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ORF-Dreikampf: Das geringste Übel möge gewinnen

Alexander Wrabetz kann es nicht. Er kann weder einen erfolgreichen noch einen qualitativ guten und schon gar keinen journalistisch objektiven Kurs des ORF steuern. Das sieht man seit langem  am kontinuierlichen Rückgang der Quoten, also des Anteils jener Österreicher, die noch ORF schauen; und am ebenso deutlichen Schrumpfen der Zahl der Bürger, die den Gebührenfunk noch für objektiv halten. Jedoch: Wer kann es besser als Wrabetz? Eigentlich müssten das viele sein. Aber auch bei den beiden bürgerlichen Kandidaten, die bei der anstehenden Wahl des neuen Generaldirektors dem in der Wolle gefärbten Sozialisten Wrabetz entgegentreten, ist nur mit der Lupe erkennbar, dass sie ein Fortschritt wären. Viel auffallender ist, wie sehr sich die Bewerbungen aller drei ähneln. Vor allem in einem Punkt lässt das geradezu auflachen.

Alle drei Kandidaten überbieten sich gegenseitig in einem Wettlauf an Beteuerungen, wie sehr sie die Regionalberichterstattung noch weiter ausbauen werden.

Eh nett. Dagegen gibt es auch gar nichts zu sagen. Lokalberichterstattung ist sicher ganz wichtig. Aber der Gebührenfunk hat die Lokalberichterstattung ohnedies schon groß ausgebaut – nicht zuletzt unter dem Konkurrenzdruck von Servus-TV, wo man als erster Sender ganz stark und mit Erfolg Heimat und Regionalität betont hat. Seit Servus wissen die Fernsehkonsumenten, wie schön und interessant die Republik auch an versteckten Orten ist. In der Folge hat der ORF als Antwort begonnen, etwa mit seinem Frühstücksfernsehen selbst die hintersten Täler abzuklappern (zumindest hat er das bis Corona getan).

Die Regionalität ist daher sicher nicht das große Defizit im ORF. Der weitere Ausbau der Lokalberichterstattung wird von allen Kandidaten vielmehr nur deshalb so auffallend betont, weil sie damit die Bundesländer-Vertreter im Stiftungsrat für sich gewinnen wollen. Und weil die beiden bürgerlichen Kandidaten fürchten, dass der – um es höflich zu formulieren – mit allen Wassern gewaschene Wrabetz insgeheim schmutzige Deals mit dem einen oder anderen der diesbezüglich möglicherweise empfänglichen Landeshauptleute abschließt.

Die wahren und katastrophalen Defizite des ORF liegen jedenfalls auf ganz anderer Ebene. Dennoch spielen sie erschütternderweise in dieser Wahlauseinandersetzung fast überhaupt keine Rolle. Das sind nämlich folgende zwei Defizite:

  • Erstens ist das die massive Linkslastigkeit der nationalen wie internationalen Berichterstattung, die sich von den ZiBs über alle TV-Magazine bis in die Radio-Nachrichten und -Journale zieht;
  • Und zweitens ist das die Tatsache, dass der langjährige Chef des Hauses absolut keine journalistische und keine programmmacherische Erfahrung und Fähigkeit hat, sondern ein reiner SPÖ-Politruk ist, der aus dem kaufmännischen Bereich gekommen ist.

Das ist ein massiver Gegensatz zu so gut wie allen anderen Kulturbetrieben. In fast allen Theater- und Opernhäusern kommt der oberste Chef aus dem Schauspieler-, Dirigenten- oder Regisseurberuf; und die Nummer Zwei kümmert sich dort primär um Administratives und Finanzen. Dass eine solche Aufstellung erfolgreich ist, zeigen auch etliche Zeitungen. So waren etwa die erfolgreichen Zeitungsgründer Dichand und Bronner Journalisten, als sie die eigene Zeitung gegründet haben. Und blieben das auch. Die reinen Manager waren hingegen nur ihre Adjutanten.

Manager und Kaufleute sind gewiss wichtig. Aber sie können nie ein Medium oder ein Kulturprodukt zum großen Erfolg machen. Das können nur jene, die primär gute Journalisten/Regisseure/Programmmacher sind, und die zugleich auch kaufmännisch denken. Daraus können, wenn alles gut läuft, die ganz großen Medienerfolge entstehen, sofern der Geldgeber völlig freie Hand lässt. Das hat man auch im ORF mit besonderer Deutlichkeit gesehen, der seine eindeutig besten Zeiten unter dem Journalisten Gerd Bacher und unter Teddy Podgorski hatte, der sowohl Journalist als auch Regisseur und Schauspieler gewesen ist.

