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Sozialdemokratie wozu? Das Problem heißt nicht (nur) Pamela

"Warum will Frau Pamela jetzt die Viertagewoche zum Gesetz machen? Damit sie wenigstens an drei Tagen nicht lächerlich gemacht werden kann." Alle nur denkbaren Plattformen schäumen derzeit vor Witzchen wie diesem über. In der SPÖ und rund um sie geht es drunter und drüber. Dem "Sie ist lieb, aber sie kann‘s halt nicht" steht die dürre Verteidigungslinie "Böser Mann misshandelt arme, tapfere Frau" gegenüber. So lustig dieser parteiinterne Watschentanz zur sommerlichen Zerstreuung auch ist, so falsch ist es freilich, sich dadurch von der viel fundamentaleren Frage ablenken zu lassen: "Sozialdemokratie – wozu eigentlich noch?"

Zuerst zu Pamela Rendi-Wagner. Die letzte Chance für ein politisches Überleben (trotz eines katastrophalen Parteitags) hat sie sich selbst genommen, als sie ihrem burgenländischen Gegenspieler öffentlich vorgeworfen hat, anders zu handeln, als er in einem persönlichen Telefongespräch mit ihr gesagt hätte. Sie begreift offenbar nicht, dass so etwas ein absolutes No-Go ist. Aus einem Telefongespräch trägt man einfach nicht ohne Zustimmung des Gesprächspartners einen Inhalt nach außen. Das ähnelt jener Peinlichkeit, als sie am Rande einer TV-Debatte mit Sebastian Kurz eine Bemerkung einer Kurz-Assistenten aufgeschnappt und diese dann aufgeregt nach außen getragen hat.

Solche Aktionen sind nur peinlich, stil- und geschmacklos, selbst wenn Rendi sicher sein kann, dass die "unabhängige" Zadic-VfGH-Justiz niemals Handys von SPÖ-Politikern beschlagnahmen oder überwachen lassen würde, sondern nur von Politikern rechts der Mitte.

Wenn man glaubt, dass man von einem Gesprächspartner absichtlich in die Irre geführt worden ist, gibt es viele Arten zu reagieren: Man sagt ihm "Mit dir red ich nicht mehr" oder man versucht, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Aber man geht nicht in Kindergartenmanier petzend zur Tante (vulgo "Kindergartenpädagogin"): "bitte, der hat gesagt, dass …". Zumindest tut man das nicht, wenn man gut beraten ist.

Irgendwann ist halt einmal der Respekt verbraucht, den Rendi dafür erworben hat, dass sie als einzige bereit war, ein von den Herrn Klima, Gusenbauer, Faymann und Kern durch unzählige Hammerschläge zertrümmertes Parteiwrack zu übernehmen. Dazu war (und ist) ja keiner ihrer Gegenspieler bereit, egal ob sein Duodezfürstentümchen in Wien, Klagenfurt oder Eisenstadt beheimatet ist.

Noch viel tragischer: Kein einziger SPÖ-Politiker ist bereit, Rendi-Wagner als auch nur mögliche Spitzenkandidatin bei der nächsten Wahl zu nennen. Der Frau bleibt wirklich nichts anderes übrig, denn sich als Beamtin im Gesundheitsministerium wieder zum Dienstantritt nach langer Politikkarenz zu melden. Wenn sie ihre Selbstachtung wahren will.

Doch auch für die Partei als solche ist eine dringende Suche nach der verlorenen Selbstachtung angesagt.

Als strategische Perspektive ist es für eine Partei halt zu wenig, dass die einzig in der Hoffnung besteht, dass die morsche schwarz-grüne Koalition aus zwei völlig unterschiedlichen und unvereinbaren Welten zerbricht und man Ersatzkoalitionspartner der ÖVP werden könnte, da sich ja die FPÖ mit Herbert Kickl selbst aus allen Rennen genommen hat.

