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Pamela Rendi-Wagner löst nur noch ein Gefühl aus: Mitleid. Dabei strengt sie sich doch so brav an. Dabei lässt sie doch so schöne Schönphotos von sich plakatieren. Dabei beschimpft sie die ÖVP doch so heftig, dass es heftiger gar nicht geht. Dabei hat sie zusammen mit ihren Gestalten im U-Ausschuss und ihren Verbündeten in der Staatsanwaltschaft doch schon fast jeden Tag eine neue Attacke auf die ÖVP geritten, ohne Genierer private Mails an die Öffentlichkeit spielen und anonyme Anzeigen erstatten lassen. Dabei macht sie doch bei jedem Gender-, bei jedem Migranten-Willkommen-, bei jedem Black-Lives-Matter-, bei jedem Schwule-Mattern-Noch-Mehr-Appell tapfer mit. Dabei lässt sie fast keinen Tag aus, um eine neue milliardenschwere Forderung zu präsentieren, sodass sich eigentlich jeder Österreicher als potenzieller Mehrfachprofiteur des kommenden sozialistischen Schlaraffenlandes sehen musste (zumindest wenn er des Rechnens unfähig ist). Rendi hat wirklich alles getan, was einem Sozialdemokraten im Jahr 2021 noch einfallen kann. Und dann das.
Dann aber hat sie der SPÖ-Parteitag trotz all ihres Bemühens lediglich mit 75 Prozent als Parteivorsitzende bestätigt. Bei einer solchen Wahl ohne Gegenkandidaten ist das völlig ungewöhnlich. In einer Partei des – einstigen – Kadavergehorsams noch viel mehr.
Aber es ist eine Partei, die heute geradezu auseinanderfällt. Das wird fast noch mehr als durch das Rendi-Wahlergebnis durch das Desinteresse der Parteitagsdelegierten demonstriert: Bald nach der Wahlohrfeige war nämlich nicht einmal mehr die Hälfte der Delegierten anwesend, obwohl es eigentlich um kontroversielle Anträge gehen sollte. Das schöne Wetter oder das spätere Fußballspiel Dänemark-Wales haben mehr interessiert als die Partei, obwohl man erstmals nach Corona wieder physisch zusammentreffen konnte. Möglicherweise wollten die Genossen auch schon lange wieder daheim sein, wenn am Abend dann das Österreich-Spiel beginnen sollte. Niemand kommt mehr auf die Idee, dass man sich etwa so wie früher die Spiele im Zeichen der Partei-"Freundschaft" gemeinsam anschauen könnte.
Einer solchen Partei kann man nur noch den Rat mitgeben: Der Letzte möge nicht vergessen, das Licht abzudrehen.
Wenn man die größere historische Brille aufsetzt, kann man freilich gelassen konstatieren: Die Babenberger sind im 13. Jahrhundert ausgestorben. Die Habsburger-Monarchie ist im 20. Jahrhundert kollabiert. Da ist es für die Geschichte nur noch eine Fußnote, wenn im 21. Jahrhundert eine Oppositionspartei kollabiert. Auch wenn sich diese noch vor nicht allzulanger Zeit marxistisch als "Partei im historischen Sinn" aufgeplustert hat.
Die SPÖ im Jahr 2021 ist nur noch ein Schatten jener Partei, die einst Werner Faymann beim Maiaufmarsch auf dem Wiener Rathausplatz aus dem Amt gepfiffen hat. Dabei hatte dieser Faymann auf den davor abgehaltenen SPÖ-Parteitagen noch deutlich mehr Stimmprozente als seine Nachnachfolgerin jetzt bekommen.
Man glaubt es kaum: Das ist nur fünf Jahre her. Vor fünf Jahren haben manche Sozialdemokraten noch geglaubt, dass eine Revolte der Partei noch einmal Sinn einflößen könnte. Fünf Jahre später ist nur noch Frust, Perspektiven- und Sinnlosigkeit da. Frust über die Parteichefin, aber in Wahrheit vor allem über die Agonie einer sterbenden Partei.
Für Rendi-Wagner selbst dürfte die "Messe Wien", wo sich die Genossen getroffen haben, zu ihrem Rathausplatz geworden sein. So wie damals Faymann nach dem Pfeifkonzert ist nun auch Rendi ab jetzt nur noch eine "Lame Duck", eine Politikerin, der das politische Ende in die Stirn gebrannt ist.
Die Ursachen liegen auf zwei Ebenen: Die eine ist die der Person Rendi; die andere ist die Lage der Sozialdemokratie als Ganzes.
Ein sozialdemokratischer Freund hat die persönliche Dimension so auf den Punkt gebracht: "Sie bemüht sich so brav, sie will in allem und jedem Perfektionismus liefern, aber sie kann es einfach nicht; ihr fehlt die Ausstrahlung der Leadership."
In der Tat: Man kann sich Rendi-Wagner zwar als gute Gesundheitsministerin vorstellen, als eine bessere denn viele, denn alle der letzten Jahre. Aber niemals als Bundeskanzlerin.
