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Ist diese Ministerin noch tragbar?

Österreich hatte noch nie eine so parteiische Justizministerin, die sich zwar verbal ständig scheinheilig als Wächterin des Rechtsstaates gibt, die aber keine Sekunde so agiert, als würde sie das ernst meinen. Zu Recht hat sie ihre persönliche Glaubwürdigkeit verloren, wie auch der krasse Gegensatz ihres jetzigen Geredes zu früheren Zitaten der gleichen Alma Zadic eindeutig beweist. Gleichzeitig ist eindeutig: Ihre "Rechtsstaats"-Rhetorik läuft im Ergebnis auf eine Pervertierung des Rechtsstaates hinaus.

Man glaubt es kaum: Dieselbe Person, die jetzt täglich als flammende Apologetin der Korruptionsstaatsanwaltschaft auftritt, hat vor zwei Jahren (zusammen mit ihrem damaligen Parteifreund Peter Pilz) wörtlich geschrieben, dass die "WKStA ihre Sorgfaltspflichten in mehrfacher Hinsicht … verletzt hat". Und dass bei einer Hausdurchsuchung "auch durch mangelnde Kontrolle durch die WKStA Daten und Datenträger mit sensiblen Informationen … beschlagnahmt und ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen … abtransportiert wurden" (der eigentümlich holprige Sprachstil ist O-Ton).

Wer es nicht glaubt, lese das selber nach, was Zadic 2019 im Schlussbericht ihrer Fraktion über den sogenannten BVT-Untersuchungsausschuss wörtlich zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geschrieben hat. Heute hingegen behauptet die gleiche Dame fast im Tages-Staccato: "Die sich wiederholenden und unqualifizierten Angriffe auf die Justiz und insbesondere die WKStA sind inakzeptabel."

Ach, Frau Zadic, sind wir dann vielleicht selber inakzeptabel? Hängen wir unsere Meinungen – nicht nur zur WKStA – in einen ständig wechselnden Wind parteipolitischer Wadlbeiß-Opportunität? Sollten Sie aber diese Fragen mit den bei Ihnen üblichen Empörungsritualen zurückweisen, dann müssen Sie einfach bei dem bleiben, was ihre Worte schon damals bedeutet haben: Ja, die WKStA ist wirklich eine katastrophale Organisation, die sich ihrer Verantwortung in keiner Weise bewusst ist, deren einziges Motto ist, der ÖVP zu schaden.

Man darf die Ministerin an ein grundsätzliches Prinzip erinnern, das sie vielleicht bei ihrem Studium nicht mitbekommen hat: Es ist absolut KEINE Verletzung des Rechtsstaats, jemandem – einer Person oder einer Organisation – eine Rechtsverletzung vorzuwerfen. Es wäre im Gegenteil rechtsstaatswidrig, wenn man das nicht dürfte, egal ob sich der Vorwurf gegen einen Obdachlosen oder einen Staatsanwalt richtet. Wäre dadurch der Rechtsstaat verletzt, dann wäre ja die gesamte Tätigkeit der Staatsanwaltschaft eine Verletzung des Rechtsstaates. Auch deshalb, weil ein Großteil der Personen nie rechtskräftig verurteilt wird, denen die Staatsanwaltschaft oft jahrelang vor aller Öffentlichkeit eine Rechtsverletzung vorwirft, ohne ihnen nachher Schadenersatz zu leisten. Was gerade bei der WKStA besonders häufig der Fall ist.  Staatsanwälte schreiben bei ihren Attacken auf schuldlose Bürger nicht einmal das formelhafte "Es gilt die Unschuldsvermutung" dazu.

Daher kann man es nur als müden Scherz werten, wenn Zadic und die Staatsanwälte blauäugig beteuern, dass sie ja per Gesetz theoretisch dazu verpflichtet wären, schon vor dem Prozess Schuld und Unschuld eines Beschuldigten objektiv abzuwägen. Und dass sie genauso dazu verpflichtet wären, Anzeigen sofort zurückzulegen, denen es an juristischem Substrat fehlt.

Beides tun sie aber praktisch nie, wenn sich die Anzeigen gegen ÖVP- oder FPÖ-Politiker richten.

Es ist daher auch kein valides Argument zur Verteidigung der Staatsanwälte, einfach nach Zadic-Art zu sagen: Dass nicht sein kann, weil es ja nicht sein darf. Auch Morde sind verboten und passieren dennoch immer wieder.

Eine weitere prominente Stimme übt jetzt qualifizierte Kritik an der Staatsanwaltschaft und verlangt nach deren Kontrolle. Sie stammt von Bernhard Fink, dem Vizepräsidenten der österreichischen Rechtsanwaltschaft. Klarer kann man es nicht sagen als er: "Denn insgesamt darf es keinen Staat im Staate geben, der dem Volk keine Rechenschaft schuldet."

