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Selten ist die geistige Leere und gleichzeitig Gefährlichkeit der zeitgeistigen Philosophie so deutlich geworden wie bei der Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele. Der deutsche Philosoph und langjährige SPD-Politiker Julian Nida-Rümelin verlor sich in schwammigen Ausführungen zwischen Platon und UNO-Generalversammlung, von denen mit Sicherheit nur eines gesagt werden kann: Sie helfen den Salzburgern, den Österreichern, den Europäern, der Menschheit bei keiner einzigen Herausforderung weiter, mit der sie konfrontiert sind. Es sei denn, man kann die kaum verhüllte Forderung nach einer Machtübernahme jener Eliten, die das richtige "Bild", also die richtige Ideologie im Kopf haben, als wünschenswerten Fortschritt empfinden.
Nida-Rümelin versteckt sein Plädoyer für eine Elitenherrschaft hinter der Forderung nach einer "umfassenden Wissenschaftsorientierung". Man ist verblüfft, wie der Mann komplett ausschalten kann, dass Wissenschaft vom Widerspruch geradezu lebt. Dass Wissenschaft nicht endgültige Wahrheit anzubieten hat, vielmehr ein ständiger Suchprozess ist, der nur selten zu einer Synthese zwischen These und Antithese führt, die nicht wieder mit Antithesen angegriffen wird. Dass Wissenschaft überhaupt nur dort ein wirklicher Orientierungsgeber sein kann, wo sie mit Beweisen und der Möglichkeit zu Gegenbeweisen arbeitet.
Gerade dieses Erfordernis gilt aber zum überwiegenden Teil nicht für die Philosophie, aber auch nicht für die These vom menschengemachten Klimawandel, die ja nur durch beweisfreie Computermodelle untermauert ist.
Nida-Rümelin sagt – oberflächlich scheinbar unverfänglich –, "dass es von Natur keine Herrschaftsordnung gibt und dass wir deswegen Individuen ihre jeweiligen Freiheitsrechte einräumen sollten".
Nur: Wer ist das "Wir", das da großzügig Freiheitsrechte gewährt? Und was sind die "jeweiligen" Freiheitsrechte? Wenn diese doppelte Einschränkung der Freiheit nicht genau definiert wird – was Rümelin aber nicht tut –, steckt da ja eindeutig versteckt ein Herrschaftsanspruch für diejenigen drinnen, die "jeweils" bestimmen können, welche Freiheiten die anderen bekommen.
Dieser Herrschaftsanspruch wird bei Nida-Rümelin zwar ständig wortreich mit dem Begriff "Demokratie" getarnt. Beim Versuch, sein Verständnis von Demokratie zu erläutern, verwickelt sich der deutsche Politikphilosoph aber in zahllose Widersprüche. Denn er verlangt von der Demokratie einerseits, dass "die Art und Weise, wie wir zu Entscheidungen kommen, für alle idealiter akzeptabel ist". Andererseits sagt er aber: "Demokratie ist nicht die Diktatur der Mehrheit." Er sagt jedoch absolut nichts Konkretes, wie wir in der Demokratie sonst zu Entscheidungen kommen sollen, wenn Mehrheitsentscheidungen strikt abzulehnen seien.
Soll es Entscheidungen etwa erst dann geben, wenn alle gleicher Meinung sind? Dann wird es mit Sicherheit nie in irgendeiner relevanten Frage Entscheidungen geben, denn irgendwelche "Querdenker" gibt es immer.
Jedoch beschäftigt sich der SPD-Philosoph mit der Frage, wie in seiner Demokratie Entscheidungen ohne Mehrheitsentscheidungen fallen sollen, nicht – oder tut er doch? Bei ihm finden sich nämlich so viele schwammig-schwampfige Formulierungen, dass der Verdacht von Satz zu Satz wächst, dass es ihm im Grund um die alte Idee der Herrschaft einer kleinen Elite geht, wobei er aber auch nicht sagt, wie denn bestimmt wird, wer diejenigen sind, die künftig herrschen sollen. In Anlehnung an den zitierten Platon denkt Rümelin vor allem an seinesgleichen, wenn er das auch nie ausdrückt. Allerdings sind Philosophen untereinander noch viel mehr zerstritten als andere Wissenschaftler.
