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Die „unabhängige Justiz“, die Medien und die SPÖ

Es war nicht nur der Chor der Oppositionsparteien, der es in den letzten Wochen und Monaten als Skandal hingestellt hat, wenn jemand die Korruptions-Staatsanwaltschaft kritisiert hat. Auch hunderte Leitartikel in den oft gleichgeschaltet wirkenden Mainstream-Medien haben sich empört, dass dadurch die "unabhängige Justiz" angegriffen würde. Hinter vorgehaltener Hand haben sich zwar schon viele Richter über diese Linie von Medien und Opposition geärgert. Aber erst jetzt hat es endlich ein mutiger und hochrangiger Exponent der Richterschaft gewagt, der Argumentation der Opposition und der Medien vehement entgegenzutreten. Zugleich zeigen einige Blicke ins Archiv, wie verlogen die SPÖ mit ihrer Empörung ist. Hat sie doch einst die – echte! – Justiz viel aggressiver attackiert (mit nachträglicher Ergänzung).

Dieser mutige Richter ist der langjährige Präsident des Obersten Gerichtshofs Eckart Ratz, der jetzt (als Vorarlberger) bei der diesseits des Arlbergs unbekannten Vorarlberger Bruderschaft "Anna und Arbogast" erstmals öffentlich aufgetreten ist. Im deutlichen Unterschied zu seiner (auch weit kürzer amtierenden) Vorgängerin Irmgard Griss ist Ratz ein Strafrechtler, also für das Thema inhaltlich prädestiniert.

Griss ist hingegen als Handelsrechtlerin an die Spitze der Justiz gelangt – dennoch war sie bisher die einzige der früheren OGH-Präsidenten, die mit großer Intensität von der Mainstream-Presse zitiert worden ist. Ganz offenbar deshalb, weil sie – als ehemalige Neos-Abgeordnete – ganz auf der pink-roten Linie argumentiert und die WKStA gegen angeblich unzutreffende Angriffe verteidigt. Ratz und der andere Strafrechtler unter den früheren OGH-Präsidenten, Johann Rzeszut, sind hingegen nirgendwo zitiert worden.

Ratz sagte nun jedenfalls unmissverständlich: Die Staatsanwaltschaft (und damit auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA) gehören nicht zur Justiz, sondern nur zur Exekutive! Denn sie sind gegenüber der Justizministerin weisungsgebunden. Ratz wörtlich: "Wenn wir von Justiz im Sinne des Trennungsgrundsatzes der Verfassung sprechen, gilt das nur für die unabhängigen Gerichte. Und bei denen ist unser Rechtssystem in guten Händen."

Diese drei Worte "und bei denen" sind wohl überhaupt die massivste Ohrfeige für die WKStA-Staatsanwälte. Im Umkehrschluss heißt dieser Ratz-Satz nämlich  ganz eindeutig: Bei denen ist das Rechtssystem in gar nicht guten Händen. Das trifft wohl noch mehr als die Feststellung, dass die Staatsanwälte nicht zur eigentlichen Justiz gehören.

Damit hat nun endlich auch ein Spitzenrichter öffentlich den WKStA-Skandal rund um Sebastian Kurz angesprochen, der bekanntlich von diesen Staatsanwälten ohne jeden Beweis eiskalt abgeschossen worden ist. Dabei haben sie überdies – wie bisher nur die Rechtsschutzbeauftragte öffentlich zu tadeln gewagt hat – das verfassungsrechtliche(!) Grundrecht auf den "gesetzlichen Richter" ausgehebelt. Und zwar dadurch, dass sie das Verfahren gegen H.C.Strache ohne jeden inneren Zusammenhang (außer natürlich, dass man bei den Genossen von der WKStA Schwarze und Blaue gleichermaßen hasst) sehr gezielt und willkürlich auf Dutzende und Aberdutzende andere Personen ausgedehnt haben.

Das hängt wohl mit zweierlei zusammen, wie die Rechtschutzbeauftragte klar macht:

  • Erstens – natürlich gilt die Unschuldsvermutung – haben sie bei dem für Strache zuständigen Untersuchungsrichter offenbar einen gefunden, der ihnen, ohne lange Probleme zu machen, fast alle Verlangen wie Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen einfach abstempelt, also genehmigt. Für so etwas genügt in einem Land, das ein Rechtsstaat sein will, wirklich ein Stempel wie am Postamt: Das ist ein zusätzlicher Skandal im Skandal.
  • Und zweitens haben durch diesen Trick die Rechtsanwälte aller von der WKStA als verdächtig Geführten Zugriff zu sämtlichen Akten: Dadurch kann nie mehr überprüft werden, welcher Anwalt die unzähligen Aktenteile hinausspielt – dadurch kann aber auch nie lückenlos nachgewiesen werden, ob dieser Bruch des Amtsgeheimnisses nicht vielleicht doch durch die WKStA selber vorgenommen worden ist.

