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Corona oder: Warum verspielen sie nur unser Vertrauen?

Die Pandemie und die (nur teilweise erfolgreichen) Strategien zu ihrer Bekämpfung haben große Schäden angerichtet, gesundheitliche wie wirtschaftliche wie solche in Hinblick auf Schule und Bildung. Tragischer, aber unvermeidlicher Weise nimmt das Virus dennoch noch immer ständig neue Wendungen, was anfängliche Erfolge regelmäßig stark reduziert, was die Folgen von Irrtümern verschlimmert. So weit, so traurig, aber nicht verhinderbar. Nur Heuchler und Wichtigmacher behaupten, dass sie immer alles besser gewusst haben, dass all die Schäden vermeidbar gewesen wären, hätte man nur auf sie gehört. Das Verständnis für Fehler und Irrtümer beim Kampf gegen eine neuartige Bedrohung der Menschheit rechtfertigt freilich keineswegs den Umstand, wie sehr die Regierung derzeit im Expresstempo das Vertrauen der Bürger verspielt, indem sie zentrale Informationen vorenthält. Genauer gesagt, tut das der Gesundheitsminister, der zum Unterschied von seinem Vorgänger auffallenderweise nicht mehr von der Regierung spricht, wenn es um den Beschluss neuer Maßnahmen geht, sondern nur noch von sich selber.

Er begreift offenbar nicht, dass die Bürger begierig alle Informationen aufsaugen, die sie rund um die Pandemie, rund um die größten Einschränkungen aufschnappen können, die das Leben der Bürger seit dem Weltkrieg jemals kollektiv getroffen haben. Er begreift – als typischer Angehöriger einer sich für elitär haltenden Gouvernantenpartei – nicht, dass die Bürger in der Demokratie ein Recht auf alle Informationen haben. Und er begreift auch nicht, dass die Bürger generell misstrauisch werden, wenn sie einmal erkennen, dass ihnen die Regierung zentrale Fakten vorenthält.

Wenn die Bürger misstrauisch werden, ist auch in vielen anderen Fragen das Vertrauen weg. Vertrauen ist aber das wichtigste Fundament jedes Staatswesens, und erst recht das eines Gesundheitssystems.

Die derzeit zentrale Frage, weshalb viele Österreicher derzeit das Vertrauen verlieren: Warum erfährt man nicht endlich, wie viele der in den Spitälern und wie viele der in den Intensivstationen Liegenden geimpft – "vollimmunisiert" – gewesen sind und sich dennoch angesteckt haben, und wie viele nicht? Dieses "Tagebuch" fordert das seit vielen Wochen.

Tägliche Information darüber könnte den besten Beweis erbringen, dass Impfen gegen schwere Erkrankungen hilft. Wird dieser Beweis jedoch nicht angetreten, dann verleiht diese Nichtinformation allen – vor allem rund um die FPÖ kursierenden – Aussagen massiven Auftrieb, dass das Impfen eh nicht helfen würde.

Diese amtliche Information wäre wichtiger als all die vielen Propagandaaktionen rund um die Impfung, die sich zuletzt vor allem auf das Suchen origineller Schauplätze für die Verabreichung der Impfungen konzentriert haben. Vom Stephansdom bis zu Booten auf der Alten Donau hat man sich Impf-Aktionistisches einfallen lassen. Das ist wohl primär nur dazu gut, dass erstens PR-Berater an solchen Ideen verdienen und dass zweitens Medien wieder einen Anlass zum Berichten über das Thema Impfen haben.

Wie wichtig präzisere amtliche Informationen über die Zusammensetzung der ernstlich Erkrankten wären, haben mir binnen weniger Stunden zwei sehr unterschiedliche Gespräche mit Ärzten klar gemacht. Der eine beklagte, dass die Corona-Patienten in den Spitälern "immer jünger" werden, der andere das genaue Gegenteil: Dort seien fast nur Ältere mit massivem Übergewicht oder ernsten Vorerkrankungen zu finden.