Noch viel gewichtiger ist aber die grundsätzliche Frage, wofür die Partei eigentlich inhaltlich steht, wozu es sie überhaupt noch gibt. Da findet man zwar vier verschiedene Ansätze einer neuen Identität, aber jeder einzelne davon ist in Wahrheit eine direkte Kampfansage an die bisherigen Stammwähler aus der klassischen Arbeiterklasse.

Denn diese sind inzwischen alle sehr bürgerlich geworden und haben (zumindest außerhalb der großen Städte) fast alle das sprichwörtliche Häuschen mit Garten. Damit sie wenigstens einen Erfolg der Partei vorweisen können, stellen sozialistische Hagiographen diesen Aufstieg der Arbeiter zu sehr bürgerlichen Menschen als einen – wenn auch für die Partei nicht förderlichen – historischen Erfolg der Sozialdemokraten und Sozialisten dar.

Analysiert man die Dinge freilich sachlicher, dann kommt man zu einer ganz anderen Erkenntnis: Dieser Aufstieg ist ganz eindeutig ein Ergebnis des Kapitalismus, des unglaublichen Aufschwungs der Volkswirtschaft aller freiheitlich-marktwirtschaftlichen Demokratien, während der Aufstieg der Arbeiter umso mickriger ausgefallen ist, je näher Sozialdemokraten, Sozialisten oder Kommunisten der Macht gewesen  sind.

Die letzten großen Erfolge der Sozialdemokratie hat es genau dann gegeben, als sie unter Gerhard Schröder oder Tony Blair so positiv wie nie zum Kapitalismus gestanden waren. Dieser "Dritte Weg" wurde aber bald wieder verlassen, weil er den apparat-internen Ideologen nicht links genug war.

Seither wird die europäische Sozialdemokratie – oder das, was von ihr übriggeblieben ist – mit wenigen teilweisen Ausnahmen (etwa in Dänemark) von folgenden vier Ansätzen dominiert:

  • Schwule, genderistische, Diversitäts-anhimmelnde Gesellschaftszerstörung;
  • Migrationsförderung;
  • Planetenrettung;
  • und verantwortungslose Forderungslizitation.

Mit den ersten drei Ansätzen vertreibt man geradezu gezielt die Arbeiterfamilien. Denn diese spüren sehr genau, dass das alles nicht ihre Intentionen sind, dass diese Ziele absolut konträr zu ihren eigenen Interessen und Wertvorstellungen gehen. Und in den postpubertären, studentischen und Künstler-Milieus, die jetzt offen für die Sozialdemokratie sind, findet man weder quantitativ noch qualitativ einen ausreichenden Ersatz für die verlorengegangenen Arbeiter. Außerdem grasen dort schon seit längerem die Grünen mit etlichem Erfolg als typische Milieu-Partei (wenn sie nicht gerade Regierungspartei sind oder eine allzu peinliche Spitzenkandidatin haben).

Aber auch das vierte Gesicht der heutigen Sozialdemokratie, die Lizitationspolitik, eignet sich immer schlechter als Wählerbindungskitt. Denn die aufgestiegenen Arbeiter können diese Lizitationen sehr gut durchschauen. Sie erkennen, dass auch sie die Rechnung für das bezahlen werden müssen, was da ständig gefordert wird. Denn selbst wenn man behauptet, dass das eh nur "die Reichen" über die Erbschaftssteuer zahlen werden, zielt man auf all jene Arbeiter, die sich ein Häuschen erwirtschaftet haben. Diese wissen, dass Inflation, Immobilienpreisentwicklung und migrationsgetriebenes Bevölkerungswachstum den Wert ihres Häuschens in die Höhe der Steuerpflicht treiben werden.