Nida-Rümelin verlangt weiters von der Demokratie, dass sie "getragen ist von einer demokratischen Zivilkultur, von einer Zivilkultur des alltäglichen Umgangs miteinander". Was soll das nun wieder heißen? Denn erstens nimmt der in Salzburg festredende Philosoph hier eine intellektuell schmerzhafte Zirkeldefinition vor, wenn er festlegt, dass "Demokratie" "demokratisch" sein soll. Und zweitens lässt er völlig offen, was eigentlich eine "Zivilkultur" sein soll.
Meint Nida-Rümelin da etwa das Gegenteil einer "Militärkultur"? Oder meint er da die Herrschaft der sogenannten "Zivilgesellschaft"? Eine solche fordern ja in der Tat viele Linke – umso lauter, je weniger Chance sie auf demokratische Mehrheiten an der Wahlurne haben. Sie meinen damit nichts anderes als die Herrschaft der sich jeder demokratischen Kontrolle entziehenden Agitationsvereine in ihrem Umfeld, wie etwa "Greenpeace" oder "SOS Mitmensch", wie "Diakonie" oder "Asylkoordination".
Eine endgültige und damit wirklich beängstigende Bestätigung, dass Nida-Rümelin nichts anderes als eine linke Elitenherrschaft im Kopf hat, bei der keineswegs alle Bürger mitbestimmen können, bringt dann folgende Passage über die Voraussetzungen der Demokratie: "Sie setzt voraus, dass wir alle, alle Bürgerinnen und Bürger, über praktische Vernunft verfügen. Dass wir in der Lage sind, uns ein Bild zu machen von den Herausforderungen, vor denen wir stehen. Das ist ziemlich utopisch, wenn man so will."
Nehmen wir einmal an, das ist nicht nur Schwampf, bloß um die Luft in Bewegung zu halten und sein Honorar zu rechtfertigen, sondern der Salzburger Festredner meint damit irgendetwas. Dann stellen sich etliche Fragen an den Ex-SPD-Staatssekretär:
Das alles kann ganz offensichtlich nur eine Herrschafts- (mutmaßlich Philosophen-)Elite. Wer in deren Augen keine "praktische Vernunft" hat, darf offensichtlich nicht mitreden. Sonst bräuchte er diese ja nicht als Voraussetzung zu bezeichnen. Wer die Demokratie an Einschränkungen und Voraussetzungen knüpft, ist in Wahrheit total undemokratisch. Daran ändert auch nichts, dass er die Demokratie als "humanistische Utopie" bezeichnet. Das erinnert massiv an die Monarchien und Diktaturen, die ja auch das gemeine Volk als zu unvernünftig hingestellt haben, als dass man ihm die Demokratie gewähren könnte.
Ziemlich unfassbar ist auch, dass ein Referent lange über die Demokratie reden kann, ohne sich dabei auch nur eine Sekunde lang mit dem Spannungsfeld zwischen repräsentativer Demokratie und direkter Demokratie zu befassen. Dabei ist die direkte Demokratie in Wahrheit die einzige Lösung, wenn man wirklich die "gleiche Würde" aller Menschen respektiert, die Nida-Rümelin mehrfach postuliert. Nur die direkte Demokratie ist ja imstande, die sich ständig noch mehr Macht greifende polit-medial-richterliche Elitenherrschaft einzudämmen.
Noch erbärmlicher werden die Salzburger Ausführungen, wenn der SPD-Politiker ausgerechnet die UNO-Generalversammlung als Quelle einer "Kodifizierung des Humanismus" bejubelt. Offenbar hat er keine Ahnung, dass in der UNO die sogenannten islamischen Menschenrechte als gleichberechtigt behandelt werden, obwohl sie das Gegenteil dessen sind, was man bei uns unter Menschenrechten versteht. Und offenbar weiß er auch nicht, wie viele antijüdische und antiisraelische Resolutionen dort angenommen worden sind. Oder steckt hinter den seltsamen Worten Nida-Rümelins auch der von Jahr zu Jahr übler werdende Antisemitismus der Linken?
