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Steyr, die „Verstaatlichte“ und die Vernunft

Irgendwie ist es ein Wunder, dass die noch im Staatsbesitz befindlichen Industriebetriebe überleben können. Denn (auch) die jüngsten Vorgänge rund um die Verstaatlichtenholding ÖBAG bestätigen: Politisches Eigentum ist Gift für jedes Unternehmen. Den Beschäftigten in den Resten der Verstaatlichten Industrie kann man nur wünschen, dass diese privatisiert werden, dass dort endlich normale Verhältnisse einkehren können. Und zwar rasch.

Das wäre nicht nur gut für die Unternehmen. Das wäre auch gut für den Eigentümer, also den Steuerzahler – insbesondere angesichts des derzeitigen Börsebooms und angesichts der durch Corona entstandenen Schuldenlawine. Das wäre aber auch gut für die Regierungsparteien. Dennoch denken weder sie noch die Opposition auch nur im Entferntesten an Privatisierung.

Was zumindest bei der ÖVP rätselhaft ist: Hat sie doch unter dem Slogan "Weniger Staat, mehr privat" 2002 den höchsten Wahlsieg der letzten 30 Jahre erzielt. Und wird doch wirklich absolut jede Entscheidung, jede Personalmaßnahme in der Verstaatlichten skandalisiert und zum Aufregerthema für Medien, Opposition und Lobbys. Die Aufregung erreicht jedes Mal ein Vielfaches dessen, was Vorstandsbestellungen bei Aktiengesellschaften im Privatbesitz auslösen.

Diese Skandalisierung erfolgt ganz automatisch, unabhängig davon, ob eine Entscheidung gut oder schlecht ist. Das zeigte jetzt etwa die Hysterie um die Bestellung der Wirtschaftsanwältin Edith Hlawati zum Alleinvorstand der ÖBAG. Die Frau ist zweifellos eine sehr gute Besetzung, ist sie doch schon Jahrzehnte für die Verstaatlichten-Holding tätig und kennt ihre Probleme besser als jeder andere. Geht es doch dort, wo fremdes Eigentum wie in einer Stiftung verwaltet wird, vor allem um korrekten rechtlichen Ablauf.

Dennoch haben alle wie programmiert aufgeheult. Selbst jene, deren Ideengut sich oft auf den Satz reduziert: "Eine Frau muss es sein". Hinter den Kulissen waren auch scheinbar unpolitische Gruppen wie Raiffeisen oder die Industriellenvereinigung mit Interventionen unterwegs, obwohl die gar keine Eigentümer repräsentieren.

Noch schlimmer ist, dass rund um die ÖBAG und ihre Betriebe aus rein parteipolitischer Motivation ständig mit Strafanzeigen gearbeitet wird.

All das ist bei privatisierten Unternehmen undenkbar. Was nicht nur das Schicksal der seit der Privatisierung so erfolgreichen Voest beweist.

Dennoch hat man in Österreich in den letzten zwanzig Jahren das Wissen um die Vorteile, ja Notwendigkeit einer Privatisierung verloren.

Ja, noch viel schlimmer: Heute kann allen Ernstes ein einst aus einem Ministerkabinett in die Nationalbank geglittener SPÖ-Mann einen Gastkommentar veröffentlichen, in dem er offen eine staatliche "Industriestiftung" verlangt. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Steuerzahler für die Zukunft der zum Verkauf anstehenden MAN-Werke in die Bresche springen müsste, damit man dort auch in Zukunft weit über den Kollektivverträgen liegende Bezüge kassieren kann, damit dort politische statt unternehmensorientierte Entscheidungen fallen können.

All das führt zu zwei bedauerlichen Erkenntnissen:

  • Erstens, dass wirtschaftliches Denken in den letzten Jahren überall rapide schwindet.
  • Zweitens, dass die Bürger gut beraten sind, ihre Geldbörsen in Zukunft doppelt gut zu verstecken …

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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