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Die Funde der Korruptionsstaatsanwaltschaft auf dem Handy des einstigen Spitzenbeamten Thomas Schmid stürzen nicht nur die ÖVP in tiefe Kalamitäten (die von den Staatsanwälten beschuldigten Personen sowieso). Auch für die anderen vier Parteien wird es brenzlig. Denn über den Ruf "Kurz muss weg!" hinaus gibt es Null Klarheit. Und Einigkeit schon gar nicht. Überall herrscht großes Rätselraten und Bangen, was dann eigentlich der nächste Schritt sein soll.
Auffällig ist vor allem einmal, dass man kaum wo den Ruf nach Neuwahlen hört. Obwohl dieser Ruf ja eigentlich die logische Folge sein müsste, wenn eine Opposition den Regierungschef stürzen will. Aber zumindest vorerst glaubt offenbar keine der vier anderen Parteien, sich durch Neuwahlen strategisch verbessern zu können. Allerdings könnte zumindest eine dieser Parteien nach Vorliegen der ersten Nach-Hausdurchsuchungs-Umfragen mutiger werden …
Rein machttechnisch sind nun vor allem einmal die Grünen unter Zugzwang. Diese haben enormen Druck von unten, die Koalition zu sprengen. Nur fragen sich die Bedächtigeren unter den Grünen: Und was ist dann?
Denn sie ahnen, dass nach einem Ende von Sebastian Kurz eine Fortsetzung von Schwarz-Grün alles andere als wahrscheinlich ist. So selbstmörderisch kann die ÖVP gar nicht sein, nach einem Abschuss ihres Bundeskanzlers durch einen Misstrauensantrag, dem auch der Koalitionspartner zustimmt, weiter mit diesem zu koalieren.
Zugleich ist mehr als interessant, dass von den Freiheitlichen bereits kaum versteckte Angebote ertönen: Wenn Sebastian Kurz weg ist, wäre ja wieder Schwarz-Blau möglich. Für die Freiheitlichen bekommen jetzt auch die während ihrer Corona-Kampagne relativ zusammenhangsfrei ausgestoßenen Rufe "Kurz muss weg" plötzlich Sinn. War doch Kurz 2019 zweifellos hauptverantwortlich für die damalige überraschende und nicht sonderlich kluge oder logische Entscheidung gewesen, nicht nur H.C. Strache, sondern auch Herbert Kickl und damit die ganze FPÖ aus der Regierung zu werfen und in Neuwahlen zu gehen.
Auch wenn die ÖVP vorerst einmal zweifellos an Kurz festhalten wird, so ist nach einem Sturz des Bundeskanzlers durch grüne Stimmen bei den Schwarzen vieles offen – bis auf eine Fortsetzung von Schwarz-Grün.
ÖVP-intern wird dabei vorerst die Frage im Vordergrund stehen, ob Kurz Spitzenmann bleibt. Denn in der Partei wird man in den nächsten Wochen erkennen, dass man sich durch einen Wechsel an der Parteispitze ganz neue strategische Perspektiven öffnen kann, während sich Kurz trotz aller Treueschwüre wohl langfristig als zu große Belastung herausstellen dürfte, der erst nach einem rechtskräftigen Freispruch wieder zum Schlüsselspieler werden sollte.
Falls man aus diesen Gründen einen Nachfolger sucht, dürfte die Entscheidung in der ÖVP wohl unter folgenden Personen fallen: entweder Nationalratspräsident Sobotka oder die Landeshauptleute Haslauer (Salzburg) oder Stelzer (Oberösterreich) oder Finanzminister Blümel – der freilich sehr ein Kurz-Mann ist und der daher im Fall einer feindlichen Trennung von Kurz kaum in Frage kommt.
Alle vier sind aber auch denkbare Kandidaten für den Fall, dass die ÖVP nach einer Abwahl oder einem Rücktritt von Kurz als Bundeskanzler, aber einem Verbleib als Parteiobmann bereit sein sollte, einen anderen Bundeskanzler zu stellen.
Völlig getrennt davon sind die anderen derzeit heftig diskutierten Fragen zu sehen. Dabei geht es vor allem um die Frage nach einer neuen Koalition, sollten nicht doch noch jene Kräfte die Oberhand erhalten, die schon wieder Neuwahlen wollen. Dieses Verlangen dürfte aber vorerst nur im Falle einer – nach wie vor unwahrscheinlichen – Verurteilung von Kurz mehrheitsfähig sein.
