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Der Sieger heißt Herbert, die Verliererin Pamela

Die Vorgänge der letzten Tage und Stunden haben nicht nur bei Schwarz und Grün tiefe Verwundungen zurückgelassen. Noch viel dramatischer sind die Auswirkungen auf die Opposition. Dort haben zwei Parteien ihre strategische Position total verändert. Mit wohl langfristigen Auswirkungen.

Um beim unbedeutendsten Teil der Opposition zu beginnen, den Neos. Ihr Grundproblem: Sie sind zahlenmäßig für keine einzige Variante einer parlamentarischen Mehrheitsbildung relevant. Parteichefin Meinl-Reisinger hat sich daher bei ihren Auftritten bemüht, noch schärfer auf Sebastian Kurz hinzuhauen als die anderen Oppositionsparteien, um irgendwie aufzufallen. Was ihr aber nicht gelingen konnte, weil schon die anderen Parteien ohne jede Rücksicht auf die Grundrechte und damit die Verfassung den schweren Bihänder hervorgeholt hatten.

Das zweite Grundproblem der Neos: Wieder ist ihnen keine eigenständige Profilierungsidee eingefallen, die über das Kielwasser von Rotgrün hinausginge. Sie haben nichts von der viel überzeugenderen Schwesterpartei in Deutschland gelernt, der FDP. Diese profiliert sich in diesen wie in den früheren Koalitionsverhandlungen ganz klar als liberale Partei, die mit allen Fasern für die wirtschaftliche Stabilität Deutschlands und Europas eintritt. Die daher große Nähe zur CDU verspürt. Die daher nach der vorletzten Wahl nicht bereit war, mit den Grünen zu koalieren. Und die das auch diesmal nur unter klar kommunizierten Bedingungen eventuell tut.

Die Schuldenländer in der EU und die EZB zittern schon davor, dass die FDP die deutsche Finanzpolitik übernimmt. Die FDP hat immer die von Angela Merkel ermöglichte Schulden- und Negativzinsen-Politik Europas scharf kritisiert. Vor Meinl-Reisinger braucht sich hingegen niemand in der EU zu fürchten, selbst wenn sie einmal doch ein wichtiges politisches Amt erlangen sollte. Ganz im Gegenteil: Die Neos waren stets bemüht, sich in kritiklosem EU-Fanatismus von niemandem übertreffen zu lassen. Hingegen interessieren die von der FDP ins Zentrum gestellten europapolitischen Sorgen niemanden bei den Neos. Man hat den Eindruck, die FDP-Kritik an EU und EZB wird bei den Neos nicht einmal begriffen. Diese behaupten zwar immer, liberal zu sein, haben aber keinen einzigen liberalen Ökonomen in ihren Reihen.

Wechsel von der pinken Irrelevanz zum ganz großen moralischen Verlierer dieser Tage: Das ist die SPÖ und ihre Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Diese hat sich in der Gier, plötzlich Bundeskanzlerin werden zu können, zum Einreißen früher für ehern erklärter Positionen hinreißen lassen, obwohl diese sogar durch SPÖ-Parteitagsbeschlüsse einzementiert sind.

Die zentrale Identität der SPÖ bestand im alle anderen Positionen in den Schatten stellenden Versprechen, niemals in eine Regierung mit der FPÖ zu gehen. Diese ist immer wieder als rechtsextrem denunziert worden. Mit diesem Versprechen einer Perpetuierung des "antifaschistischen Karnevals" (die Formulierung stammt vom großen österreichischen Philosophen Rudolf Burger, der jüngst verstorben ist) hat die Partei ihre Fußtruppen stärker als mit irgendeinem anderen Argument zusammengehalten. Nun müssen die linken SPÖ-Aktivisten erkennen, dass alles nur Taktik und Show ist. Dass die Parteispitze die eigene "Haltung" sofort vergisst, wenn Macht und Regierungsfunktionen locken.

Es soll auch jetzt weiterhin eng zwischen Rot und Blau kooperiert werden, etwa mit der jetzt verlautbarten Absicht, allen Ernstes den "Umgangston" (natürlich nur jenen des Sebastian Kurz in vermeintlich privaten SMS-Gesprächen vor fünf Jahren) zum Thema eines Untersuchungsausschusses zu machen. Die Verwandlung des Parlaments in eine tanzschulartige Erziehungsanstalt zur Verbesserung des guten Tons in Privatgesprächen macht Rot und Blau ziemlich lächerlich.

Diese Absicht ist auch zweifellos rechtswidrig, weil der Umgangston in persönlichen Gesprächen absolut nichts mit dem Handeln der Regierung (oder dem einer sonstigen Staatsgewalt) zu tun hat, dass er also das Parlament in keiner Weise angeht. Aber die beiden Parteien hoffen offensichtlich neuerlich auf Unterstützung durch den in den letzten Jahren mit sehr seltsamen Erkenntnissen auffallenden Verfassungsgerichtshof. Die beiden wollen damit eine massive Grundrechtsverletzung ausbeuten, also eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Denn der einstige schlechte Umgangston von Kurz – also die Verwendung des Ausdrucks "Arsch" in Hinblick auf einen parteiinternen Rivalen in einem Privatgespräch – ist nur durch eine eklatante Grundrechtsverletzung öffentlich geworden.

