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Sie sind liberal. Sie sind erfolgreich. Sie werden aber – genau deshalb – von den Mainstream-Medien in Westeuropa und vom EU-Parlament wild denunziert. Dabei ist die Entwicklung der mittelosteuropäischen Reformländer in den drei Jahrzehnten der Freiheit nach vier Jahrzehnten kommunistischer Diktatur die wohl größte europäische Erfolgsgeschichte der jüngeren Vergangenheit. Ob sie nun Ungarn oder Tschechien oder Polen oder Slowenien oder Slowakei heißen.
Das ist für Österreich freilich weniger erbaulich. Denn die Alpenrepublik kann dadurch von Jahr zu Jahr weniger ein Wohlstandsgefälle gegenüber diesen Nachbarländern ausnutzen. Was es ja lange von den Pflegerinnen bis zu den Bauarbeitern in hohem Ausmaß getan hat. Aber neue Arbeitskräfte kommen kaum mehr nach. Es zahlt sich für sie nicht mehr aus, die Heimat zu verlassen. Nachschub für diese Berufe muss Österreich schon in Rumänien oder in Nicht-EU-Ländern wie der Ukraine, Bosnien oder Moldawien suchen.
Die Umkehrung der Relation merkt man auch an der obersten Einkommensspitze. Zwei besonders spektakuläre Fälle kommen aus Tschechien. Einer tschechischen Unternehmergruppe ist es (mit Hilfe der österreichischen Staatsanwaltschaft) gelungen, die Kontrolle über den österreichischen Glücksspielkonzern Casinos Austria zu erlangen. Und ein weiterer tschechischer Investor ist gerade dabei, zu einem Haupteigentümer des großen österreichischen Immobilienkonzerns Immofinanz zu werden (der nicht nur durch den Buwog-Deal bekannt geworden ist).
Praktisch alle Osteuropäer profitieren heute von einer sehr akzentuiert freien Marktwirtschaft also einer ohne sozialistische Einschränkungen. Sie profitieren davon, dass sie viel liberalere Staatswesen geworden sind als jene im überregulierten und unter den zu groß gewordenen Wohlfahrts-Lasten stöhnenden Westeuropa. Und überdies profitieren sie davon, dass sie trotz des heftigen Druckes aus Österreich und Deutschland nicht ihre Atomkraftwerke abgebaut haben, sondern diese zum Teil sogar ausbauen. Angesichts der Strom-Zukunft in Deutschland, das alle Atom- wie Kohlekraftwerke abbaut, werden die osteuropäischen Atomstromexporte zum Goldstrom für diese Länder werden.
Speziell Ungarn entwickelt sich zu einem wirtschaftlich extrem spannenden Standort. Im Grund ist jeder Unternehmer ein schwachsinniger Feind seines eigenen Geldes, wenn er noch in Österreich aktiv ist, wo er bei höherem Einkommen 55 Prozent Einkommensteuer zahlen muss, während er in Ungarn eine "Flat Tax" von nur 15 Prozent zahlen muss, also einen Steuersatz, der immer gilt, wie viel jemand auch verdienen mag. Und die Körperschaftssteuer (also die Unternehmenssteuer vor Ausschüttungen an die Eigentümer) beträgt gar nur 9 Prozent, während sie in Österreich generell 25 Prozent ausmacht, wobei hier selbst bei Ausbleiben eines Einkommens eine Mindestkörperschaftssteuer zu zahlen ist.
Zwar strebt US-Präsident Joe Biden jetzt eine globale Vereinbarung über eine drastische Erhöhung der Mindeststeuern an, um sein gigantisches Billionen-Ausgabeprogramm finanzieren zu können. Es ist aber zweifelhaft, ob er damit global durchkommt, auch wenn die westeuropäischen Hochsteuerländer über seinen Vorschlag jubeln. Denn die Osteuropäer wissen sehr genau, dass sie einen guten Teil ihres steilen Aufstiegs den – nicht nur in Ungarn – niedrigen Steuersätzen zu verdanken haben. Aber auch in den USA wird Biden nur sehr schwer im Kongress eine Mehrheit für Steuererhöhungen bekommen.
In Österreich gibt es kaum eine Diskussion darüber, dass die Steuersätze zu hoch sind. Bei der ÖVP taucht zwar hie und da der Wunsch nach Steuersenkungen auf, aber es wäre vermessen zu sagen, dass ihr das wirklich ein prioritäres Anliegen ist. Bei der FPÖ sind seit den Zeiten Jörg Haiders solche Diskussion überhaupt nicht mehr geführt worden. Und Rot und Grün sind sowieso vehemente Befürworter noch höherer Steuern.