Fink weist auch klar die Versuche der Justizministerin zurück, den Anwälten der Beschuldigten die Schuld an den ständigen Leaks und am rechtswidrigen Öffentlichwerden streng vertraulicher Akteninhalte der Staatsanwaltschaft zuzuschieben. "Wenn versucht wird, Rechtsanwälte für ,Aktenleaks‘ verantwortlich zu machen, so ist dies zum Scheitern verurteilt und geht auch am Problem vorbei. Kein Verdächtiger hat nämlich ein Interesse, dass zB noch am Tage einer Hausdurchsuchung darüber medial berichtet wird."

Diese zwingende Logik müsste eigentlich auch Nichtjuristen einleuchten: Die Rechtsanwälte wären ein krimineller Haufen – und auch Feinde des eigenen Honoraranspruchs –, würden sie tatsächlich, wie immer wieder von Zadic insinuiert, reihenweise ihre eigenen Klienten schwer schädigen und an die Medien verraten.

In Wahrheit haben ganz offensichtlich Journalisten sogar schon deutlich vor einer Hausdurchsuchung (von der die Rechtsanwälte naturgemäß nichts erfahren) von ganz anderer Seite Informationen über diese bekommen. Das interessiert die Justizministerin jedoch alles offensichtlich überhaupt nicht, während sie hingegen den letzten nicht-linken Sektionschef des Justizministeriums genau wegen eines solchen Vorwurfs suspendiert hat.

Dieser Vorwurf des Verrats einer solchen Hausdurchsuchung durch Pilnacek ist inzwischen von unabhängigen Richtern widerlegt worden, weil der Sektionschef überhaupt erst nach der Durchsuchung von dieser erfahren hat. Darauf hat Zadic – nächster Akt ihrer Infamie – schnell andere Beschuldigungen gegen Christian Pilnacek nachgeschoben, wie etwa, dass er in einem persönlichen Mail von einem Putschversuch der WKStA gesprochen hat. Wofür es zweifellos gute Gründe gibt, die nur Zadic nicht sehen will.

Zurück zum Rechtsanwälte-Vizechef Fink: Dieser kritisiert auch scharf die 2008 unter Rot-Schwarz beschlossene Formulierung (im Artikel 90a der Bundesverfassung), wonach Staatsanwälte "Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit seien". Das "ist unschlüssig und verfassungsrechtlich nicht durchdacht". Diese Regelung "lässt aus Sicht der Gewaltenteilung (zu) viele Interpretationsmöglichkeiten zu und schafft mehr Probleme, als gelöst werden." Eine Verfassungsbestimmung ohne Konzept sei in sich widersprüchlich, " … denn nur die unabhängigen Richter sind Organe der Gerichtsbarkeit, nicht allerdings die Staatsanwälte".

Aber genau auf diese rätselhafte Formulierung bauen die Staatsanwälte, wenn sie sich ständig als den Richtern gleichwertiger Teil der verfassungsrechtlich unabhängigen Justiz und des Rechtsstaates auszugeben versuchen.

Noch heftiger tadelt Fink "die sogenannten ,Stempelbeschlüsse‘ bei der Genehmigung von Hausdurchsuchungen durch das Gericht". Sie seien "rechtsstaatlich ein Unding. Sie gehören dringend aus der Rechtspraxis ausgeschieden und durch Beschlüsse auf der Basis eigener richterlicher Überlegungen ersetzt." Bei diesen Beschlüssen stempeln Richter buchstäblich über Nacht so gut wie alle Anträge von Staatsanwälten zu Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen ab. Da kann gar keine rechtliche Prüfung stattfinden.

Doch Frau Zadic interessiert sich nicht für solche und viele andere qualifizierte rechtliche Argumente und Vorwürfe. Sie agiert einzig und allein wie eine Pressesprecherin der WKStA und Interessenvertreterin der Linksparteien bei ihrer Jagd auf ÖVP und FPÖ, bei der die WKStA eben eindeutig eine Speerspitze darstellt. So wirft die Ministerin ungeklärter Religionszugehörigkeit auch wahrheitswidrig dem eigenen Koalitionspartner "unsubstantiierte öffentliche Angriffe" auf die Justiz vor. Das tat Zadic etwa neuerlich in einer Aussendung vom 10. Juni. Dabei haben ÖVP-Abgeordnete schon am 7. Mai(!) eine erste konkrete Anzeige gegen die WKStA und die ihr vorgesetzte Oberstaatsanwaltschaft eingebracht gehabt. Also mehr als ein Monat vor dem Vorwurf der Ministerin! In der Folge gab es auch einige weitere.

Diese Anzeige vom 7. Mai richtete sich insbesondere dagegen, dass diese beiden Staatsanwaltschaften höchstpersönliche Kommunikationen an den parlamentarischen U-Ausschuss geliefert haben, die nicht einmal im Entferntesten etwas mit dessen Untersuchungsgegenstand zu tun haben. Dabei geht es um Chats, die durch eine Sicherstellung erlangt worden seien und damit eigentlich der Amtsverschwiegenheit unterliegen müssten.