Von den beiden bürgerlichen Kandidaten kommt lediglich Lisa Totzauer direkt aus dem journalistischen und Programmmacher-Bereich. Das nimmt eigentlich für sie ein. Allerdings war und ist sie für ORF 1 verantwortlich. Und das ist wiederum alles andere als ein Erfolgsausweis. Der andere Kandidat, Roland Weißmann, kommt aus der Finanzdirektion. Wozu man nur "Schon wieder einer von dort!" sagen kann. Er soll vor mehr als einem Jahrzehnt zwar auch journalistisch gearbeitet haben, hat aber keine bleibenden Eindrücke hinterlassen.

Freilich muss man beiden zugutehalten, dass ein nichtlinker Journalist in den Redaktionen des ORF seit langem überhaupt keine Chance mehr gehabt hat. Wrabetz und die linken Politkommissare wie Armin Wolf oder Dieter Bornemann haben sie von allen auch nur irgendwie relevanten Positionen ferngehalten, weggemobbt oder in Himmelfahrtskommandos wie ORF 1 abgedrängt.

Freilich findet sich auch in den Bewerbungs-Statements der beiden bürgerlichen Kandidaten sehr wenig, was dem Gebührenzahler Hoffnung machen könnte (wenn ihn schon die Politik weiterhin zu saftigen Zahlungen für den ORF zwingt). Stattdessen ist sehr viel dramatisierend warnend von der digitalen Herausforderung und von der internationalen Konkurrenz die Rede.

Das aber ist Gewäsch. Aus zwei Gründen:

  • Denn erstens ist es für die Medienkosumenten absolut ein Segen, dass es heute viel Konkurrenz gibt. Auch die aus dem Ausland ist zu begrüßen. Die Österreicher haben ohnedies lange genug unter den Zeiten gelitten, da das öffentlichrechtliche Fernsehen in Tateinheit mit der SPÖ jede Art von Konkurrenz aufs brutalste bekämpft hat. Im medialen Wettbewerb ist nur eines (neben der skandalösen Tatsache, dass es überhaupt Gebühren gibt) unfair: dass ausschließlich der ORF die Gebühren einstreift, die auch jene zahlen müssen, die nie ORF schauen.
  • Und zweitens ist die gewaltige Herausforderung für die alten Medien von den Zeitungen bis zum Fernsehen durch die diversen Online-Angebote selbst beim Hintertupfinger Volksboten schon seit Jahrzehnten bekannt. Zu dieser Frage hat zumindest seit der Jahrtausendwende wirklich jeder Medienmanager großspurig große Konzepte präsentiert. Von denen freilich die wenigsten funktioniert haben.

Dennoch reden auch die beiden bürgerlichen Kandidaten viel von solchen Dingen wie einem (von niemandem außerhalb der Gebührenburg benötigten) ORF-Player und von neuen Forderungen an den Gesetzgeber. Als ob der ORF nicht jetzt schon genug Privilegien hätte.

Man muss in dieses Wortgedresche der Kandidaten, das eher für einen Betriebsratswahlkampf im ORF geeignet ist als für einen angeblich die Öffentlichkeit vertretenden Stiftungsrat, wirklich sehr genau hineinlesen, um Dinge zu finden, die einem doch Reste an Hoffnung lassen. Das tut am ehesten das Wort "Publikum", das Totzauer wie Weißmann verwenden, wenn es auch leider nicht sehr konkret wird, wie sie konkret auf das Publikum mehr Rücksicht nehmen wollen.

Und bei Weißmann erschreckt der Satz geradezu: "Die Unabhängigkeit der Redaktion ist für mich das Wichtigste." Da kann man nur sagen: Gute Nacht ORF, wenn der offenbar von den bürgerlichen Stiftungsräten favorisierte Kandidat die Unabhängigkeit DIESER Redaktion zum Wichtigsten erklärt. Denn bekanntlich hat deren Unabhängigkeit schon seit langem ständig nur eines bedeutet: nämlich dass ÖVP und FPÖ in jeder Sendung niedergemacht werden müssen.

Die ORF-Redaktionen haben eine linksradikale Wagenburg aufgebaut – die tatsächlich unabhängig agiert hat. Unabhängig von den Fakten. Unabhängig vom Publikum. Unabhängig von andersdenkenden Journalisten. Und unabhängig von allen nicht erwünschten Meinungen.

Ist dieser Schlüsselsatz Weißmanns nur eine Anbiederung an die ja auch bei der Generaldirektorenwahl mitbestimmenden Betriebsräte? Oder hält Weißmann die so einseitig ausgeübte Unabhängigkeit der ORF-Redaktionen tatsächlich für "das Wichtigste"? Und wenn für ihn "Unabhängigkeit" wirklich das Wichtigste ist: Warum gönnt er eigentlich nicht auch dem Publikum die Unabhängigkeit vom Zwang, für diese Redaktion auch noch zahlen zu müssen?

