Zehn Bücher, die nicht unter dem Radarschirm bleiben sollten
25. Juli 2021 00:10
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 8:30
Sommer- und Ferientage bieten mehr Zeit, sich mit interessanten Büchern zu befassen, die sonst vielleicht liegenbleiben würden. Das wäre schade. Daher sei diese völlig subjektive Auswahl von zehn Büchern vorgelegt, die lesenswert und relevant sind. Es geht darin sehr viel um Politik, noch mehr um wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten und am meisten um Geschichte (bei Belletristik fühle ich mich hingegen überhaupt nicht mehr daheim).
Den Büchern ist wie immer ein Amazon-Link beigefügt, für jene, die nicht anders zu den Büchern kommen können. Aber es sei ausdrücklich die Bitte hinzugefügt, primär im echten Buchhandel zu kaufen.
- Ganz aktuell ist das autobiographische Werk von Frauke Petry "Requiem für die AfD" auf den Markt gekommen. Petry rechnet darin mit vielen Fehlentwicklungen in der "Alternative für Deutschland" ab, von deren Spitze sie 2017 inmitten einer Fülle von Konflikten vor allem mit dem Rechtsaußenflügel zurückgetreten ist. Das Buch zeigt die gewaltigen Schwierigkeiten, eine neue Partei in einer etablierten Parteienlandschaft aufzubauen, auch wenn viele Entwicklungen der Politik eigentlich laut nach einer Alternative rufen würden. Bei solchen Neugründungen tauchen immer viele problematische Figuren aus dem Nichts auf, die sich aus Gründen, die sie nur selbst wissen, für geeignet halten. Eitelkeit, Unfähigkeit und politische Ahnungslosigkeit scheinen dabei die dominanten Eigenschaften zu sein. Das Buch wirft auch ein paar eindrucksvolle Schlaglichter auf die Jugendjahre Petrys als Angehörige einer regimekritischen Familie in der DDR. Natürlich wird das alles wie bei jeder Autobiographie aus einer total subjektiven Sicht dargestellt, natürlich kennt man viele der auftretenden Personen nicht – aber der Einblick fasziniert, auch weil er erstaunlich packend geschrieben ist.
- Ein kluger Freund hat das Buch von Kristian Niemitz: "Sozialismus, Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt" als "das beste Werk über den Sozialismus" bezeichnet, das in den letzten zehn Jahren erschienen ist, als den "Glücksfall eines sowohl unterhaltsamen als auch sehr erhellenden und fundierten Buches". Folgenden Vorgang hat man ja auch selbst immer wieder mit Erstaunen beobachten können: Linke, die sich als "Intellektuelle" ausgeben und die besonders in universitären, medialen oder künstlerischen Biotopen gedeihen, bejubeln regelmäßig jedes neue sozialistische Experiment von Stalin bis Hugo Chavez, selbst wenn es noch so viele Opfer gefordert hat. Nach ihrem Scheitern erklären sie dann immer: "Das war doch noch nicht der richtige Sozialismus". Vielleicht kann dieses Buch zumindest ein paar der Intelligenteren aus diesen Biotopen zur Erkenntnis verhelfen, dass Sozialismus überhaupt die falsche Antwort ist.
- Noch ein Buch, das Linke eher nicht gerne lesen werden, ist Volker Seitz: "Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann." Es gibt im deutschsprachigen Raum kaum einen besseren Kenner des schwarzen Kontinents als Seitz. Dieser hat jahrzehntelang als deutscher Diplomat in Afrika mit eigenen Augen sehen müssen, wie viel in der Entwicklungspolitik falsch läuft. Seitz ist fassungslos, dass es beispielsweise nicht einmal auf die schlichte Frage eine Antwort gibt, welche Projekte in einem bestimmten afrikanischen Land überhaupt gefördert werden. Jeder hält sein Projektlein möglichst außerhalb der Beobachtung. Was es doppelt schwer macht, aus vergangenen Fehlern zu lernen. Seitz zeigt, wie viel der Hilfsgelder von korrupten politischen Eliten beiseitegeräumt wird. Er macht klar, wie wichtig Hilfe zur Selbsthilfe wäre. Seitz ist alles andere als ein Gegner der Hilfsnotwendigkeit, aber ein Gegner des politischen Betroffenheitskultes und ein vehementer Verfechter des Prinzips, nur Hilfe zu geben, die auch sinnvoll ist.