Was die (juristisch nach wie vor unbeholfene) ÖVP nicht in ihre Anzeige geschrieben hat, was aber die Staatsanwälte und die Ministerin bei zumindest minimaler Rechtskenntnis selbst wissen müssten: Auch diese "Sicherstellungen" waren schon rechtswidrig und eine eindeutige Verletzung der Judikatur des EU-Gerichtshofs der solche Beschlagnahmen elektronischer Kommunikationen nur bei schweren Verbrechen zulässt.

Eine andere (von wem auch immer) eingebrachte Anzeige richtet sich gegen ein – mutmaßliches – Delikt, das schon im sogenannten Grasser-Prozess bekanntgeworden ist: Die Staatsanwaltschaft habe einer glaubwürdigen Aussage zufolge im Vorfeld massiven Druck auf einen Beteiligten ausgeübt, gegen Grasser auszusagen, andernfalls werde gegen den Befragten selber unter anderem mit willkürlichen Handyauswertungen vorgegangen. Das ist ein weiterer gravierender Vorwurf gegen die WKStA, der eigentlich längst von amtswegen – durch Richterin wie durch Staatsanwälte des ja in vielerlei Hinsicht extrem merkwürdigen Grasser-Prozesses! – aufgegriffen hätte werden müssen, aber nicht worden ist.

Auch Zadic hätte von sich aus auch wegen dieser Pflichtversäumnis genauso wie wegen der unzähligen Leaks selbst aktiv werden müssen, nachdem dieser ungeheuerliche Vorwurf gegen ihre Staatsanwälte in allen Zeitungen zu lesen gewesen ist, die über den Grasser-Prozess berichtet haben. Und jedenfalls hätte Zadic nicht ständig wahrheitswidrig behaupten dürfen, dass es nur politische Vorwürfe, aber keine konkreten Anzeigen gegen die WKStA geben würde.

Infam ist aber auch, dass Zadic immer wieder von Angriffen auf "die Justiz" und "den Rechtsstaat" spricht, obwohl es nur Angriffe gegen einen sehr konkret genannten Teil der Staatsanwaltschaft gegeben hat, aber nie gegen Richter, die eigentlichen Träger der Justiz. Das ist so, als würde behauptet, dass man alle Minister als unfähig bezeichnet, nur weil man diesen Vorwurf gegen eine einzige aus ihren Reihen erhoben hat.

In ihren ganzen Schwurbel-Argumentationen hat Frau Zadic nur in einem recht: Der Vorwurf der politischen Motivierung einzelner Staatsanwälte sei "brandgefährlich". Ja, das ist er. Auch deshalb, weil diese politische Motivierung in den letzten Wochen und Monaten der ganzen Nation sichtbar geworden ist. Daher ist es freilich völlig falsch, was Zadic im gleichen Atemzug hinzufügt: Dieser Vorwurf sei "aufs schärfste zurückzuweisen".

Nein, keineswegs, Frau Minister! Der Vorwurf sei nicht einfach – und schon gar nicht aus parteipolitisch-ideologischem Interesse – zurückzuweisen, sondern ganz im Gegenteil penibel zu prüfen. Eben weil er so brandgefährlich ist!

Daher wäre es wirklich das einzige und letzte Mittel, wie Zadic ihre Reputation und Tauglichkeit als Ministerin noch retten könnte, wenn sie zusammen mit der ganzen Regierung jetzt eine umfassende und völlig unabhängige Untersuchung all der Vorgänge in der Staatsanwaltschaft beschließen sollte, einschließlich ihrer eigenen Rolle dabei (wohlgemerkt: eine seriöse Untersuchung, nicht ein Jahrmarktstribunal nach Art des Parlamentsausschusses). Sonst kann es für sie nur eines geben: einen dringend fälligen Rücktritt.

PS: Als allerjüngstes Sahnehäubchen ihrer Skandalpolitik will Zadic nun die Abschiebungen von abgelehnten Asylwerbern nach Afghanistan noch mehr behindern, als es der Verfassungsgerichtshof ohnedies schon ständig tut. Man lernt: Ganz offensichtlich haben wir in ihren Augen noch deutlich zu wenige Moslems im Land.

PPS: Und zum Abschluss noch eine Heimdenkaufgabe für die Dame mit großer Flexibilität beim Parteienwechseln: Warum nur fühlen sich immer mehr Österreicher bei den Vorgängen in der hiesigen Staatsanwaltschaft an die Vorgänge in Belarus, Myanmar, Hongkong und Russland erinnert? Dort überall agieren die Staatsanwälte als parteitreue Werkzeuge und Schergen bei der Verfolgung politisch Missliebiger. Lediglich in Nordkorea und Kuba laufen die Dinge anders: Dort macht man sich gar nicht mehr die Mühe aufwendiger strafrechtlicher Scheininszenierungen …

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