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Während die österreichische Pandemie-Bekämpfung im ersten Jahr noch weitgehend den Eindruck einer halbwegs starken und geschlossenen Führung in einem extrem schwierigen Kampf gemacht hat, ist heute davon nichts mehr zu spüren. Aussagen der Wissenschaft, die sich letztlich nur als halbwahr herausgestellt haben, wurden und werden vom wilden Zickzack der Politik noch übertroffen. Noch schlimmer ist der nun offen ausgebrochene Konflikt zwischen Bund und Gemeinde Wien und zwischen Gesundheitsminister und dem Rest der Regierung. Am allerschlimmsten ist aber das strukturelle Versagen und die hirnlose Profilierungsneurose der Wiener Gesundheitsadministration, wofür man nach eindreiviertel Jahren Pandemie absolut kein Verständnis mehr haben kann.
Zuerst aber sei kurz an die offensichtlichen Irrtümer der Wissenschaft und "Experten" in Schlagworten erinnert:
Da haben die "Experten", die Wissenschaftler und Mediziner viel zu oft den Mund viel zu voll genommen, viel zu wenig gewusst und damit viel zu viel Vertrauen verspielt. Sie hätten ehrlich zugeben sollen – zumindest ab dem Zeitpunkt, wo das klar war: Wir können nur die Sterblichkeit und die Schwere der Krankheit mit Impfungen reduzieren, wir können uns aber nicht aus der Pandemie herausimpfen; und wir werden wohl auf Dauer mit dem Virus kämpfen müssen.
Durch diesen Glaubwürdigkeitsverlust wird auch der eigentliche Erfolg der Impfungen überschattet, also die Tatsache, dass durch sie schwere Verläufe weitgehend verhindert werden können, auch wenn es nicht einmal dafür Garantien gibt.
Das psychologische Ergebnis ist eindeutig: Wegen der Großsprecherei über eine Vollimmunisierung verlieren viele Menschen ganz den Glauben an die Erkenntnisse von Medizin und Pharmazie. Und das ist eine Katastrophe. Denn dadurch finden die im Internet kursierenden wirren Verschwörungstheorien wieder neue Anhänger, obwohl sich deren "Beweise" letztlich immer im Nirwana verlieren, sobald man ihnen seriös nachzugehen versucht. Denn ganz eindeutig ist es in aller Regel weiterhin die weitaus weiseste Entscheidung, den medizinischen Ratschlägen zu folgen, also insbesondere sich weiterhin impfen zu lassen, selbst wenn das nur Teilerfolge und Gefährlichkeitsreduktionen bringt.
Dieser Hang der Wissenschaft, allzu früh allzu selbstsicher neue Forschungsergebnisse zu verkünden, wird durch die Lautsprecher der Politik und Medien noch verschärft. Gewiss ist es verständlich, wenn sich die Regierungen aller Länder in der verzweifelten Situation an jeden Rettungsreifen klammern, den irgendeine Studie darzustellen scheint. Aber dennoch bleibt es unseriös, Wahrscheinlichkeiten als Gewissheiten auszugeben.
Vor allem diese fünf bis heute zu beobachtenden Fehler der Politik in Österreich (wie in vielen anderen Ländern) sind unverzeihlich:
Und all diesen eindeutigen Fehlern werden nun neue hinzugefügt, statt die alten auszubügeln zu versuchen. Der Gesundheitsminister stellt sich öffentlich gegen die Regierung. Und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig will es jetzt ganz offensichtlich Sebastian Kurz gleichtun, der im Vorjahr als energischer Anti-Corona-Kämpfer stark punkten hat können. So wird in Wien in allen nicht privaten Innenräumen, also insbesondere am Arbeitsplatz, wieder die FFP-2-Maske obligatorisch. So fängt Wien jetzt an, auch Kinder zu impfen, aber ohne dass es dafür eine Genehmigung durch die nationalen Gesundheitsbehörden gäbe.
Der Gipfelpunkt ist aber nun der öffentlich tobende Zwist um Impfen, Lockdown, G2, PCR-Tests und G2+.
