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China zwischen Marx und Casino

Wenn ein Unternehmensriese mit der gigantischen Verschuldung von 260 Milliarden Euro wie eine Kaisersemmel kracht, dann sollte man alle Antennen der Vorsicht ausfahren. Jeden, der bereit ist, aus der Geschichte zu lernen, muss das an die globale Krise 2008 erinnern.

Gewiss: Geschichte wiederholt sich nie in allen Abläufen von Anfang bis Ende. Aber die Fülle der Parallelen der jetzigen Krise des chinesischen Konzerns Evergrande mit den damaligen Vorgängen ist beklemmend:

  1. Wieder ist der Schauplatz eine der beiden großen Weltwirtschaften – damals waren es die USA, jetzt ist es China.
  2. Wieder passiert es am Höhepunkt einer globalen Boom-Phase.
  3. Wieder sind die aus politischen Gründen viel zu niedrig gehaltenen Zinsen eine Hauptursache.
  4. Wieder spielt sich das Ganze primär in der Immobilienbranche ab; mit dem einzigen Unterschied, dass damals in den USA viele "Subprime"-Wohnungskäufer ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, was dann eine Großbank ruiniert hat, während heute in China ein Konzern wegen seiner Überschuldung keine Kredite mehr bekommt und zahllose Wohnungen nicht mehr bauen kann, obwohl er schon den Kaufpreis dafür kassiert hat.
  5. Und wieder wird hinter den Kulissen hektisch versucht, dass Konkurrenten den fallenden Riesen retten, indem sie Teile übernehmen und auffangen. Wobei der Evergrande-Fußballklub wohl noch am leichtesten zu retten sein wird, der im Vorjahr chinesischer Meister geworden ist und damit den Verein des Österreichers Arnautovic entthront hat (weshalb dieser offenbar nach Europa zurückkehren musste …). Das erinnert – abgesehen vom dramatischen Größenunterschied – übrigens ein wenig ans heimische Burgenland, wo der letzten spektakulären Pleite Österreichs ebenfalls Fußball-Abenteuer eines vom Größenwahn Befallenen vorausgegangen waren.

Das Auffangen eines fallenden Riesen ist damals in den USA missglückt. Ob es in China funktioniert, wird man sehen. Wenn es geschieht, dann zweifellos nur mit Hilfe von sehr viel Staatsgeld.

Aber jedenfalls kann man sicher sein: China wird intensiv auf die Pleite reagieren. Das ist in einem staatskapitalistischen System viel wahrscheinlicher als im Westen. Denn China hat nie gelernt, dass auch Pleiten zur Marktwirtschaft gehören, von der es ja trotz seiner ansonsten sehr totalitären Diktatur profitieren will. Dass daher umgekehrt gerade auch in Bullen-Zeiten immer Vorsicht zum guten Wirtschaften gehört.

Peking steht vor einer absolut historischen Alternative:

  • Entweder es dreht aus Empörung wieder die Marktwirtschaft ab und kehrt zur marxistischen Planwirtschaft zurück. Diese hat freilich noch nie funktioniert.
  • Oder es rettet alle Gefährdeten. Das schafft dann zwar kurzfristig Erleichterung, ist aber langfristig ebenso schädlich: Denn dann werden alle chinesischen Unternehmen jede Vorsicht, jede Vernunft fallen lassen. Sie werden sich blind darauf verlassen, dass der Staat im Falle einer Krise eh alle rettet. Diese Einstellung aber verwandelt jede Marktwirtschaft in ein Casino.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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