Totzauer versteigt sich zumindest nicht zu so absurden Sätzen wie Weißmann. Was zumindest ein wenig für sie spricht. Und noch etwas spricht für sie: In ihren Worten kommen wenigstens – wenn auch nicht gerade zentral – die Schlüsselworte "Meinungsvielfalt" und "pluralistische Redaktionen" vor, für die sie sich engagieren will. Bei Weißmann kommt hingegen statt dessen ein anderes Wort vor, das endgültig klar macht, dass mit ihm die Zukunft des ORF in keine bessere Richtung geht als unter Wrabetz: Er will den ORF "diverser" machen. Und dieses  – früher völlig unpolitische – Wort ist nichts anderes als der neue Kampfbegriff der Linken, der die Kampfagitation für Schwule, Transgender, Migranten, Islamisten, Genderisten zusammenfasst.

Daher muss man angesichts dieser Auswahl tatsächlich seine Hoffnungen darauf setzen, dass sich ausgerechnet die Kandidatin mit den schlechtesten Chancen durchsetzt. Und dass sie dann wirklich für mehr und echten Pluralismus sorgt. Es ist eine ebenfalls nicht gerade riesige Hoffnung, dass sie das ernsthaft angeht. Und gegen die linken Beton-Netzwerke im ORF auch schafft. 

Aber die ÖVP mit ihrer seit Jahren katastrophalen Medienpolitik setzt ja ohnedies auf Weißmann und nicht auf Totzauer. Womit sich die Chancen für Wrabetz erhöhen könnten. Weißmann ist ja nicht nur dabei gescheitert, die richtigen Worte zu finden. Seine persönlichen Auftritte waren auch sonst ziemlich enttäuschend (gewiss, auch Wrabetz ist bis heute bei allen Auftritten in gerade peinlicher Form verkrampft und total unsouverän; aber auf der Linken ist die persönliche Performance nicht so wichtig, da herrscht Kadavergehorsam).

Bei aller Kritik ist aber auch festzuhalten, dass der ORF-Wahlkampf und die Rolle der ÖVP darin auf einem ganz anderen Politikfeld ganz klar positive Auswirkungen haben: Da die Bundesländer in dieser Wahl eine Schlüsselrolle spielen, ist es mit Sicherheit kein Zufall, dass sich Sebastian Kurz derzeit den Bundesländern ganz besonders zuwendet. Da hat ihm der grüne Koalitionsfeind auch gleich den passenden Anlass geliefert, als Verkehrsministerin Gewessler einen Straßenbau-Stopp verhängt hat. Dagegen setzt sich nun Kurz mit Vehemenz und auffallend deutlichen Worten ein ("Kein Weg zurück in die Steinzeit"). Das verschafft ihm in etlichen Bundesländern Jubel.

Denn die von den Grünen gestoppten Straßenbauprojekte sind für etliche Bundesländer und für alle gestresst täglich im Stau stehenden Autofahrer lebenswichtig. Das Engagement dagegen ist daher nicht nur für die gestressten Bürger wichtig. Es ist umgekehrt auch für Kurz selbst ein Thema, mit dem sich viele Wähler wieder für die zuletzt verunsichert wirkende ÖVP mobilisieren lassen, wo die Partei ein dynamisches und gemeinsames Anliegen hat. Überdies kann sich Kurz damit bei den Grünen für die Infamien der grünen Justizministerin und ihrer Korruptionsstaatsanwaltschaft rächen wie auch dafür, dass die Grünen sämtliche Notwendigkeiten in der Migrationspolitik blockieren. Motto: Wenn ihr meine Welt attackiert, dann tun wir das bei eurer. Das wird zwar niemand zugeben. Aber das ist die Realität des "Besten aus beiden Welten".

Das führt uns aber auch zurück zum ORF: Denn dieser unterstützt mit flächendeckender Schwerartillerie (wie immer) die Grünen in diesem Kampf gegen Straßenbauten. Das aber dürfte wiederum doch bei den bürgerlichen Stiftungsräten die Motivation verstärken: Auf keinen Fall darf es wieder der für die Verwandlung des ORF in eine linke Kampfmaschine verantwortliche Wrabetz werden.

PS: Grüne und Neos sind bei der ORF-Wahl selbstverständlich stramme Genossen im SPÖ-Lager. Spannend wird hingegen das Verhalten des FPÖ-Vertreters Steger. Ist doch seine Partei derzeit auf tausendprozentigem "Allen Hass der ÖVP"-Kurs; und hat Steger doch einst selbst die FPÖ in eine rot-blaue Koalition geführt. Andererseits ist fast die einzige konkrete Äußerung Stegers zum ORF-Programm, die bekanntgeworden ist, eine deutliche – und überaus berechtigte – Kritik an der antiungarischen Hetze des Senders gewesen. Dabei war diese Hetze zum Zeitpunkt der Steger-Kritik noch harmlos gegen das, was sich gerade in den letzten Tagen auf allen ORF-Kanälen an Diffamierung abspielt, was geradezu an Kriegstreiberei grenzt und wofür einzig und allein Wrabetz die oberste Verantwortung trägt. Man darf daher einigermaßen gespannt sein, welche Spiele Steger diesmal spielt.

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