- Immer öfter bekommt man den Eindruck, dass das heutige Europa so katastrophal schlecht dasteht wie noch nie. Dass es seine Identität, seine christlich-aufklärerische Wertebasis, seine demographische Grundlage zunehmend verliert. Da ist es ein spannender Kontrast, sich frühere europäische Katastrophen vor Augen zu führen, die einst intensiv in den Geschichtsbüchern behandelt worden sind, die der Zeitgeist aber weitgehend aus dem Bewusstsein verdrängt hat. Eine ideologisch-manipulative Geschichts-"Wissenschaft" verhindert die Erinnerung an die Schlüsselphasen der europäischen Geschichte, weil das politisch inkorrekt wäre: wie etwa die Erinnerung an den Fall Konstantinopels, an die Wiener Türkenbelagerungen, an die jahrhundertelangen Sklavenfang-Operationen durch nordafrikanische Banden an Europas Südgrenzen, die zuletzt in Opern des 18. Jahrhunderts vorkommen durften. Er beschreibt auch den Kampf der Russen gegen die mongolischen Invasoren, den der Spartaner bei den Thermopylen oder die Plünderung Roms durch die Goten. Diese großen, die heldenhaften wie auch die tragischen Höhepunkte der europäischen Geschichte sind Thema des Buches von Andreas Abros: "Verteidiger des Abendlandes". Spannend geschrieben vermeidet der Autor jeden Bezug zur Gegenwart – der jedoch gerade deshalb immer wieder in den Köpfen des Lesers entsteht.
- Hans-Hermann Hoppe ist einer der radikalsten libertären Kritiker der Linken und darüber hinaus unseres gesamten politischen Systems. Er ist liberal im klassischen Sinn, was man heute immer dazusagen muss, da sich ja die Linke neuerdings oft als "liberal" tarnt. Hoppe steht in der Nachfolge eines Mises, eines Hayek, eines Rothbard. Er vertritt den wohl konsequentesten Flügel der "Österreichischen Schule der Nationalökonomie", die ja international viel angesehener ist als in jenem Land, von dem sie einst ausgegangen ist. Im Band "Über den demokratischen Untergang und die Wege aus der Ausweglosigkeit" sind Reden, Aufsätze und Interviews Hoppes wider den links-grünen Zeitgeist zusammengefasst, die sicher eines nicht sind: langweilig oder friedfertig-anpasslerisch. Wenn einer Sätze schreibt wie "Steuern sind ungerecht, eine moralische Sauerei" – und Hoppe schreibt viele solcher Sätze –, dann ist man zuerst geschockt, dann beginnt man nachzudenken und entdeckt schließlich etliche Körnchen Wahrheit im Denkansatz des Autors.
- Ein weiterer, jüngerer Vertreter von konsequent marktwirtschaftlich-freiheitlichen Auffassungen in der Tradition der Österreichischen Schule ist Thorsten Polleit, auch wenn er nicht ganz so radikal ist. "Der Antikapitalist – ein Weltverbesserer, der keiner ist". Polleit setzt sich fundiert wie kritisch mit dem letztlich ja nur aus einem Stück Papier bestehenden "Fiat-Geld" ebenso auseinander wie damit, dass die Macht des Staates immer größer wird. Er attackiert das enge Bündnis zwischen Staat und demokratischem Sozialismus ebenso wie das politische Ziel, globale Gleichheit aller Erdbewohner in allen Lebensverhältnissen zu schaffen. Und wie für alle Exponenten der Österreichischen Schule ist für ihn Freiheit ein zentraler Wert.
- Douglas Murray: "Der Wahnsinn der Massen – Wie Meinungsmache und Hysterie unsere Gesellschaft vergiften" ist von den heute hier angesprochenen Büchern zweifellos jenes, das international schon am meisten Aufsehen erregt hat. Der britische Journalist setzt sich kämpferisch und mit einer Fülle von Argumenten und Fakten mit den Paradethemen des linken Zeitgeists von "Trans*" über "Rasse" bis "Frauen" und "Homosexuelle" auseinander. Besonders brillant zerlegt er die massiven Political-Correctness-Manipulationen von Twitter, Google und Facebook. Er enthüllt, wie sehr Mitarbeiter dort schon bei der Aufnahme intensiv getestet werden, damit nur ja niemand mit "falschen" ideologischen Auffassungen außerhalb des linken Mainstreams dazustößt. Murray zeigt, wie sehr sich Teile der wissenschaftlichen Welt von der Suche nach der Wahrheit verabschiedet haben, um statt dessen ihre eigene Politik zu propagieren. Sie haben sich, so Murray, "nicht mehr dem Geistesleben, sondern dem Aktivismus" verschrieben. Haargenau ins Ziel trifft auch der Satz (mit dem wir es bewenden lassen, um nicht gleich das ganze Buch zu zitieren): "Opfer haben nicht immer recht, sind nicht immer nett, verdienen keine Anerkennung und sind vielleicht nicht mal Opfer."
