Die Oppositionsparteien haben einen Untersuchungsausschuss wegen der Bezahlung mutmaßlich verfälschter Meinungsumfragen durch mutmaßliche Scheinbuchungen beschlossen, die ein ÖVP- (und Kurz-)naher Finanzministeriums-Beamter im Jahr 2016 veranlasst haben dürfte. Das geht als Thema völlig in Ordnung – auch wenn man im Interesse des Rechtsstaates nur hoffen kann, dass der Ausschuss nicht wieder von so vielen skandalösen Aspekten begleitet sein wird wie der vor wenigen Monaten beendete Ibiza-Ausschuss, die bis zum Protestrücktritt einer Höchstrichterin geführt haben. Beim nunmehrigen Thema geht es um den Verdacht von Untreue im Ausmaß von – maximal – einer Million Euro. Es ist aber absolut skandalös, dass das Parlament nicht auch viel größeren Skandalen mit viel höheren Schadenssummen Untersuchungsausschüsse widmet. Von denen sich siebeneinhalb thematisch geradezu aufdrängen.
Die meisten Themen müssten eigentlich der ÖVP am Herzen liegen; etliche auch der FPÖ; eines aber nur der gesamten Opposition. Dennoch wird es all die wirklich notwendigen Untersuchungsausschüsse nicht geben, sondern nur den der ÖVP-Hatz.
Denn einerseits ist die ÖVP derzeit in komatöser Schockstarre, da Sebastian Kurz, ihr zentrales Hirn, lahmgelegt scheint, da Ersatzhirne weit und breit nicht am Werk sind (außer grenzintelligente Landeshauptleute), und da juristische Fähigkeiten bei der ÖVP generell schon seit längerem Mangelware sind. Die Opposition andererseits zeigt, dass sie in keiner Weise die wirklichen Interessen der Österreicher im Sinn hat, sondern nur den eigenen Weg zur Macht, den sie durch die Jagd auf die ÖVP freizumachen hofft.
Das Interesse der drei Oppositionsparteien an einem "ÖVP-Korruptionsunterausschuss" braucht nicht weiter begründet zu werden. Scheinen doch aus den Chats des Thomas Schmid tatsächlich Rechtsverletzungen hervorzugehen, die dieser zu Lasten der Republik begangen hat, um sich 2016 bei Sebastian Kurz beliebt zu machen (was ja offensichtlich gelungen ist). Da die Schmid-Aktionen wohl eindeutig Verwaltungshandeln betreffen, ist deren Untersuchung durch das Parlament eindeutig legitim.
Freilich ist nicht zu erwarten, dass er außer Polemik und Wiederkäuen des Bekannten etwas bringen wird. Aus drei Gründen:
- Vermutlich werden sich die meisten der Zeugen, die die Opposition da vorladen will, jeder inhaltlichen Aussage entziehen, läuft doch ein breitflächiges Verfahren der Staatsanwaltschaft. Und da kann sich sofort jeder Verdächtigte entschlagen. Deshalb sind U-Ausschüsse parallel zur Justiz eigentlich ein Unsinn. Man kommt sich nur gegenseitig ins Gehege.
- Auch wird auf Grund der üblen Erfahrungen mit den rot-pinken Aktionen des letzten Ausschusses kaum ein Akteur der Republik noch bereit sein, substanziell etwas zu sagen. Vielmehr wird jeder sagen: "Daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern."
- Es wird auch inzwischen wohl bis zum Portier herunter jeder sein Handy und seine Mails komplett gelöscht haben, um nicht Gefahr zu laufen, dass irgendwelche blöden privaten Bemerkungen an die Öffentlichkeit gespielt werden.
Also wird es relativ rätselhaft sein, was man da eigentlich erfahren will. Zielrichtung des oppositionellen Interesses kann – abgesehen von ÖVP-Beschimpfung – in Wahrheit nur der Akt der Staatsanwaltschaft sein und daraus vor allem die Chat-Protokolle des Thomas Schmid. Dabei werden verfahrensmäßig wieder zwei Aspekte spannend werden:
- Erstens dürften ja aus einem laufenden Verfahren eigentlich keine Unterlagen weitergegeben werden, um dieses nicht zu gefährden;
- Zweitens wird es noch spannender zu beobachten sein, ob die Korruptionsstaatsanwaltschaft unter Kollusion eigenartiger Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes (wie das Enigmatische "abstrakt relevant") neuerlich den Abgeordneten auch völlig private Chat-Inhalte weitergibt, wie es etwa beim letzten Mal ein auf einem Handy gefundenes De-Facto-Outing als homosexuell gewesen ist, das dann über WKStA und Parlament an die Öffentlichkeit gegangen ist. Ähnlich hat die WKStA ja auch in den allerletzten Tagen neuerlich ohne jede Begründung Chats an die Öffentlichkeit gespielt, die rechtlich völlig irrelevant, dafür parteipolitisch hochinteressant waren (die Veröffentlichung der privaten Bemerkung von Kurz, dass Vorgänger Mitterlehner ein "Arsch" sei, hat ja dann zu seinem Rücktritt geführt).