Es wäre schließlich kein deutscher Linker, wenn er nicht auch gegen die Nationalstaaten hetzen würde, oder "Einzelstaaten" wie er sie umtauft. Er erklärt sie sogar für jetzt schon tot. "Die gibt es nicht mehr – wer da zurück will, der möchte die Geschichte rückabwickeln. Das wird nicht gelingen."
Der deutsche Salonphilosoph bringt auch "Beweise" für seine Behauptung vom Tod des Nationalstaats: Als ersten Beweis nennt er die Schweiz, weil diese mehrere Sprachgemeinschaften hat; und als zweiten Großbritannien, weil das Land vier Fußballnationalmannschaften hat.
Das ist eine wirklich nur noch peinliche Argumentationsqualität. Zählen doch gerade diese beiden Länder sogar zu den Staaten mit dem allergrößten Nationalbewusstsein und -stolz. Das wird nicht nur durch zahlreiche Umfragen bestätigt, sondern auch dadurch, dass die Schweiz wie Großbritannien genau zum Zweck der Erhaltung ihrer nationalen Identität und Freiheit aus der EU ausgetreten beziehungsweise ihr bewusst nie beigetreten sind.
So faktenwidrig wie die meisten anderen Aussagen des sozialdemokratischen Philosophen ist dann auch seine Behauptung, "dass es die Verbindung eines souveränen, sogenannten Nationalstaates mit der Demokratie so nicht mehr gibt".
Aha. Demokratische Nationalstaaten, deren Existenz wir jeden Tag sehen, gibt es für einen sozialdemokratischen Philosophen einfach nicht. Was man nicht mag, erklärt man einfach für nicht existent.
Freilich: Der Faden der Logik und der Tatsachen ist bei den Ausführungen des von den Salzburgern eingeladenen Mannes ohnedies schon zahllose Male gerissen. Daher sollte man auch nicht länger danach suchen. Daher wundert es auch nicht, wenn nebulos dann doch die "Bürger eines Staates" wieder auftreten dürfen als "diejenigen, die in letzter Instanz über die Richtung, in der sich unser Gemeinwesen entwickelt, entscheiden. Nennen wir das die kosmopolitische Herausforderung der Demokratie."
Was aber ist, Herr Sozialdemokrat, wenn sich die Bürger so wie in genau ihren (freilich ganz anders gemeinten) Beispielsländern Schweiz und Großbritannien doch nicht für die "kosmopolitische Herausforderung" entscheiden, sondern für ihren geliebten Nationalstaat, für ihre "Heimat" (die sogar der Nida-Rümelin ergriffen zuhörende Links-Bundespräsident Van der Bellen plakatieren hat lassen, damit er die Wahl gewinnt …)?
Die mutmaßliche Antwort nach diesen Ausführungen: Solche Bürger haben halt leider nicht die von Nida-Rümelin als Voraussetzung für demokratische Mitbestimmung verlangte "praktische Vernunft". Sie haben daher logischerweise nichts mehr mitzureden. Im real existierenden Sozialismus hatten ja auch all jene nichts mehr mitzureden, ja, oft nicht einmal die Chance, auf eine Uni zu gehen, die bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllen, wie etwa die richtige Klassenzugehörigkeit samt dem richtigen Klassenbewusstsein zu haben.
Dabei haben die Kommunisten nicht nur wie Nida-Rümelin ständig von "Demokratie" – auf deutsch: Volksherrschaft – geredet, sondern sogar von "Volksdemokratie", also übersetzt: von einer "Volksvolksherrschaft". Bei ihnen war das, was für den Salzburger Festspiel-Philosophen die Herrschaft derer mit einem "klaren Verständnis" und "Blick" ist, halt die Herrschaft der Nomenklatura und Politkommissare.
Das Ergebnis könnte ziemlich ähnlich ausfallen, würden sich "Philosophen" wie Nida-Rümelin durchsetzen.