Überdies nimmt auch ihre staccatoartige Häufung den roten Forderungen jede Glaubwürdigkeit. Das zeigt, die Aufzählung jener Beispiele, die mir alleine in den letzten Wochen in die Hand gefallen sind:

  1. Einführung der Viertagewoche (in jenen Unternehmen, wo das sinnvoll ist, ist diese ja schon vereinbart, etwa in Form eines Wochenrhythmus 4-5-4-5; anderswo würde es eine Arbeitszeitverkürzung bedeuten, von der viele erkennen, dass das auf Kosten der eigenen Reallöhne und der Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Arbeitgebers gehen muss);
  2. Reduktion der Arbeit auf 80 und der Gehälter auf 90 Prozent;
  3. 32-Stunden-Woche;
  4. Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent;
  5. eine sechste Urlaubswoche für alle;
  6. coronabedingte Aussetzung des Lehrplans in den Schulen für ein Semester (die wenigsten Arbeitereltern wollen aber, dass sich die Ausbildungsqualität der eigenen Kinder reduziert – und jenen, die keine Kinder haben, ist das ohnedies völlig egal);
  7. ein 1000-Euro-Bildungsscheck für jeden Schüler;
  8. Anstellung pflegender Angehöriger auf Steuerzahlerkosten;
  9. zusätzliche Pensionserhöhungen durch eine ganze Reihe einzelner Forderungen;
  10. Bezahlung der Kosten der sogenannten erneuerbaren Energien (die von Rot genauso heftig gefordert werden wie von Grün) aus dem Budget statt durch Strompreiserhöhungen;
  11. Ausdehnung des Corona-Bonus auf viele weitere Berufsgruppen wie das Reinigungspersonal;
  12. Zinsen- und Spesenstopp bei Krediten;
  13. staatlicher Schutzschirm für hinterzogene Kredite;
  14. Ausbau des "Gewaltschutzes";
  15. Ausbau der Frauen- und Mädchenberatungen;
  16. mehr Frauenhäuser und Übergangswohnungen;
  17. höhere Investitionen in Verkehr und Infrastruktur;
  18. bessere Bezahlung für Frauen;
  19. mehr Freistellung für Schwangere;
  20. Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit;
  21. Beschäftigungsprogramm für Langzeitarbeitslose;
  22. mehr Geld für Sozialstaat und Gesundheitssystem;
  23. Mindestlohn von 1700 Euro für alle;
  24. Aufnahme zusätzlicher "Flüchtlinge"
  25. und, und, und.

All diese Forderungen, die hier nur recht unvollständig gesammelt sind, sind in den letzten Wochen von der SPÖ oder einzelnen SPÖ-Exponenten erhoben worden. Eigentlich kann sich eine solche Partei ja nicht einmal selbst ernst nehmen. Da man das instinktiv spürt, hat man halt begonnen, sich gegenseitig öffentlich zu beflegeln. Irgendwo muss ja offenbar der Sinn im Politikerleben herkommen ...

PS: Nur noch als lächerlich kann man die gleichzeitige Konzentration der SPÖ auf den Untersuchungsausschuss bezeichnen, an dessen Zustandekommen und peinlichem Ablauf sie ja selbst die Hauptverantwortung trägt. Ganz offensichtlich läuft da viel zur Ablenkung von der innerparteilichen Megakrise. Jetzt gleichsam zum "krönenden" Abschluss hat die Partei aus den mit Hilfe des links beherrschten VfGHs massenweise beschlagnahmten Mails "Sensationelles" herausgefunden: Türkis-Blau haben sich mit Privatisierungsplänen beschäftigt. Nein, so etwas! Das hat zwar jeder Zeitungsleser gewusst. Das hat die ÖVP seit Jahrzehnten öffentlich gefordert. Das hat in den 80er und 90er Jahren auch die SPÖ angesichts des Scheiterns der "Verstaatlichten" mittragen müssen. Aber jetzt hat es die SPÖ aufgedeckt: Auch in der ÖVP-FPÖ-Zeit wurde darüber nachgedacht. Das ist nun wirklich eine tolle Leistung als Ergebnis dieses unsäglichen Ausschusses, die ziemlich exakt den intellektuellen Zustand der SPÖ beschreibt.

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