Bis auf jene Varianten, wo Rot und Blau zusammengehen, gehen sich jedenfalls neuerlich nur Koalitionen mit der ÖVP im Zentrum aus. In dieser wird die Diskussion nach einem Kurz-Sturz ganz stark in Richtung FPÖ gehen – sofern diese das derzeit zentrale Problem Corona entsorgen kann. Die Gründe, die 2019 zum Bruch von Schwarz-Blau geführt haben, sind heute fast nur noch Geschichte und daher irrelevant. Sie haben sich jedenfalls als schwere Fehleinschätzung von Kurz erwiesen, auch wenn das in der ÖVP niemand zugeben wird.
Die Freiheitlichen haben sich jedoch von einer ungerecht behandelten Partei inzwischen zu einer Partei der Verschwörungstheoretiker und Impf-Gegner entwickelt. Das macht sie bei einer Fortführung dieses Kurses für jede andere Partei als Partner unakzeptabel. Freilich hat Kickl selbst schon – von den meisten Medien unbemerkt – die entscheidende Kurve zur Entschärfung dieses Problems genannt: Er hat vorgeschlagen, anstelle einer Impfung das Vorhandensein von Antikörpern zur entscheidenden Schwelle zu machen. Das würde – freilich unter einem anderen technischen Vorzeichen – zum gleichen Ergebnis wie eine generelle Impfpflicht führen, nur müsste dann halt jeder Österreicher regelmäßig seine Antikörper durch Blutproben testen lassen. Denn Antikörper erwirbt man ja nur durch Überstehen einer Infektion oder eben durch Impfung.
Jenseits der Frage Corona spricht in der ÖVP im Falle eines Kurz-Sturzes aber ansonsten alles für ein Da Capo von Schwarz-Blau und ein Ende von Schwarz-Grün:
All diese Gründe würden nach einem Sturz von Kurz dafür sprechen, dass die ÖVP mit großer Intensität neuerlich Schwarz-Blau versucht, wenn auch unter einem anderen ÖVP-Kanzler. Ob es freilich wirklich dazu kommt, ist angesichts der handelnden Akteure in beiden Parteien und ihrer beschränkten Fähigkeit, gleich ein paar Schachzüge auf einmal vorauszudenken, völlig ungewiss.
Daher ist es zumindest vorerst eher wahrscheinlich, dass es nach einem Kurz-Sturz ein wochen- oder monatelanges politisches Chaos geben wird.
Fast völlig auszuschließen ist eine schwarz-rote Koalition. Da passt emotional gar nichts. Da sind die SPÖ-internen Richtungsstreitigkeiten viel zu groß. Und da würde sich vor allem die ÖVP die Möglichkeit nehmen, die Inseratenkorruption der SPÖ zu thematisieren.
Bei den drei Linksparteien und damit natürlich sofort auch im ORF wird – fast muss man sagen: natürlich – jetzt wieder der Traum einer Linkskoalition ausgegraben. Einziges Problem dabei: Diese hat keine Mehrheit. Daher gehen die linken Träume sogar soweit, dass einige Träumer nun auf die FPÖ hoffen.
Das wird wieder in zwei Varianten geträumt:
Variante 1: Bloße parlamentarische Unterstützung einer Linkskoalition durch die FPÖ. An so etwas auch nur zu denken ist freilich geradezu eine intellektuelle Zumutung von Rot-Grün-Pink-ORF für die FPÖ: Warum soll die so blöd sein, das zu tun, was ihr mit Sicherheit eine schwere Wahlniederlage einbringen würde, ohne die Vorteile einer Ministerposition zu bekommen?
Variante 2: Gleichberechtigte Aufnahme von blauen Ministern in eine Vierparteien-Regierung. Da würde die FPÖ vermutlich mitmachen, sofern die ÖVP nicht imstande ist, ihr ein Kurz-loses Angebot zu machen. Das würde aber in unzähligen inhaltlichen Fragen zu ständigen Zerreißproben für eine solche Regierung führen. Denn Anti-ÖVP (oder Anti-Kurz) ist als gemeinsames Programm halt ein wenig zu wenig. Um nur ein paar der dann unvermeidlichen Fragen zu nennen:
Eine solche Alle-gegen-die-ÖVP-Koalition wäre spannend und lustig – für die Medien. Und noch jemand würde dieser Variante erste Reihe fußfrei mit besonderem Amüsement zuschauen: Das wäre die ÖVP, die dann spätestens am nächsten Wahltag auf reiche Ernte hoffen könnte. Die dann nach einem rechtskräftigen Freispruch von Kurz sogar über 40 Wählerprozente kommen könnte.