Jenseits dieser Fragen wäre es jedenfalls viel wichtiger, weitere Untersuchungsausschüsse zu viel größeren – natürlich wieder nur: mutmaßlichen – Untaten einzusetzen, durch die wir geschädigt worden sind. Da gibt es eine ganze Menge Themen und Fragen, die nach einer solchen Untersuchung geradezu schreien:
- Ein SPÖ-Korruptionsausschuss: Dieser müsste bei der rechtlich nie wirklich voll geklärten Kriminalaffäre Silberstein beginnen und ihren Höhepunkt bei den Inseratenflüssen aus dem Wiener Rathaus an Medien erreichen. Dort sind ja nachweislich hunderte Millionen Steuergeld an jene Tages- und Wochenzeitungen geflossen, die im Gegenzug bereit waren, nur gut über die Wiener SPÖ (beziehungsweise ihren Bürgermeister) zu berichten. Ist doch die Gemeinde Wien mit all ihren untergebenen Strukturen für weit mehr als das Hundertfache der gesamten Inseratensumme verantwortlich, die das Finanzministerium in jenem Jahr 2016 vergeben hat, in dem dieser Thomas Schmid seine Taten begangen hat. Wozu noch das direkte Eigentum der Gemeinde Wien an mehreren Medien kommt, die dann erst recht nichts Kritisches über die Gemeinde schreiben werden, sowie die Finanzierung sogenannter "Medienhäuser", in denen einstige Arbeiter-Zeitungs-Redakteure auf Steuerkosten indirekte SPÖ-Propaganda betreiben. Größte Pikanterie am Rande: Selbst aus den jetzt überall zitierten und von vielen als Wahrheit behandelten Schmid-Chats geht hervor, dass auch 2016 die Gemeinde Wien der größte Sponsor der Fellner-Zeitung "Österreich" gewesen ist, noch vor dem Finanzministerium. Nur wird diese Passage unbegreiflicherweise weder von den Staatsanwälten, der Opposition noch den Medien aufgegriffen. Was auf sie alle ein ganz übles Licht wirft.
- Ein Untersuchungsausschuss über Inserate aus Steuergeldern und ihren Einfluss auf die Unabhängigkeit bestimmter Medien: In einem solchen Ausschuss sollten neben Aufarbeitung der Vergangenheit vor allem auch für die Zukunft Regeln erarbeitet werden, wie die öffentliche Hand erstens weiter inserieren kann, wenn sie einen echten und nachweisbaren Informationsauftrag hat (bekannte und schon lange vor Corona immer wieder auch in diesem Tagebuch genannte Beispiele für notwendige Informationen: die Bewerbung einer Impfkampagne, Steuerinformationen oder Auslandsreiseempfehlungen). Zweitens sollten diese Regeln auch genau festlegen, wie solche Inserate künftig nach streng objektiven, nachweisbaren und kostensparenden Kriterien neutral über unabhängige Schaltagenturen vergeben werden. Ein Anlass für einen solchen Ausschuss ist auch die Erinnerung an eine Äußerung der einstigen (parteiunabhängigen, aber FPÖ-nahen) Außenministerin Kneissl, die solche parteiintern von ihr verlangten Inserate abgelehnt und als mafiaartiges "Schutzgeld" kritisiert hat (worauf der Boulevard sie tatsächlich zu beschimpfen begonnen hat).
- Ein WKStA-Auschuss: Da die Staatsanwälte einem Politiker unterstellt sind, wäre die Korruptionsstaatsanwaltschaft natürlich ebenfalls ein legitimes Thema. Dabei sollte es vor allem um folgende Fragen gehen:
- Erstens, wieso werden nur die mutmaßlichen Korruptionsfälle Schmid untersucht und nicht auch die vielen mit ganz anderem parteipolitischen Hintergrund? Diese reichen von den erwähnten Rathausinseraten über die Querverbindungen zwischen der pleite gegangenen Mattersburger Commerzialbank und dem burgenländischen Landeshauptmann bis zu dem auf zehn Kilometer gegen den Wind stinkenden "Commitment" der Gemeinde Wien an einen privaten Investor, auf dem Heumarkt ein Hochhaus bauen zu dürfen.
- Zweitens, wieso werden nicht auch im roten und grünen Bereich Hausdurchsuchungen gemacht, Chats beschlagnahmt und in die Öffentlichkeit getragen?
- Drittens, warum ist dem öffentlich gemachten Vorwurf der Ministerin Kneissl nicht nachgegangen worden, die Mafia-Spuren geortet hatte?
- Viertens, wieso werden Zufallsfunde in einen Strafakt aufgenommen, die absolut nichts mit einer Straftat zu tun haben, und dann an die Öffentlichkeit gespielt?
- Und fünftens, wieso werden – wie zuletzt eindeutig klar geworden ist – die Medien in der gleichen Minute informiert, da die Verdächtigten überhaupt erstmals Akteneinblick haben?
Zumindest zum letzten Punkt scheint erfreulicherweise, wenn auch zu spät in der WKStA (oder bei der Justizministerin?) manchen klar geworden zu sein, dass da rechtswidrig gehandelt worden ist. Denn nach der Veröffentlichung eines diesbezüglichen Gastkommentars im Tagebuch hat man überraschenderweise begonnen, rechtskonform zu agieren. Denn als man die möglichweise manipulierende Meinungsforscherin festgenommen hatte, ist plötzlich in der WKStA das rechtlich vorgeschriebene Stillschweigen eingekehrt.
- Ein ORF-Gebühren-U-Ausschuss: Da müsste es um die Frage gehen: "Gibt es noch eine Rechtfertigung für die Zwangsgebühren zur Finanzierung des ORF?" Das ist mehr als fraglich,
- seit Fernsehen erstens nicht mehr vom natürlichen Monopol des Senderbaus abhängig ist;
- seit es zweitens so viele und erfolgreiche andere Fernsehstationen gibt, was dazu geführt hat, dass zwei Drittel der in den Fernseher schauenden Menschen etwas anderes empfangen als den ORF;
- und seit, drittens, bei allen Umfragen die große Mehrheit der Österreicher eine massive Verletzung der Objektivitätspflichten durch den ORF erkannt hat.
- Ein Staatsverschuldungs-U-Ausschuss: Da müssten folgende Fragen untersucht werden, die für den Finanzminister viel unangenehmer sind als die Tatsache, dass er zu irgendeinem ominösen "System Kurz" gehöre: Hat es nicht in der Corona-Zeit massive Überförderung von einzelnen Unternehmen gegeben? Und vor allem: Warum wird in Zeiten, da die Wirtschaft sondergleichen boomt (mit Ausnahme des kleinen Sektors Stadttourismus), neuerlich ein expansiver Staatshaushalt mit einem saftigen Budgetdefizit für 2022 eingeplant? Dass dieses Defizit im kommenden Jahr geringer sein soll als in den Corona-Jahren 2020/21, ist zwar nett, aber keine ausreichende Begründung. dafür, dass es überhaupt noch ein Defizit gibt. Ganz abgesehen davon, dass irgendeine neue Pandemie, ein neuer "externer Schock" ja auch 2022 jederzeit passieren und alle Prognosen über den Haufen werfen kann.
- Ein Klima-U-Ausschuss: Bei diesem könnten endlich auch all jene vielen internationalen Naturwissenschaftler ordentlich zu Wort kommen, die das inzwischen sogar mit Zwangsmaßnahmen angeordnete Dogma widerlegen, dass die (leichte) Klimaerwärmung zur Gänze oder überwiegend vom Menschen gemacht worden sei. Das wäre umso wichtiger, als viele Medien und Internet-Plattformen Kritiker dieses Dogmas prinzipiell totschweigen, obwohl dieses Dogma Österreich in Milliardenhöhe zu schädigen droht – wegen in seinem Zeichen einst beschlossener Strafzahlungen an die EU.
- Und last not least ein Corona-U-Ausschuss: Dasselbe könnte in Hinblick auf die FPÖ-Zweifel an den Impfungen und der Gefährlichkeit des Virus geschehen. Auch da wäre eine saubere Konfrontation auf wissenschaftlicher Ebene dringend angebracht – nicht zuletzt, um diverse Verschwörungstheorien aufzuarbeiten.
Während all diese Dinge ganz eindeutig legitime Themen eines U-Ausschusses sein könnten, weil es dabei immer um das Handeln einer der drei Staatsgewalten geht, gibt es ein weiteres Thema, das ganz wichtig ist, das man aber wahrscheinlich korrekter Weise außerhalb des Parlaments in einer eigenen Arbeitsgruppe von (auch internationalen) Historikern behandeln sollte: Was war der Kommunismus? Und warum wissen die Österreicher so wenig darüber? Das Wissen um die global mörderischste Ideologie des 20. Jahrhunderts scheint ja zumindest in der Stadt Graz verloren gegangen zu sein: Bei den vielen dortigen KPÖ-Wählern, aber auch bei SPÖ und Grünen, die jetzt eine Kommunistin zur Bürgermeisterin machen wollen.
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