Mücksteins und Ludwigs Vorschläge sind absurd – zumindest dann, wenn das stimmt, was Bundeskanzler Schallenberg sagt: Dass die Ansteckungen bei den Nichtgeimpften weiter steigen, bei den Geimpften jedoch zurückgingen. Wenn das stimmt, hat er hundertprozentig recht, allerdings wäre es – siehe oben – hundertmal besser, würden auch die Allgemeinsterblichen die Daten über die Verteilung der Erkrankungen auf Geimpfte und Ungeimpfte kennen. Schließlich betrifft uns das ja auch alle, nicht nur "Experten" und Politiker.
Bei Mückstein besonders seltsam ist auch, dass er seinen Wunsch eines nächtlichen Lockdowns auch für Geimpfte nur wenige Stunden nach der Aussage macht, ein Lockdwon auch für Geimpfte (wie er in Zusammenhang mit den derzeit meistbefallenen Bundesländern Salzburg und Oberösterreich vorgeschlagen worden ist) sei "kein Thema". Aber für ganz Österreich schon?
Wem da nicht der Kopf ob so viel durcheinandergehender Vorschläge brummt, der hat wohl keinen.
Und jedenfalls ist klar: Ein Impfen plus Testen, wie in Wien angekündigt, werden zweifellos nur jene machen, die unbedingt müssen. Alles andere ist viel zu mühsam. Also werden sowohl die Impfzahlen wie auch die der Theaterbesucher wieder abnehmen.
Außerdem werden auch jene Geimpften, die sich nun auch noch den PCR-Test antun wollen, eine zusätzliche Absurdität entdecken, die überhaupt in die Sammlung der dümmsten Schildbürgerstreiche eingehen wird: Die PCR-Tests sollen in Wien nur 48 Stunden gültig sein – aber gleichzeitig ist zu lesen: "Es kann bis zu 48 Stunden dauern, bis ein Testergebnis vorliegt"! Und das verkündet niemand anderer als ein offizielles Formblatt – der Gemeinde Wien!!
Wie extrem müssen sich die Wiener von dieser Stadtverwaltung eigentlich noch verhöhnen und quälen lassen?
Diese Regelungsabsurdität wird sich zweifellos massiv auf die Besucherzahlen bei den Wiener Theatern, Operhäusern, Kinos und Veranstaltungen aller Art auswirken. Viele junge Menschen werden ins niederösterreichische Umland ausweichen, wenn sie am Abend noch ins Kino oder eine Disco gehen wollen. Und besonders negativ wird sich das auf die Impfzahlen in Wien auswirken. Dort werden jetzt viele der noch Ungeimpften sagen: Warum soll ich mich impfen lassen, wenn beim Zutritt zu Kultur oder Unterhaltung jetzt noch eine zusätzliche, fast nicht nehmbare Schikane aufgerichtet ist?
Und für die Geimpften, die dann doch fortgehen wollen, taucht ein weiteres Problem auf: Wird es überhaupt die Kapazitäten geben für so viele PCR-Tests? Werden die als Folge des nun entfachten Andrangs nicht noch länger dauern als 48 Stunden? Immerhin verweigern in Salzburg – obwohl es dort noch nicht die absurden Wiener Regeln gibt – die Apotheken bereits die Durchführung von Tests, weil sie keine Labors mehr finden, die noch Kapazitäten zur Analyse der Testergebnisse haben.
Zusätzliche Megapanne: Auch jetzt, also in der Nacht von Sonntag auf Montag, weiß man nicht, ab wann die für diese Woche angekündigte Wiener Zwangsmaßnahme eigentlich in Kraft tritt. Möglicherweise schon ab Montag! Das hätte die klare Folge: alle Theater und Konzertsäle würden völlig leer bleiben!
Die Staatsoper hat bereits allen bekannten Kartenkäufern ein Mail mit der Botschaft geschickt: Sie könnte "in die Situation geraten, Sie trotz gültiger Eintrittskarte und 2-G-Nachweis am Abend nicht einlassen zu dürfen."
Aber Hauptsache, Herr Ludwig kann sich als Macher präsentieren. Um all diese Kleinigkeiten wie die Durchführbarkeit und die Folgen der plötzlichen PCR-Testpflicht kann sich doch ein Politiker nicht kümmern, der sich gerade zum neuen Corona-Großstrategen profilieren will.
Diese Unfähigkeit der Wiener Stadtpolitik wird freilich fast noch übertroffen durch das völlige Versagen der Bürokratie im Umgang mit der Pandemie.