- In eine ganz andere Welt führt Bernhard Kreutner: "Gefangener 2959 – das Leben des Heinrich Maier. Mann Gottes und unbeugsamer Widerstandskämpfer". Maier war ein junger katholischer Priester in Wien, der sich von Anfang an gegen das Nazi-Regime gestellt, der die wichtigste Widerstandsgruppe in Österreich geführt und der Deserteure unterstützt hat. Er ist in den allerletzten Kriegstagen noch von den Nationalsozialisten im Wiener Landesgericht hingerichtet worden. Trotz der Spuren monatelanger Folter rief er vor der Enthauptung: "Für Christus den König! Es lebe Österreich!" Maier war ein Mann, dessen Spiritualität sich gerade in der Konfrontation mit dem Verbrecherregime massiv vertieft hat. Das Buch befasst sich aber auch mit der traurigen Rolle der Denunzianten und dem ebenfalls traurigen Desinteresse Nachkriegsösterreichs an den eigenen Widerstandskämpfern.
- Ebenfalls mit der österreichischen Zeitgeschichte befasst sich der von Stefan Karner und Peter Ruggenthaler herausgegebene Band "1938 – Der "Anschluss" im internationalen Kontext". Diese Schlüsselphase der österreichischen Geschichte wird darin ganz aus der Perspektive anderer Länder dargestellt, aus jener der Sowjetunion, Italiens, der Tschechoslowakei, Ungarns, der Schweiz, Mexikos, des Vatikans, der USA, Großbritanniens oder Polens. Es zeigt sich, dass für fast alle (auch damals) die eigenen Interessen viel wichtiger gewesen sind als das Schicksal Österreichs. Und dass man vielerorts den damaligen Widerstand des Landes gegen den Anschluss gar nicht ganz verstehen wollte, war ein solcher Anschluss an Deutschland doch noch 20 Jahre davor zentrale Forderung aller drei großen Lager gewesen. Man findet in dem Band auch viele heute weitgehend unbekannte innerösterreichische Fakten. Dazu zählt etwa ein außenpolitischer Aspekt der Differenzen zwischen Ignaz Seipel und Otto Bauer: Der Christlich-Soziale liebäugelte mit einer Donaukonföderation, der Sozialdemokrat lehnte diese hingegen ab – mit erstaunlich nationalistischen Argumenten: Eine solche Konföderation hätte eine "slawische Mehrheit" und wäre nur eine Erfüllung eines gegen Deutschland gerichteten Wunsches der Siegermächte.
- Zu guter Letzt sei noch an ein mehr als 30 Jahre altes Werk erinnert, das aber auch heute genauso lesenswert ist, sowohl durch die Fülle von zusammengetragenen Daten als auch durch den spannenden Ansatz einer durchgezogenen Geschichtsanalyse. Paul Kennedy: "Aufstieg und Fall der großen Mächte – Ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500 bis 2000" zeichnet auf 800 Seiten die großen Linien der Geschichte als Folge der ökonomischen Kräfteverhältnisse nach, die viel wichtiger seien als die in der traditionellen Geschichtsschreibung im Vordergrund stehenden Faktoren. Fast völlig tritt dabei das für viele Autoren so beliebte anekdotisch-personalisierende Element gegenüber der Bedeutung von Industrie, Kredit und Handel in den Hintergrund. Kennedy arbeitet heraus, wie entscheidend das den Habsburgern geraubte Schlesien später für die wirtschaftliche Stärke Preußens beziehungsweise Deutschlands geworden ist. Er macht in Hinblick auf den ersten Weltkrieg deutlich, dass die k. und k. Monarchie von Anfang an keine Chance gehabt hat. Noch viel erstaunlicher ist, wie der britisch-amerikanische Historiker den zweiten Weltkrieg analysiert: Er zeigt, wie etwa Italien, der Verbündete des Nazi-Imperiums, von Anfang an für Hitler nur hinderlich war, wie sehr Deutschland eigentlich den Franzosen und Briten überlegen gewesen ist – sodass man bei der Lektüre fast den Eindruck gewinnen muss, Hitler würde heute noch Europa beherrschen, hätte er sich nicht auch noch mit den Sowjets und den Amerikanern angelegt. Eine nicht unplausible, aber ziemlich erschreckende Erkenntnis.
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