Es ist daher absolut absurd, Ländern wie Ungarn abzusprechen, dass sie liberal sind. Sie sind sogar um Eckhäuser liberaler als die westeuropäischen Länder. Für die wenigen wirklich liberalen Politiker im Westen, wie etwa jene der deutschen FDP, wären Steuersätze wie in Ungarn Weihnachten, Silvester, Geburtstag und Hochzeitstag gleichzeitig. Sie wagen aber gar nicht mehr, solche Wünsche auch nur laut auszusprechen.
In Ungarn gibt es auch über die (ebenso in anderen mittelosteuropäischen Ländern eingeführte) Flat tax hinaus noch andere nachahmenswerte Regelungen. So brauchen dort wie in Polen Menschen vor ihrem 25. Geburtstag künftig überhaupt keine Einkommensteuer zu zahlen, was ihnen die Gründung von Familien oder Start-Up-Unternehmen erleichtern wird. So wird Frauen mit vier Kindern die Einkommensteuer ganz erlassen. So gibt es überaus großzügige Förderungen für Familien, wenn sie sich ein Haus oder ein familiengerechtes Auto kaufen. So ist Ungarn mit einer Familienförderung von 5 Prozent des BIP das kinderfreundlichste Land der Welt (wodurch das Land in der Tat eine überdurchschnittliche Steigerung der Kindergeburten erreicht hat).
Aber wie kann man nur Ungarn loben, werden nun mache sagen! Dreht es doch gerade Rechtsstaat und Demokratie ab, wie man regelmäßig von Linkspolitikern im EU-Parlament hören kann!
Diese Vorwürfe sind freilich infamer Nonsens. Was sich an vielen Fakten zeigen lässt. Um beim gravierendsten zu beginnen: Es gibt weder in Ungarn noch in einem der anderen postkommunistischen Staaten politische Häftlinge – in einem westlichen EU-Land hingegen sehr wohl, nämlich in Spanien. Aber ohne dass das EU-Parlament oder der EU-Gerichtshof dort protestiert hätte.
In Ungarn gibt es im Gegensatz zur Behauptung einer Abschaffung der Medienfreiheit auch sehr wohl jede Menge oppositioneller Medien. Dass es viele sind, hat man unlängst auch daran sehr konkret merken können, als gleichzeitig mit einer neuen Welle von Klagen linker EU-Plattformen über das angeblich Ende der Pressefreiheit in Ungarn gleich 28 sich als unabhängig bezeichnende ungarische Medien einen Protestbrief gegen die Regierung veröffentlicht haben.
Das beweist ziemlich klar, dass es zumindest 28 regierungskritische Medien in Ungarn gibt. Dieses Faktum ist auch dadurch nicht aus der Welt zu schaffen, dass im Vorjahr eine regierungskritische Radiostation ihre Lizenz verloren hat, weil sie laut Gerichtsurteil gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat.
Interessant ist aber auch, worüber sich die 28 beschwert haben: nämlich darüber, dass Journalisten während der Corona-Pandemie das Betreten von Spitälern verboten worden ist. Das ist nun ein Verbot, dessen Sinn die allermeisten Menschen als sehr einleuchtend empfinden. Offenbar kann man aber Orbán nichts Schlimmeres vorwerfen, als diese in Pandemiezeiten durchaus verständliche Maßnahme.
Ernster zu nehmen ist allerdings, dass regierungsfreundliche Medien von regierungsfreundlichen Unternehmern überproportional mit Inseraten finanziert werden. Das stinkt ein wenig. Jedoch: Es ist eine Infamie, wenn dieser Vorwurf ausgerechnet von österreichischen Journalisten erhoben wird. Denn hier passiert dasselbe in noch viel größerem Umfang. Noch dazu nicht durch selbständige Unternehmer, sondern durch Steuergelder, die von Politikern freihändig an ihnen wohlwollend gegenüberstehende Medien vergeben werden. Für Inserate. Für "Kooperationen".
Dabei hat sich die jetzige Bundesregierung vor allem im letzten Jahr mit Corona-Inseraten unrühmlich hervorgetan. Es ist mehr als fragwürdig, ob die alle wirklich einen Informationswert hatten. So sehr in Zeiten der Pandemie auch die Intensivierung der Regierungsinformation zweifellos legitim und notwendig gewesen ist, so sind jedenfalls Inserate mit dem bloßen Wort "Danke" ein reiner Hohn.