Beides gleichzeitig kann aber nicht stimmen – obwohl beide den Eindruck zu erwecken versucht haben, mit ärztlicher Autorität und damit Allwissenheitsanspruch zu sprechen. Dabei sind das Aussagen, die bei transparenter Datenlage auch ohne Studium für jeden überprüfbar wären.

Eine ehrliche Informationspolitik sollte neben dem Impfstatus also auch täglich Daten über das Durchschnittsalter und über die Vorerkrankungen der Patienten veröffentlichen. Am transparentesten wäre es, würde man diese Informationen nach den einzelnen Wochen aufspalten, in denen die Patienten eingeliefert worden sind. Vielleicht ändert sich da ja etwas im Lauf der Zeit.

Nur solche harten Informationen könnten jedenfalls das schwindende Vertrauen der Menschen wieder herstellen. Sollte ihr Inhalt dabei gar nicht so eindeutig ausfallen, wie offiziell lange getan worden ist, dann wäre es immer noch besser, das jetzt schon zuzugeben. Samt dem ehrlichen Bedauern, dass die Impfung leider doch nicht so gut hilft, wie lange erhofft und von den wissenschaftlichen Studien behauptet. Das wäre zwar für uns alle eine Katastrophe, die aber nicht besser wird, wenn man sie möglichst lang geheim hält.

Herbert Kickl, der prominenteste – oder zumindest lauteste – Impfgegner des Landes, sollte sich freilich nicht zu früh freuen. Denn selbst wenn sich die Impfungen wider alle bisherigen Studien  als wirkungslos erweisen sollten, dann ist das auch für ihn keine gute Nachricht. Dies nicht nur deshalb, weil wir – und er – dann alle noch viel länger mit der Corona-Katastrophe zu tun haben werden. Eine solche Nachricht wäre auch deshalb peinlich für Kickl, weil sich dann sein ursprünglicher Corona-Aktionismus als besonders rücksichtslos erweisen würde.

Kickls Freiheits-Interpretation hat bekanntlich in der totalen Ablehnung wirklich aller Lockdown-Maßnahmen der letzten eineinhalb Jahre bestanden, ebenso wie in seiner persönlichen Provokation durch Maskenlosigkeit bei Parlamentssitzungen. Dass diese – für uns alle, nicht nur für Kickl – so unangenehmen Maßnahmen aller Art jedoch gewirkt haben, um die Pandemie einzudämmen, kann vernünftigerweise niemand mehr bezweifeln. Kickls völlig falsche Interpretation von Freiheit hat auf die Freiheiten und Rechte der anderen keine Rücksicht genommen. Sie ist daher nichts anderes als ein Plädoyer für hemmungslosen Egoismus.

Zurück zur Regierung. Zurück zur Frage, warum sie nicht ordentlich informiert.

Scheitert eine präzise Statistik über den Impfzustand der Spitalspatienten nicht an Geheimhaltungswünschen, sondern "nur" an bürokratischer Unfähigkeit? Oder scheitert sie an der schwachsinnigen Datenschutz-Verordnung, mit der uns die Grünen und die EU schon seit Jahr und Tag quälen? Oder scheitert sie an Mücksteins ärztlicher Präpotenz? Also an der Haltung: Wenn ich als Arzt und Gesundheitsminister sage, es ist etwas so, dann brauch ich doch nicht noch Beweise dafür vorzulegen; das wäre ja noch schöner.

In Wahrheit ist eindeutig: Nur wenn die Österreicher zuerst konsistente Informationen über die Wirkung von Impfungen auf die Intensität der Erkrankung erhalten, wäre es im zweiten Schritt überhaupt denkbar, den Druck auf die Nichtgeimpften zu erhöhen, etwa durch Umstellung auf eine 1G-Regel, etwa durch ein Kostenpflichtig-Werden für die Tests, etwa durch arbeitsrechtliche Konsequenzen, etwa durch die Verpflichtung Nichtgeimpfter, im Falle einer Spitalseinlieferung einen Teil der Behandlungskosten selbst tragen zu müssen.