Ein persönlicher Einschub: Meinem erkrankten Sohn geht es erfreulicherweise schon wieder deutlich besser. Auch ohne Ärzte oder irgendeinen Beistand der Wiener Gesundheitsbehörden. Er hat fast kein Fieber mehr und fühlt sich bis auf einen Husten wohl. "Am dritten Tag hat man geradezu gemerkt, wie die Antikörper aus der Impfung gegriffen haben." Inzwischen ist freilich auch der Rest seiner Familie erkrankt, mit einem ähnlichen Verlauf wie bei ihm. Die sind nun drei Tage zeitversetzt groggy.
Aber das eigentliche Ärgernis für ihn ist das wieder einmal sehr anschaulich gewordene Versagen der Wiener Behörden:
Jedenfalls Danke an all die vielen Besorgten, die sich mit freundlichen Worten ob seiner Erkrankung gerührt haben. Und jene widerlichen Menschen, die meine Bemerkung über seine Erkrankung mit Gift und Galle kommentiert haben, bitte ich recht höflich, sich doch künftig auf anderen Internetseiten herumzutreiben. Ich wüsste wirklich nicht, was sie hier verloren haben, um ihre psychischen Probleme abzuladen. Andernfalls müsste ich doch am Ende die Kommentarfunktion gänzlich abstellen (wozu mir schon oft geraten worden ist). Denn auch meine Frustrationstoleranz hat eine Grenze, bei allem Bekenntnis zur demokratischen Meinungsfreiheit.
Zur (leichten) Beruhigung ein Blick in drei andere Länder:
Sehr beunruhigend ist aber für den heimischen Tourismus, dass Deutschland Österreich zum Hochrisikoland erklärt hat. Geimpfte Erwachsene haben dadurch zwar nur relativ geringe bürokratische Zusatzhürden zu überwinden; Ungeimpfte werden durch die Neuregelung hingegen bei der Rückkehr nach Deutschland zur Quarantäne gezwungen – und daher nicht nach Österreich kommen. Besonders tragisch ist aber, dass auch alle Familien daheim bleiben werden. Denn Kinder unter Zwölf können sich in Deutschland noch gar nicht impfen lassen. Sie müssen daher jedenfalls in Quarantäne. Was zwar manche Schüler nach der Rückkehr freuen könnte – die Eltern aber gar nicht.
PS: Noch einmal zurück zu den neuen Verordnungen des Gesundheitsministers. Angesichts der durch den Lockdown sehr erheblichen Freiheitseinschränkungen für Ungeimpfte wird mit Sicherheit auch wieder der Verfassungsgerichtshof befasst werden. Dieser ist ein Gremium, das sich neuerdings gerne durch kreative Entscheidungen zu profilieren versucht. Hält der VfGH angesichts der nur graduellen, aber nicht absoluten Unterschiede zwischen Geimpften und Ungeimpften einen solchen Halb-Lockdown für zulässig? Oder muss es folglich einen ganzen für alle geben? Wie weit wird eine Verordnung als verfassungskonform angesehen, die nicht wirklich kontrolliert werden kann, weil man ja niemandem die Impfung ansieht? Es wird spannend.
PPS: Es wird aber auch immer wieder heiter: So etwa, als SPÖ-Mann Jörg Leichtfried vor Fernsehkameras über die jüngsten Corona Beschlüsse (natürlich des Bundes, nicht jene des Landes Wien) gestänkert hat. Da wird er – überraschend kritisch – von einem ORF-Mann gefragt, was die SPÖ denn anders zu machen vorschlägt. Darauf Leichtfried im fassungslos machenden O-Ton: "Das ist nicht unsere Aufgabe." Also stänkern Ja, eine Ahnung haben, wie man es besser machen soll, hingegen Nein. Das ist der Zustand der größten Oppositionspartei dieses Landes ...
PPPS: Heiter ist auch, was man auf der Homepage der Apothekerkammer (auch Apotheken machen PCR-Tests) gleichzeitig zu den Wiener 48-Stunden-Beschlüssen liest: "Ein negatives PCR-Testergebnis wird ab Probennahme 72 Stunden lang anerkannt und gilt auch als Eintrittstest für die Nachtgastronomie."