch österreichische) Wirtschaft und Energieversorgung noch katastrophale Folgen haben wird.
  4. Die absurde und ethisch bedenkliche Politik im Umgang mit den radikalen Parteien an den Rändern, wo Merkel die direkte Nachfolgepartei der DDR-Diktaturpartei SED gegenüber der AfD bevorzugte, die bei allen inhaltlichen Problemen jedenfalls keine direkte oder indirekte Nachfolgeorganisation einer totalitären Partei darstellt.

In allen vier Punkten braucht es dringend eine Revision der Positionierung der CDU. Jeder dieser vier Punkte ist aber schon alleine so schwierig, dass es fast auszuschließen ist, dass bei allen vier eine Änderung gelingen kann. Einen behäbigen Öltanker wie eine Großpartei kann man ja nicht so leicht umlenken wie einen PKW.

Für Merz sprechen allerdings ebenfalls vier sehr gravierende Aspekte:

  • Er hat eindeutig das, was man Leadership nennt. Er braucht sich diese nicht erst mühsam zu erwerben.
  • Er war in den Merkel-Jahren nicht in der Partei tätig und braucht sich daher nicht erst mühevoll von früheren eigenen Positionen zu distanzieren, die man in einer Fraktion aus Parteiloyalität bezogen hat.
  • Er hat bei allen vier zentralen Fehlern Merkels klar signalisiert, dass er da anders denkt.
  • Und er hat durch die jetzt erfolgte (für die CDU erstmalige) Direktwahl ein unglaublich starkes Mandat der Basis, über das die Funktionäre nicht mehr drüberfahren können, was sie ja immer so gerne tun. Er bekam schon im ersten Wahlgang gegen zwei Gegenkandidaten die Stimmen von nicht weniger als 62 Prozent der Parteimitglieder. Und – was genauso wichtig ist – an der CDU-Abstimmung hat sich mit mehr als 64 Prozent ein deutlich höherer Prozentsatz der Parteimitglieder beteiligt als an den Abstimmungen bei Rot beziehungsweise Grün über den jeweiligen Spitzenkandidaten. Was ein ganz starkes Symbol ist.

Wer nicht begreift, wie wichtig und hilfreich ein echtes Direktmandat eines Chefs ist, denke an die ÖVP. Dort hieße mit Sicherheit die neue Parteivorsitzende Karoline Edtstadler und nicht Karl Nehammer, könnten die Wähler oder Parteimitglieder entscheiden statt ein paar Handvoll Parteigranden. Dort geht wohl auch der Hauptfehler des Sebastian Kurz, also der Koalitionsbruch 2019, nach seriösen Informationen auf im Widerspruch zu den Mitgliedern und Wählern stehende Schlangenratschläge der ÖVP-Landeshauptleute zurück, als deren Folge sich dann alles Weitere ergeben hat, wie insbesondere seine spätere beweisfreie Demontage durch eine linksradikale Justizministerin und deren Staatsanwälte.

 Zurück zu Friedrich Merz: Dass er der konservativste und Merkel-kritischste unter den drei Kandidaten gewesen ist, hat ihm zwar bei den Medien geschadet, bei den Wählern hingegen geholfen. Auch dass er schon 66 Jahre alt ist, schadet ihm bei den Wählern nicht. Man denke nur an den zweifellos Größten in der CDU-Geschichte, den ersten Nachkriegskanzler Konrad Adenauer, der erst mit 72 Jahren angefangen und mit 86 aufgehört hat. Und das war zu einer Zeit mit deutlich niedrigerer Lebenserwartung und deutlich schlechteren Gesundheits-Bedingungen als heute. So wie bei Kurz ist die Altersfrage primär ein Thema für schlichte Zeitungskommentatoren denn für die Wähler.

Damit sind wir auch beim größten vermeintlichen Nachteil für Friedrich Merz: Die deutsche Medienlandschaft ist knalllinks, da bekommt er sofort heftigen Gegenwind. Manchen Politikern wie etwa Donald Trump gelingt es freilich, den medialen Gegenwind in die eigenen Segel zu lenken. Sind doch die Medien noch viel unpopulärer als die Politiker; und wirkt doch Merz durch seine jahrelange Absenz gleichsam wie ein Antipolitiker, obwohl er schon große Erfahrung hat (und daher vielleicht weniger Neigung zu Fehlern als Sebastian Kurz).

Die große Zukunftsfrage für die CDU ist jedoch eine andere: Wagt es Merz, die bei den Wählern und den Wahlergebnissen seit langem bestehende Mehrheit rechts der Mitte auch politisch zu aktivieren, die die CDU/CSU gemeinsam mit FDP und AfD hat?

Allzu lange kann er mit ersten diesbezüglichen Akzenten nicht warten, sonst werden die Wähler unruhig. Andererseits kann er vorerst zur Aktivierung dieser Mehrheit wenig selbst unternehmen und bekäme doch bei ersten Hinweisen in diese Richtung ganze Breitseiten der Medien ab.

Aber vorerst sind die Entwicklungen bei den beiden anderen Rechtsparteien entscheidend:

Der eine Aspekt ist die Entwicklung der AfD. Lässt sie sich dadurch, dass die CDU erstmals seit AfD-Gründung einen liberalkonservativen Chef hat, selbst weiter nach rechts drängen, um sich durch ein Schrillerwerden zu differenzieren? Und schafft sie es, auf Abstand zu den radikalen Impfgegnern und Corona-Verschwörungstheoretikern zu gehen? Beide Aspekte könnten den Wechsel zu einer Rechtskoalition erschweren. Andererseits ist zum Unterschied von der – oft mit der AfD verglichenen – FPÖ klar: Bei der AfD gibt es absolut niemanden, der mit einer Koalition mit der Linken liebäugelt. Das macht die AfD verlässlicher und weniger populistisch.

Das andere ist die Entwicklung der FDP. Ist doch diese gerade erst eine Partnerschaft mit Rot und Grün eingegangen. Aus der wird sie sich sicher nicht übermorgen gleich wieder verabschieden, vor allem da derzeit in der Koalition noch Flitterwochen-Geturtle angesagt ist. Andererseits ist klar: In der sogenannten Ampelkoalition passt sachpolitisch außer ein paar Anti-Familien-Gesetzen überhaupt nichts zusammen, ohne dass zumindest eine Seite komplett ihre Seele verkaufen müsste. Das wird sich aber erst nach einiger Zeit zeigen, wenn konkrete Entscheidungen anstehen. Dann wird man wohl in der FDP einen starken Rückgang der eigenen Wählerzahl zu konstatieren haben. Das könnte die FDP-Herzen für eine Debatte darüber öffnen, ob man in der richtigen Koalition steckt oder doch zu dem schon im Wahlkampf genannten Wunschpartner CDU wechseln sollte.

Solche Entwicklungen brauchen gewiss Zeit. Aber die könnten rascher kommen als in den 70er und 80er Jahren, als die FDP einmal von der CDU zur SPD und dann wieder von der SPD zur CDU gewechselt hat. Tatsache ist jedenfalls, dass die heutigen Koalitionspartner der FDP (bis auf Olaf Scholz selber) deutlich weiter links stehen als die SPD unter Willy Brandt und Helmut Schmidt.

Andererseits fürchtet man in der FDP nicht ganz grundlos das Image eines Wanderpokals, der dauernd zwischen Union und Sozialdemokraten pendelt.

Das heißt: Aktuell hat Merz keinerlei Handlungsbedarf, keine Handlungsmöglichkeiten. Wenn er klug ist, wird er jetzt daher mit ruhiger Hand eine Repositionierung der inhaltlichen Fehler der Merkel-Ära einleiten. Das Alter hätte er ja, um das souverän zu machen. Und der Auftrag, das Fahrwasser Merkels zu verlassen, ist eindeutig.

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