Die für die Behebung dieses Skandals theoretisch zuständige Justizministerin hat als frühere Weggefährtin des Peter Pilz aber überhaupt kein Interesse, diese ideologisch motivierte Treibjagd auf zahllose Schwarze und Blaue zu stoppen. Wie sehr das Justizministerium in ihrer Ära zur linksradikalen Hochburg umgewandelt worden ist, ist jetzt durch die Berichte besonders augenscheinlich geworden, dass ein dort tätiger Staatsanwalt auf seine Tür – an der ja unzählige Justizkollegen vorbeigekommen sein müssen! – eine Hass-Karikatur gegen Kurz und einige andere ÖVP-Politiker aufgehängt hat, auf der diese als Lügner dargestellt werden. Bis zur Stunde gibt es dennoch keinerlei Anzeichen, dass der Mann ein Disziplinarverfahren bekommen hätte oder suspendiert worden wäre.

Wahrscheinlich weder noch. Wahrscheinlich haben im "Justiz"-Ministerium sogar alle insgeheim oder offen über den Abschuss von Kurz gefeixt. Obwohl dadurch der letzte Anschein verloren gegangen ist, dass man in diesem Ministerium an einer unabhängigen und objektiven Justiz interessiert wäre. Was ja diesem Ministerium ohnedies niemand mehr abgenommen hat, seit im Doppelpass zwischen der WKStA und der Ministerin die beiden einzigen Funktionsträger aus dem Amt geschossen worden sind, die den Umtrieben der WKStA noch entgegengetreten waren.

Die Schmähs um das Gutachten

Widerlich war in den letzten Tagen aber auch die Kampagne vieler Medien (und der Opposition sowieso), weil Sebastian Kurz ein Gutachten eines Universitätsprofessors für Strafrecht vorgelegt hat, das die Anschuldigungen der WKStA gegen ihn im Detail zerpflückt hat. Interessant ist, dass die politmediale Linke bisher überhaupt keine inhaltlichen Gegenargumente gegen das Gutachten vorzubringen gewusst hat. Umso lauter hat man es mit zwei rein formalen Argumenten zu relativieren versucht:

  • Erstens: Es sei ja nur ein Parteigutachten. Was natürlich stimmt. Aber in österreichischen Gerichtsverfahren werden alljährlich tausende Parteigutachten erstellt und eingebracht, ohne dass sich jemand darüber aufregt. Es ist natürliches Recht jedes Beschuldigten, jeder Verfahrenspartei, durch einen externen Experten inhaltliche Argumente zusammenfassen und unterstützen zu lassen. Angesichts der infamen Taktik der WKStA, fast alle Verfahren jahrelang hinzuziehen, ohne sie jemals vor ein unabhängiges Gericht zu bringen, sind solche Gutachten eigentlich sogar die einzige Möglichkeit ihrer Opfer, sich wenigstens verbal zu wehren und auf die eigene Situation aufmerksam zu machen.
  • Zweitens: Der gutachtende Professor hat das von ihm persönlich erstellte Gutachten auf Universitätspapier geschrieben. Daraufhin hat sich der – der SPÖ nicht gerade fernstehende – Uni-Rektor Engl sofort öffentlich distanziert. Diese Distanzierung ist mehr als problematisch. Denn es gibt viele Dinge, die viele andere Professoren ebenfalls auf Uni-Papier machen, ohne dafür eine formelle Gremien-Ermächtigung zu haben. Es gibt nämlich keinerlei klare oder gar rechtlich bindende Richtlinie, wann ein Professor dieses Uni-Papier verwenden darf. Daher ist es vorsichtig ausgedrückt merkwürdig, wenn sich der Rektor im Falle des Pro-Kurz-Gutachtens formell distanziert, bei vielen anderen nicht. Und sollte einmal ein Angehöriger der Uni für eine auf Universitätspapier veröffentlichte Arbeit den Nobelpreis bekommen (so unwahrscheinlich das auch ist), dann ist der Rektor zweifellos der erste, der sich in dessen Glanz sonnt.

Wechseln wir – was ohnedies kein so großer Sprung ist – zur SPÖ und ihrer lauten Empörung über die ÖVP-Kritik an der "unabhängigen Justiz", die in Wahrheit eben nur Kritik an einer staatsanwaltschaftlichen Abteilung der Exekutive ist, nicht an "der" Justiz.

Die Kritik der Linken ist aber so dröhnend, dass man schon zu forschen beginnt: Und wie hält es die SPÖ selbst mit der Justiz? Da stoßen wir nämlich auf überaus spannende zeitgeschichtliche Dokumente, insbesondere auf Aussagen des früheren SPÖ-Spitzenfunktionärs und späteren Bundespräsidenten Heinz Fischer, des SPÖ-Vizekanzlers Hannes Androsch und des SPÖ-Justizministers Christian Broda.

Der Fall Fischer-Sinowatz

So hat der spätere Bundespäsident Heinz Fischer wörtlich "die Unfairness und Brutalität mancher Justizfunktionäre, die glauben, sie stehen außerhalb jeder Kritik und können sich alles leisten" attackiert. Seltsam. Dabei ging es auch damals um ein Verfahren gegen einen Ex-Bundeskanzler, nämlich Fred Sinowatz. Dieser ist dann auch wirklich verurteilt worden. Für Fischer jedoch war die Anklageschrift "nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben" war.

Schon vor dem Urteil wusste Fischer: "Wenn das Gericht Sinowatz auf Grund dieser Anklage schuldig spricht, dann ist das ein Fehlurteil." Und er verglich das Urteil sogar mit dem Jahr 1927 und der Schießerei von Schattendorf, als die SPÖ-"Arbeiterzeitung" so gegen das Gericht hetzte, bis der Justizpalast in Flammen aufging. Dennoch kann ein Mann, der sich so äußert, in Österreich später Bundespräsident werden. Und wohlgemerkt: Fischers Worte waren nicht nur wütende Attacken auf einen Teil der Exekutive, also auf Staatsanwälte, sondern auch auf ein wirklich unabhängiges Gericht. Das kann man sogar als  Versuch einer Einschüchterung dieses Gerichts auffassen.

Der Fall Androsch

Noch ein paar Jahre früher gab es die Verurteilung des Hannes Androsch wegen eines Steuervergehens beziehungsweise einer Falschaussage. Auch das hatte wilde Anschuldigungen gegen die Justiz zur Folge, diesfalls stammten sie vom  langjährigen SPÖ-Vizekanzler. Und zwar gegen die echte Justiz, also gegen Gerichte und nicht nur eine Exekutivbehörde wie die Staatsanwaltschaft.

Androsch: "Die Justiz war ganz offensichtlich politisch von der Ressortspitze gesteuert." Es sei eine Treibjagd gewesen. "Da hast du keine Chance, überhaupt nur Gehör zu finden." Und weiters sagte er, "dass das gegen mich angestrengte Verfahren politisch motiviert und inhaltlich willkürlich konstruiert war".

Der Fall Broda-Habsburg

Noch ungeheuerlicher (und noch früher) war die Attacke des SPÖ-Justizministers Christian Broda auf die – echte – Justiz. In den 60er Jahren ging es um die Erlaubnis einer Rückkehr des letzten Kaisersohnes Otto Habsburg nach Österreich. Diese hatte die SPÖ jahrzehntelang verhindert, obwohl Otto unbestritten einen österreichischen Pass hatte. Als dann ein Höchstgericht dem Habsburger doch die Einreise möglich machte, geriet die Pittermann-SPÖ völlig außer sich. Und Broda sprach wörtlich von einem "Juristenputsch"!

Nun, ohne die Causa Habsburg und die gerichtlichen Verurteilungen (also nicht bloß Vorverfahren) von Sinowatz – samt einigen anderen SPÖ-Exponenten – und Androsch hier inhaltlich aufrollen oder bewerten zu wollen: Tatsache ist, dass die SPÖ damals viel aggressiver reagiert hat, als es in den letzten Wochen von Seiten der ÖVP der Fall gewesen ist. Und Tatsache ist, dass jedes Mal, insbesondere von Broda, Fischer und Androsch, die Gerichte selbst und nicht bloß die zur politisch gesteuerten Exekutive gehörende Staatsanwaltschaft mit sehr scharfen Worten frontal attackiert worden sind.

Diese Beispiele zeigen, wie verlogen und heuchlerisch die SPÖ-Erregung darüber ist, dass jemand heute die "unabhängige Justiz" zu kritisieren wagt. Obwohl diese nicht einmal Teil der echten Justiz ist.

Kurz und Corona

Zurück zu Kurz: Es ist ziemlich überraschend, dass in den letzten Tagen aus einem ganz unerwarteten Eck Nostalgie nach dem Ex-Kanzler auftaucht. Ist Kurz doch wahrscheinlich auf Jahre politisch durch den ungebremsten Amoklauf der WKStA demoliert. Aber in den letzten Tagen zeigten sich immer mehr Österreicher überzeugt, dass es unter seiner Kanzlerschaft keineswegs das jetzt tobende Chaos rund um die Corona-Maßnahmen geben würde. Dafür spricht zumindest die Tatsache, dass ihm im Frühjahr 2020 sogar das Gegenteil der heutigen Realität vorgeworfen worden ist, nämlich eine Überinszenierung und ein allzu straffes Kommando.

Zwar bewegen sich "Was wäre wenn"-Argumentationen immer im beweisfreien Raum. Tatsache ist aber, dass die politische und damit auch mediale Opposition neuerdings wieder krampfhaft versucht, Kurz zum Schuldigen an der jetzigen Situation zu machen. Dabei hat er seit Wochen nichts zu Corona gesagt. Der Vorwurf kreist immer wieder darum, dass Kurz vor dem Sommer gejubelt hat, für die Geimpften wäre die Pandemie vorbei. Solche Aussagen sind aber angesichts der deutlichen Abnahme des Schutzes durch die Impfung tatsächlich unrichtig gewesen.

Freilich ignorieren die politmedialen Stänkerer eines: Genau dasselbe, was Kurz ständig vorgeworfen wird, haben damals praktisch alle gesagt, insbesondere die heute so zum Orakel hochstilisierten "Experten". Sie brachten bespielsweise die auflagenstärkste Zeitung Deutschlands zu folgenden Schlagzeilen: "Jahrelanger Schutz nach Impfung!" und: "Geimpfte sind NICHT mehr ansteckend!" Der Vorwurf gegen Kurz kann also nur bedeuten, dass er kein Hellseher gewesen ist und nicht vorausgesagt hat, dass die Impfungen nur recht kurz wirken.

Innenpolitisch wird dennoch der Spin der politmedialen Linken ungerührt weitergedeht. Nur wegen dieses ein halbes Jahr alten Kurz-Satzes würde die ÖVP einen konträren Kurs zu Gesundheitsminister Mückstein und seinen "Experten" fahren, die einen ganz radikalen Lockdown fürs ganze Land verlangt haben. Hingegen lehnt die ÖVP einen Lockdown außerhalb der Krisenbundesländer Salzburg und Oberösterreich strikt ab (zumindest derzeit) und tritt – auch zusammen mit der Ärztekammer – ganz für ein "Impfen, boostern, impfen, Maske tragen, impfen, testen, impfen, impfen, impfen" ein. Die ÖVP will auch den Druck zum Impfen immer mehr erhöhen.

Die politmediale Linke kommt gar nicht auf die Idee, dass etwas einfach richtig sein kann, dass ein neuerlicher Lockdown eine absolute Katastrophe für Österreich und seine Menschen wäre, und dass Impfen die einzige sinnnvolle Alternative ist. Aber die Oppositionsparteien und die vielen ihnen nahen Mainstreammedien sind einfach zu fasziniert von der Generallinie, Kurz zum Bösewicht für alles und jedes stempeln zu können. Das erspart Nachdenken …

Nachträgliche Ergänzung: Nach dem nächtlichen Ringen zwischen den Koalitionsparteien und den Landeshauptleuten scheint sich also wieder einmal das Falsche durchgesetzt zu haben, nämlich der Totalismus jener Experten, die uns ein Jahr lang die Impfung als Allheimmittel angepriesen haben: Lockdown für alle samt Strafen für jeden Impfverweigerer. Neben den falsch prophezeienden Experten und in ihrem Gefolge Politikern würde man ja am liebsten die gigantischen Rechnungen für all das insbesondere auch an Herbert Kickl weiterleiten. Sobald er sich von seiner Infektion – hoffentlich einmal – erholt hat. Denn er hat allzuviele Österreicher vom Impfen abgehalten.

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