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Sie ist eine der größten kulturellen Veränderungen der Menschheitsgeschichte: die Art, wie die Menschen auf Naturkatastrophen reagieren. Diese ist vor allem in den westlichen Ländern dramatisch anders geworden. Insbesondere Juristen und Journalisten, aber auch Politiker haben diese Änderung bewirkt. Das haben die jüngsten Hochwässer deutlicher denn je gezeigt.
Bis vor wenigen Generationen hat seit Jahrtausenden außerhalb von Kriegszeiten die Angst vor Naturgewalten das Leben der meisten Menschen beherrscht. Die Angst vor Blitzeinschlägen, vor Erdbeben, vor Fluten, vor Dürren, vor Bränden, vor Vulkanausbrüchen, vor Lawinen, vor Seuchen, vor schlechten Ernten, vor wilden Tieren, vor Heuschreckenplagen, vor Meteoriteneinschlägen, vor der Schweinepest, vor Hungerkatastrophen – oder gar vor Eiszeiten. All diesen Katastrophen waren die Menschen hilflos ausgeliefert. Außer zu beten und zu opfern wussten sie nichts, was dagegen zu tun ist.
Erst langsam entwickelten sie Abwehrstrategien wie Dämme, Blitzableiter, Impfungen oder Tötung gefährlicher Tiere. So begannen die Niederländer vor rund 1000 Jahren, ihr flaches Land durch Deiche gegen das Meer zu schützen. Und doch kam es dort 1953 zur vielleicht schlimmsten Flut.
Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt haben sich die Menschen besser gegen die Naturgewalten zu schützen verstanden, haben Gefahren gemindert und neue Techniken für den Kampf gegen die Natur entwickelt. Die erfolgreichsten überhaupt waren wohl jene auf dem Gebiet der Medizin und der Landwirtschaft. Vom Kunstdünger bis zur Impfung, von der Wasserhygiene bis zur künstlichen Bewässerung.
Die Erfolge waren so toll, dass sie im 20. Jahrhundert zum kollektiven Wahn geführt haben, wir könnten absolute Sicherheit gegen die Gefahren der Natur schaffen. Politiker plakatierten "Sicherheit". Journalisten und Juristen fragten nach jeder Naturkatastrophe: Wer ist schuld? Warum ist die Katastrophe – oder zumindest das Eintreten von Folgen – nicht verhindert worden? Und schreiben Leitartikel: "Das war nicht notwendig gewesen!" Die Möglichkeit einer Katastrophe ohne Schuldige ist aus unserem Bewusstsein entschwunden.
Während die gläubigen Menschen früher voller Angst Kerzen in die Fenster gestellt und gehofft haben, so das Einschlagen eines Blitzes zu verhindern, behaupten jetzt die Gläubigen der Klimareligion: Würden wir Europäer weniger mit dem Auto fahren, dann wäre die jüngste Hochwasserkatastrophe ausgeblieben. Beides tut der menschlichen Psyche zwar gut, die immer etwas vermeintlich Zweckdienliches tun will. Beides ist aber völlig sinnlos.
Der liebe Gott kümmert sich bestimmt nicht um jedes Gewitter; und eine Klimaerwärmung gibt es wie am Ende jeder Eiszeitperiode, unabhängig davon, ob nun die Europäer Auto fahren, im Winter einheizen und im Sommer Klimaanlagen in Betrieb haben oder nicht. In der gleichen Manie, mit der einst manche Prediger Dürren und Pest als Strafen für menschliche Gottlosigkeit gegeißelt haben, meinen heute Klimagläubige, dass der Mensch an der Erwärmung schuld sei. Sie übersehen dabei bloß, dass sich auch ihre eigenen CO2-Global-Warming-Hypothesen auf das Klima der ganzen Welt beziehen, welches aber durch den lediglich achtprozentigen Anteil der Europäer am Weltenergieverbrauch fast gar nicht beeinflusst werden kann, selbst wenn ihre beweisfreien Modelle stimmen würden. Und sie haben schon gar keine brauchbare Erklärung dafür, warum es einst völlig emissionsfreie Zeiten gegeben hat, in denen dennoch auf Pasterze und Grönland das gesamte Eis weggeschmolzen ist.