So sehr zuletzt das Misstrauen gegenüber der Gesundheitspolitik der Regierung(en) gewachsen ist, so sehr sollte man aber auch Misstrauen gegenüber den regelmäßig aufbrandenden Jubelmeldungen aus anderer Ecke hegen, die da sagen: Hurra, jetzt ist ein wirksames Medikament gefunden worden! Auch solche Behauptungen haben wir leider schon zu oft gehört. Viele werden sich etwa noch daran erinnern, wie schon vor mehr als einem Jahr der österreichische Forscher Penninger jubelnd durch zahlreiche Medien wegen eines solchen Medikaments gereicht worden ist, ­– und wie still es seither darum geworden ist.

Soweit man das als Laie beurteilen kann, der sich einen Überblick über den Tsunami an Corona-"Studien" zu verschaffen versucht, steht vorerst hinter jedem einzelnen Impfstoff deutlich mehr sachliche Evidenz als hinter den Meldungen über einen Durchbruch bei der Suche nach dem heilenden Medikament. Zwar wurde ein solcher regelmäßig behauptet, musste dann aber leider immer wieder vergessen werden. Sollte man den vielen Studien über die Impfungen nicht mehr trauen können, dann kann man das ja eigentlich noch viel weniger den wenigen Studien gegenüber, die bisher zu Medikamenten vorliegen.

Faktum ist in Sachen Medikament:

  • Eine Impfung, die a priori schwere Krankheitsverläufe verhindert, ist jedenfalls besser als ein Medikament, das bei schweren Krankheitsverläufen hilft.
  • Jedenfalls ist die jetzt mancherorts als Impfalternative bejubelte medikamentöse Behandlung ziemlich genau hundert Mal so teuer wie eine Impfung (die von den gleichen Impfgegnern nur als Erfindung geldgieriger Pharmakonzerne verteufelt worden ist).
  • Jedenfalls macht auch etwas misstrauisch, dass mit diesem Medikament schon vor einem Jahr Donald Trump behandelt worden ist – weshalb völlig rätselhaft bleibt, warum dazu ein Jahr lang geschwiegen worden ist.
  • Und jedenfalls ist ein Medikament genauso ein potentielles Gift wie eine Impfung, das in den Körper kommt, was ja viele als Grund nennen, warum sie keine Impfung haben wollen. Aber das immer wieder als Beispiel genannte Contergan ist ja gar keine Impfung gewesen, sondern ein klassisches Medikament ...

Die Tatsache, dass das Gesundheitsministerium neuerdings wenigstens für die "Inzidenz" die unterschiedlichen Werte für Geimpfte und Nichtgeimpfte veröffentlicht, sagt extrem wenig aus. Da werden nämlich in mehrfacher Hinsicht Äpfel und Birnen verglichen.

Denn einerseits ist es mit Sicherheit so, dass sich viel öfter Nichtgeimpfte testen lassen (müssen – etwa für Eintritte gemäß der 3G-Regel). Deshalb werden unter den Nichtgeimpften natürlich auch viel öfter symptomlos Infizierte entdeckt als unter den Geimpften. Andererseits aber richtet sich ja das Hauptargument zugunsten der Impfungen eben nicht darauf, dass man sich danach nicht mehr infizieren kann, sondern vor allem darauf, dass man danach fast nie mit einem schweren Verlauf, also einem Krankenhaus- oder Intensiv-Aufenthalt rechnen muss.

Wenn jetzt nur bei den Inzidenzen der Anteil der Geimpften gemeldet wird, nicht aber bei den schweren Erkrankungen, dann ist das neuerlich eine sinnarme Information. Die daher neuerlich den Eindruck eines miesen Ablenkungsmanövers verstärkt.

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