Fast genauso schlimm haben es auch die Freiheitlichen getrieben, als sie in der Regierung waren. Das wurde jetzt insbesondere durch die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl offenkundig, die davon berichtete, wie der FPÖ-Obmann H.C. Strache sie unter Druck gesetzt hatte, aus parteipolitischen Gründen (und nicht zu irgendwelchen Informationszwecken) mehr Inseratengeld an Zeitungen und andere Medien fließen zu lassen.
Insgesamt noch schlimmer treiben es die Bundesländer, mit der Gemeinde Wien an der in jeder Hinsicht unrühmlichen Spitze. Beim Wiener Rathaus hat sich auch durch die jeweiligen Koalitionspartner nichts zum Besseren geändert, ob die nun schwarz, grün oder pink gefärbt waren.
Aus all diesen Gründen sind all die von den diversen linken Plattformen gegen Ungarn gerichteten Attacken nur lächerlich.
Eine ganz andere, viel problematischere Frage ist die außenpolitische Orientierung Ungarns. vor allem Richtung China:
Nun sind zweifellos chinesische Unis in mancherlei Disziplinen exzellent. Nun hat gewiss jedes EU-Land selbst das Recht zu entscheiden, ob es bei EU-Resolutionen mitzieht. Nun ist absolut nachvollziehbar, dass Ungarn angesichts seiner sehr schlechten Corona-Zahlen und der monatelangen EU-Verspätung nach jedem verfügbaren Impfstoff gegriffen hat.
Aber dennoch ist die Summe dieser Signale Richtung China besorgniserregend. Sie fällt umso mehr auf, als China sich in den letzten Jahren schon eine Reihe anderer Länder gekauft hat – entweder "nur" wirtschaftlich unter dem Vorwand "Neue Seidenstraße" oder auch politisch. Es wäre angesichts der dramatisch negativen Entwicklung in China selbst absolut unerfreulich, sollte sich Ungarn zu einem Einfallstor für China in der Mitte Europas entwickeln.
Eine solche Politik Ungarns wäre freilich politisch nicht ganz unverständlich. Angesichts der ständigen politischen Provokationen der von der Merkel-CDU und Figuren wie Othmar Karas unterstützten Linken gegen Ungarn ist es naheliegend, dass der politische Vollprofi Viktor Orbán dann halt Kontakte außerhalb der EU sucht. Was er auch mehrfach versucht hat:
In der Innenpolitik muss sich Orbán nächstes Jahr Wahlen stellen. Gegen ihn hat sich eine extrem seltsame Bilanz formiert: Alle Linksparteien, ob rot, ob grün, ob linksliberal, ob postkommunistisch, bilden dabei eine enge Allianz mit der zum Teil offen antisemitischen Jobbik-Partei. Die Jobbik-Partei steht ganz eindeutig weit rechts von FPÖ oder AfD – dennoch kritisieren weder die roten, noch die grünen, noch die gelb-pinken Parteiverbände in der EU eine Kooperation ihrer Schwesterorganisationen mit dieser Partei. Bei AfD und FPÖ bekommen sie hingegen sofort Schaum vor dem Mund.
Ziemlich widerlich, wenn man das Verhalten dieser Parteiverbände gegenüber Ungarn mit jenem gegenüber den beiden rechtspopulistischen Parteien im deutschen Sprachraum vergleicht. Die Lehre daraus ist eindeutig: Es geht ihnen bei ihrem "antifaschistischen" Gelabere rein um parteitaktische Spielchen.
Dieses Spiel wird ihnen freilich durch Orbán selber erleichtert, der den Fehler begangen hat, seine Politik als "illiberal" zu bezeichnen. Dabei ist sie ja, wie oben gezeigt, näher zum klassischen Liberalismus, zu den liberalen Obergöttern Hayek und Friedman, als die irgendeines westeuropäischen Landes.
Orban hat sich mit diesem Ausdruck eigentlich von seinen linksliberalen Gegnern in Ungarn abheben wollen. Diese verwenden das Wort "liberal" nämlich im amerikanischen Sinn, also erstens auf der ersten Silbe betont, und zweitens als Vokabel zur Tarnung sozialistischer Politik. Damit hat die Linke wieder einmal eine Politik der totalen Sprachverwirrung betrieben – freilich eine (mit Hilfe der Medien) sehr erfolgreiche.