Aber die Prediger der Global-Warming-These haben dasselbe geschafft wie die Prediger in Mittelalter und Neuzeit. Sie haben einen Schuldigen gefunden, der an allem Unheil durch eine Naturkatastrophe schuld ist: nämlich wir alle durch unsere sündhaftes Verhalten (zugegeben, diese Prediger sind noch immer besser als jene, die einen Sündenbock zum Schuldigen erklären: einst waren das die Juden oder die wie immer definierten "Hexen"; heute sind das Bill Gates, irgendwelche Geheimdienste oder die "Bilderberger", die sich angeblich die Corona-Katastrophe ausgedacht haben).
Gewiss: Das Kausalitätsdenken, das genaue Forschen nach einer Ursache, wenn wir eine Wirkung sehen, ist eine große Leistung des menschlichen Geistes. Es hat Wissenschaft und Technik unglaublich vorangebracht. Das rechtfertigt aber überhaupt nicht die zahllosen (sich oft als "wissenschaftlich" tarnenden) Verschwörungstheorien in all jenen Bereichen, wo seriöses Fragen noch zu keinen gesicherten Antworten geführt hat. Wie es etwa die These vom menschengemachten Klimatod der Erde ist.
Und das rechtfertigt schon gar nicht den sich immer mehr breitmachenden Glauben, dass jedes Unheil verhinderbar wäre, und dass immer jemand schuld sein muss, wenn doch etwas passiert. Wir können in Wahrheit jedoch immer nur die Wahrscheinlichkeiten dafür reduzieren, dass eine Naturkatastrophe schlimme Folgen hat.
Gewiss, wäre der Hochwasserschutz der Salzburger Stadt Hallein rechtzeitig gebaut worden, hätten etliche Schäden verhindert werden können. Aber auch das kann nicht bedeuten, dass man sämtliche Alpenflüsse Österreichs quasi mit hohen Mauern einfrieden sollte, damit nur ja nichts passiert. Und es ist gut, dass es da auch Gegenströmungen gibt, die für die Naturlandschaft kämpfen. Ganz abgesehen von den Folgen eines Hochwasserschutzes, der alle Alpenbäche zu Kanälen verwandelt, die ihre Wassermassen bei starkem Regen blitzschnell Richtung Donau oder Rhein oder Elbe schicken. Denn das würde dann weiter unten die Hochwässer in den großen Strömen noch viel schlimmer machen.
So richtig es ist, über kluge Reduktion von Risken nachzudenken, so falsch ist es, den Menschen einen Glauben an die Herstellbarkeit absoluter Sicherheit einzuimpfen. Die gibt es nicht. Daher ist der von vielen Politikern erweckte Eindruck, der Staat könne die Bürger gegenüber allen Risken schützen (natürlich nur, wenn man sie wählt), geradezu kontraproduktiv. Dieses Versprechen kann der Staat gar nicht einhalten. Jedoch verleitet der Glaube, er könnte es doch, immer mehr Menschen dazu, auf alles für sie selbst Mögliche zur Erhöhung der eigenen Sicherheit zu verzichten, sobald es anstrengend oder unangenehm ist.
Es gibt bei manchen Verkehrsunfällen wirklich keinen Schuldigen, auch wenn Anwälte und Richter begeistert nach einem solchen jagen. Und schon gar nicht gibt es einen solchen bei allen Naturkatastrophen – so tragisch sie oft sind. Auch wenn die Medien so gerne einen hätten, um ihn dann lustvoll zu kreuzigen.
Das Bewusstsein, dass es ein Leben ohne Risiko nicht gibt, enthebt freilich nicht der Solidaritätspflicht, jenen zu helfen, die überdimensioniert zu Opfern geworden sind. Durch aktuelle Nothilfe, bei der sich gerade wieder viele alpine Österreicher auszeichnen, aber auch durch staatlichen Ersatz für erlittene Großschäden. Bei dieser Hilfe gilt es aber freilich immer, das richtige Maß zu finden, und nicht überdimensioniert zu helfen und so die Eigenverantwortung zu töten.
Hilfe sollte daher immer nur soweit gehen, dass: