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Teurer Olympia-Patriotismus

Einige Tage haben wir uns über erstaunliche Erfolge österreichischer Sportler bei den Olympischen Spielen gefreut. Erst im Rückblick wird der Pferdefuß dieser Erfolge deutlich, der während der Spiele nie offengelegt worden ist. Im Grund sind mit einer einzigen Ausnahme alle erfolgreichen Österreicher nichts anderes als Staatssportler. Das sollte doch einmal deutlich hinterfragt werden: Warum sind die Steuerzahler – die sich in ihrer Mehrheit für diese Spiele nicht sonderlich interessiert haben – eigentlich gezwungen, Sportler zu finanzieren? Erinnert das nicht zu sehr an die Methoden totalitärer Diktaturen, die sportliche Erfolge für ihre Selbstdarstellungs-Propaganda forciert haben? Würde es den acht Millionen Österreichern in irgendeiner Weise schlechter gehen, würden sie etwa in Depressionen verfallen, wenn Österreich nicht sieben Medaillen gewonnen hätte, sondern nur eine, oder keine?

Gewiss, viele werden zwei Tage lang ein gutes Gefühl und im Büro ein nettes Unterhaltungsthema gehabt haben, wenn Landsmänner (die diesmal meist "Landsfrauen" gewesen sind) einen Erfolg erringen, und sei es in fünf von sieben Fällen auch nur eine Bronzemedaille.

Gewiss, jeder von den solcherart Ausgezeichneten hat sich jahrelang bitter angestrengt, weshalb jedem einzelnen als Person der Erfolg gegönnt sei.

Gewiss, es ist unglaublich toll, bei vielen, auch ganz neuen Sportarten, die man bei Olympia zu sehen bekommen hat, zuzuschauen. Das gilt zumindest dort, wo man die wesentlichen Regeln versteht oder zumindest von Kommentatoren erläutert bekommt (was meist nicht geschieht, weil Sportkommentatoren nur an Experten als Zuhörer denken), wo man den Ablauf optisch irgendwie verfolgen kann (was von Golf bis Wasserball gar nicht so einfach ist), und wo man den betriebenen Sport sympathisch finden kann (was bei den aggressiven Kampfsportarten eher schwer fällt). Freilich: Dieses Beobachten bestimmter Sportarten fasziniert auch dann, wenn man etwa "nur" ein russisches Wasserballett zu sehen bekommt oder Fußballer aus Brasilien oder Leichtathleten aus Jamaika oder Italien, ohne dass irgendwo ein Österreicher in der Nähe wäre.

Mit Sicherheit ist die Freude über sportliche Erfolge von Landsleuten in den allermeisten Fällen eine überaus kurzlebige. Sportler rutschen rasch wieder in Vergessenheit, wenn es nicht um ganz seltene Ausnahmeerscheinungen geht, wie es für Österreich Toni Sailer, Hermann Maier oder Marcel Hirscher in der Nationalsportart Nummer eins gewesen sind. Wer das bezweifelt, der prüfe nach, von wie vielen der in Tokio auf dem Podest stehenden Österreicher er nur eine Woche später zumindest den Namen kennt – einmal angenommen, er gehört überhaupt zur Minderheit jener, die Olympia intensiv verfolgt haben.

Noch augenfälliger wird die Vergänglichkeit sportlicher Erfolge, wenn man in der Liste der früheren Medaillen-Gewinner aus Österreich blättert. Dann werden auch Sportbegeisterte mit Erstaunen feststellen, dass da kaum ein Name in Erinnerung geblieben ist. Dann werden auch sie sich fragen:

  • Wo ist also der allgemeine Wert, dessentwegen wir alle zahlen müssen für den Spitzensport?
  • Hat irgendjemand eine Umwegrentabilität entdeckt, die es beim Skifahren für den Tourismus gibt?
  • Warum sonst hat das österreichische Bundesheer nicht weniger als sechs von sieben Medaillen-Gewinner auf seiner Gehaltsliste?
  • Fällt es dort nicht auf, wenn andere Soldaten trotz voller Gehälter bestenfalls Teilzeitbedienstete sind?
  • Glaubt jemand, dass etwa ein Diskuswerfer ein besserer Soldat ist?
  • Oder gehört das zum verfassungsrechtlichen Auftrag des Heeres, dass Athleten beim Heer pro forma angestellt werden, dass der Steuerzahler für sie aufkommen muss, damit sie sich ganz auf den Sport konzentrieren können?

Die Olympia-Erfolge haben gezeigt, dass das ohnedies schon winzige Heeres-Budget in Wahrheit zu einem – nie offengelegten – Anteil ein Sportförderungs-Budget ist. Dazu kommen noch zahlreiche Sportförderungen aus anderen öffentlichen Töpfen, vom eigentlichen Sportministerium bis zu den Lotterien.

Natürlich freuen sich Bürgermeister, Landeshauptleute und Bundespräsidenten, wenn sie sich ein paar Stunden im Erfolg heimischer Sportler sonnen können. Aber für uns ist auch das noch kein Grund, Spitzensport finanzieren zu wollen.

Jedenfalls sei Sport gesund, lautet ein weiterer Einwand. Das ist er mit wenigen Ausnahmen in der Tat. Aber wenn es um die allgemeine Gesundheit geht, sollte doch jedenfalls der Breiten- und nicht der Spitzensport gefördert werden, der noch dazu bisweilen üble Spätfolgen hat! Deswegen sollte etwa die riesige Lücke zwischen dem Schulsport und den immer nur auf Erfolge im Spitzensport ausgerichteten Vereinen geschlossen werden. Deswegen müssten den jungen Österreichern (aber eigentlich auch den älteren) zahllose Angebote für gesundheitssportliche Aktivitäten gemacht werden. Deswegen müssten dann diese Angebote den Menschen auch mit intensiven PR- und Kommunikations-Strategien nahegebracht werden – beim Gesundheitssport sind solche Kampagnen jedenfalls mindestens genauso berechtigt wie beim Impfen. Statt die Werbung für ungesunde Süßigkeiten oder Süßgetränke zu verbieten (was manche verbotsgeile Politiker vor allem grüner Hautfarbe gerade wieder einmal fordern), sollte es also Werbung und Information geben, wie und wo man leicht Sport ausüben kann.

Dabei müsste es sowohl um betreute wie nicht betreute Möglichkeiten gehen, um Gratis-Sportgeräte und Gratis-Sportplätze (mit besserer Qualität als etwa die Wiener Park-Käfige). Da braucht es vielfältige Angebote, wo man nicht erst mühsam nach Möglichkeiten recherchieren und fast immer auch zahlen muss, wenn Kinder halt etwa nur einmal pro Woche trainieren wollen und können.

Aber hilft es beim Attraktivmachen des Breitensports nicht auch, wenn Österreicher international erfolgreich sind? Das ist im Zeitalter des Fernsehens zu bezweifeln. Man schaue nur die vielen Fußballer-Trikots an, mit denen Buben im sportbegeisterten Schulalter herumlaufen. Da liest man "Messi", "Ronaldo" oder "Coutinho" – aber noch nie habe ich "Arnautovic" gesehen.

Zurück zum Bundesheer: Es fällt seit einigen Jahren ziemlich schwer, gerade in Zusammenhang mit dem Heer sonderlich Patriotismus zu empfinden, auch wenn es erfreulich war, in Tokio des Öfteren die rot-weiß-rote Fahne zu sehen. Denn das Bundesheer wird seit Jahrzehnten in schmachvoller Weise ausgehungert, sodass es – über das verdienstvolle Schlammschaufeln bei Hochwassern, über das notwendige Corona-Bohren in fremden Nasenlöchern und Kehlen, und eben über das Sportlerfördern hinaus – nicht mehr zu seinem eigentlichen Zweck imstande ist.

Dabei wäre es ja ganz eindeutig die oberste und alles andere überragende Pflicht eines Heeres, für die Sicherheit der Österreicher gegen Bedrohungen von außen zu sorgen. In den letzten Jahrzehnten haben wir zwar Verteidigungsminister wie auch Finanzminister von drei verschiedenen Parteien erlebt. Aber nie war eine signifikante Verbesserung erkennbar.

Und das einzige Mal, als die Politik wieder kurz ans Bundesheer gedacht hat, als Österreich wenigstens in einem Bereich das Beste fürs Heer angeschafft hat, nämlich durch den Ankauf von Eurofightern, haben vor allem die Sozialisten (wie meist mit Hilfe der WKStA), aber auch etliche Medien alles getan, um diesen Ankauf gleich wieder zu verteufeln. Und die jetzige ÖVP-Ministerin tut nachträglich in all ihrer Ahnungslosigkeit bei der Verteufelung mit, obwohl dieser Ankauf einst eine mutige Leistung gerade ihrer eigenen Partei gewesen ist. Und sie ist bis heute nicht imstande, eine Nachfolgelösung für die altersschwachen Saab-Maschinen zustandezubringen.

Zur Gewährleistung der Sicherheit nach außen sollte natürlich nicht nur die Abwehr eines militärischen Angriffs gehören, sondern auch die einer Invasion von Zehntausenden jungen Männern im besten Soldatenalter, die niemand nach Österreich gerufen hat. Aber auch gegen diese Bedrohung kann uns das Heer keine Sicherheit geben.

Zugegeben, daran sind primär juristische Dummheiten auf nationaler wie europäischer Ebene schuld und nicht das Heer selber.

PS: Erstaunliche Pointe zu den Olympia-Beobachtungen: Ausgerechnet die einzige Nicht-Heeres-Angehörige unter den sieben österreichischen Medaillengewinnern ist die Gewinnerin der einzigen Goldmedaille. Sie ist überdies als Sportlerin die einzige echte Amateurin und "nur" als Wissenschaftlerin ein echter Profi. Dabei hat ausgerechnet sie die wahre Heldengeschichte dieser Olympischen Spiele geschrieben und nicht all die "Soldaten und Soldatinnen" ...

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