Sie ist aber auch an den starken Männern der SPÖ in den Bundesländern gescheitert. Gerade an den beiden erfolgreichsten in einer ansonsten sehr erfolgsarm gewordenen Partei. Der Burgenländer Doskozil ist sogar in direkte Konfrontation zu ihr gegangen, er hat offen seine Verachtung für sie gezeigt. Es ist Rendi nie gelungen, ihn zur Einordnung zu bewegen – und schon gar nicht zum Rücktritt. Der Wiener Ludwig tritt zwar nach außen völlig loyal auf, er verkörpert aber durch jeden seiner Auftritte die nonverbale Botschaft: Ich kanns besser. Ludwig tut dies wahrscheinlich sogar unabsichtlich, weil er kein Interesse an einem baldigen Abgang Rendis hat, weil er keineswegs Bundesparteichef werden will. Zumindest derzeit nicht, ist doch das Rathaus viel angenehmer.
Rendi ist aber noch viel mehr an den Wählern gescheitert. Auch wenn die SPÖ in den letzten Monaten ein paar Prozentpunkte zugelegt hat, so ist die Entwicklung der SPÖ-Fieberkurve insgesamt für sie katastrophal. Seit Rendis Amtsantritt hat die SPÖ trotz der großen Unterstützung durch den ORF, etliche andere parteifinanzierte Medien und Teile der Justiz nie mehr die Umfragewerte erzielen können, die sie davor unter Christian Kern hatte. Dabei war ja auch der alles andere als ein Winner.
Noch ernüchternder für die Rendi-SPÖ ist die auffallende Tatsache, dass die Werte der Partei vor Veröffentlichung der Ibiza-Lauschvideos besser waren als danach und seither. Dabei ist ja die Ibiza-Falle und die spätere Video-Veröffentlichung ganz eindeutig von einem kriminellen Netzwerk ausgegangen, das damit der SPÖ eigentlich helfen hat wollen, das eigentlich das genaue Gegenteil bewirken wollte als einen weiteren Abstieg der Partei.
Die jämmerliche Lage der SPÖ unter Rendi-Wagner zeigt sich aber auch darin, dass im Gegensatz zur Faymann-Dämmerung weit und breit niemand mehr in den Kulissen steht, der nach der Parteiführung strebt. 2016 gab es hingegen noch zwei Genossen, die Faymann beerben wollten. Neben Kern hat damals der einstige Sinowatz-Kofferträger und ORF-Chef Gerhard Zeiler Ambitionen gezeigt. Heute ist niemand mehr an dem Job interessiert.
Das beweist: Das noch viel größere Problem als Rendi ist die Lage der Sozialdemokratie insgesamt. Diese ist nicht nur in Österreich, sondern europaweit orientierungslos geworden. Denn sie hat zwei ganz unterschiedliche Identitäten in ihrer Brust, die sich aber gegenseitig absolut nicht vertragen, die sich gegenseitig geradezu abstoßen. Dennoch glaubt die SPÖ seit vielen Jahren, beide Identitäten gleichzeitig verkörpern zu müssen. Und verliert gerade dadurch alle beide.
Die eine Identität ist die traditionelle einer Arbeiterpartei. Jedoch ist die Mehrheit der klassischen Arbeiterschaft heute nur noch für eine Partei der seriösen und staatstragenden Mitte zu gewinnen, weil sie ökonomisch und sozial heute durchaus viel mehr zu verlieren hat als ihre angeblichen Ketten. Diese Arbeiter sind in den Mittelstand aufgestiegen und damit in immer größerer Zahl zu Blau und Schwarz übergelaufen. Weil viele begriffen haben, dass ihre Zukunft und die ihrer Kinder von einer verantwortungsbewussten Staats- und Wirtschaftspolitik abhängen. Weil sie gesehen haben, dass bei den Sozialdemokraten die Arbeiter kaum mehr vorkommen, weil dort statt dessen die städtischen Möchtegern-Intellektuellen, die Bobos, die Studierten, die Feministen, die Schwulen-Apologeten, die Anti-Rassismus-Rassisten und vor allem die Wegbereiter der von den Arbeitern ganz besonders abgelehnten illegalen Migration das große Wort führen.
Diese Bobos-Biotope bilden heute die zweite Identität der Sozialdemokratie. Sie sind zwar lautstark, aber bei weitem nicht so groß, dass eine Partei davon gut leben könnte. Vor allem kann sie das dann schon gar nicht, wenn zweieinhalb weitere Parteien im gleichen Teich zu fischen versuchen. Vor allem die Grünen und die Pinken tun dies, aber auch Teile der ÖVP.
Dieses sozialdemokratische Dilemma ist kein österreichisches alleine. Die SPÖ könnte sich sogar damit zu trösten versuchen, dass es so manchen anderen einst stolzen und mächtigen Schwesterparteien noch viel schlechter geht, wie ein kurzer Rundblick zeigt.
Oder blicken wir auf jene vier Regierungschefs, die noch bereit waren, zum Parteitag Rendis Glückwünsche zu schicken.
Die Krise der internationalen Sozialdemokratie in einem Satz: Sie wird in einer Zange zerrieben, die auf der einen Seite aus grün-linksradikalen Parteien besteht, die den ganzen Gender/Rassismus/Schwulismus-Schwampf besser können als sie, und die auf der anderen Seite aus den rechtspopulistischen Parteien besteht, die direkt die einstigen Stammwähler der Sozialdemokraten gewinnen.
Keine guten Aussichten für Genossen europaweit.