Dieses geplante Zusammenrücken von Rot und Blau wird nun in vielen, insbesondere linken Runden diskutiert und kritisiert. Natürlich wird es auch von der ÖVP kritisiert. Allerdings tut das die derzeit offenbar total verunsicherte Volkspartei mit einem sehr kurzsichtigen Argument. Statt die Heuchelei und Machtgier der SPÖ herauszuarbeiten, hat sie davor gewarnt, dass dann Herbert Kickl in der Regierung säße. Damit hat sich die ÖVP neuerlich die vorsichtige Einleitung einer Alternative zu Kickl und die zarte Verbesserung des Klimas gegenüber der FPÖ verbaut. Dabei würde die offenkundig gewordene Wankelmütigkeit des jetzigen Koalitionspartners geradezu danach rufen, sich strategische Alternativen aufzubauen. Und nicht eventuelle Möglichkeiten zuzuschütten.

Mit dieser Fundamentalkritik an Kickl ist die ÖVP ja auch selbst unglaubwürdig. Kurz selbst hat Kickl zwei Jahre lang in seiner eigenen Regierung gehabt. Zwar hat Kurz wegen Kickl 2019 die Koalition platzen lassen. Aber inzwischen haben sich die damals als Grund des Hinauswurfs genannten Gründe als irrelevant herausgestellt: Kickl war erstens in keiner Weise in Ibiza verwickelt; und zweitens sind die diversen Verfahren rund um Ibiza bis ins Detail von den Staatsanwaltschaften und nicht vom Innenminister geführt worden.

Durch diese Fakten und den Wechsel zu einem linksradikalen Koalitionspartner, der vor allem die Justiz als scharfe Waffe gegen Kurz zu instrumentalisieren versucht, hat sich dieser Hinauswurf eindeutig als schwerer Fehler erwiesen. Wie auch immer mehr in der ÖVP einsehen.

Dennoch versucht die ÖVP-Spitze heute den schweren Fehler von 2019 mit Kickls heutiger – tatsächlich unverantwortlicher – Haltung zu Corona und Impfungen zu überdecken. Außerdem hat Kickl selbst schon vor Wochen den Weg angedeutet, wie diese radikale Corona-Haltung – mit der er inzwischen die FPÖ-Spitze erobert hat – regierungskompatibel überwunden werden könnte: Er verlangte an Stelle der Impfpflicht einen Test, ob die Bürger Antikörper gegen eine Infektion im Blut haben. Was ja auch ein indirekter Impfzwang ist …

Aber offensichtlich ist die persönliche Aversion, der Hass zwischen Kurz und Kickl inzwischen so groß, dass keiner der beiden auch nur zu vorsichtiger Entspannung, geschweige denn zu einer Wiederanknüpfung an das bis 2019 bestehende "freundschaftliche" Verhältnis (O-Ton Kickl) imstande ist. Diese Unfähigkeit spricht wohl gegen beide. Der eine glüht vor besinnungslos machender Rache. Der andere ist nicht imstande, einen Fehler zuzugeben.

Schlecht für beide Parteien. Schlecht für alle Österreicher, die wissen, dass nur ein liberalkonservativer Weg gut für das Land ist, der nur in einer Kooperation dieser beiden Parteien gegangen werden kann.

Gut für beide Parteien ist aber, wie sehr sie nach den Gesprächen der letzten Tage die Heuchelei der SPÖ enttarnen können, die all ihre "Haltungen" sofort zu müllen bereit ist, wenn es ihr parteitaktisch nützt.

Damit ist Herbert Kickl der eigentliche Sieger dieser Tage. Er hat von der SPÖ die Plakete "Regierungsfähig!" angeheftet bekommen. Er ist wieder zur Persona grata geworden, ohne – zumindest bisher – auch nur einem einzigen der vielen von den Linken gewünschten Gesetze oder Verwaltungsakte zugestimmt zu haben, mit denen er seinerseits die freiheitlichen Positionen inhaltlich verraten hätte. Was er bei einer echten Realisierung des Projekts einer Anti-Kurz-Koalition zweifellos tun hätte müssen.

Was für ein Triumph für Kickl! Ein Schlachtensieg ohne ein einziges Opfer auf der eigenen Seite.

Fast scheint es daher, dass Kickl innerlich froh darüber sein muss, dass es nicht wirklich zu dieser Koalition gekommen ist. Das ist nur auf den grünen Parteichef Werner Kogler zurückzuführen, der letztlich vor einem Koalitionswechsel zurückgeschreckt ist. Kogler hat zum Unterschied von Rendi-Wagner erkannt, was für ein katastrophales Glaubwürdigkeitsdefizit dadurch für die eigene Partei entstehen würde. Haben doch die Grünen so wie die Roten tagaus, tagein gegen die Blauen gehetzt, und zumindest die Naiveren in der grünen Basis allen Ernstes in den Glauben getrieben, da drohe ein neuer Hitler.

Eine Peinlichkeit ist aber kollektiv bei allen vier Anti-Kurz-Parteien zu beobachten: Keine einzige hat nach Neuwahlen geschrien. Das wäre aber eigentlich das Logischste (und auch international Übliche), wenn die Verfehlungen des ÖVP-Obmannes wirklich so schlimm sind, wie sie jetzt tun. Aber statt dessen haben sie sich alle sofort ins Hinterzimmer begeben und um Macht gefeilscht. Das lässt tief blicken.

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