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Die Diversion, die Kurz-Nachfolge und das Schicksal der WKStA

Gespräche mit mehreren österreichischen Strafjuristen ergeben eine ziemlich klare Einschätzung, wie die Causa Korruptionsstaatsanwaltschaft vs Sebastian Kurz enden dürfte: Mit maximal  20 Prozent wird die Wahrscheinlichkeit bewertet, dass Kurz rechtskräftig verurteilt wird. Gleichzeitig hält man es aber zu höchstens 50 Prozent für erwartbar, dass die WKStA ihren mit Volldampf aufgenommenen Kampf gegen Erzfeind Kurz einfach durch Einstellung wieder beenden wird. Dazu hat sie schon viel zu viel Eigenprestige, Emotion und Aggression gegen die "dunkle Rhetorik" von Kurz in die Causa gelegt – auch wenn sie Sebastian Kurz nicht einmal noch vernommen, sondern nur eine Anzeige von Rot und Pink in Händen hat. Wie aber kann der Kampf sonst enden?

Eine durchaus wahrscheinliche Variante ist die einer Diversion, also die Zahlung einer Summe ohne Schuldfeststellung. Diese hätte für beide Seiten den großen Vorteil, dass es dann weder da noch dort politische Leichen gibt. Die sonst unvermeidlich wären. Denn weder könnte Kurz Kanzler bleiben, würde er rechtskräftig verurteilt werden, selbst wenn ihm maximal eine bedingte Strafe drohen dürfte. Noch könnten die WKStA und ihre seit Jahren umstrittene Leiterin es ohne totalen Umsturz überleben, dass sie jetzt nach so vielen ohne Verurteilung, aber mit schwersten Schäden endenden Wichtigmachereien, nach einer Fülle justizinterner Anzeigen, nach illegalen Abhöraktionen auch noch die für das Funktionieren der Republik ja nicht ganz unwichtige Bundesregierung aus ideologischem Hass lahmzulegen versucht haben. 

Durchaus offen ist freilich, ob beide Seiten auch wirklich da zustimmen werden. Würde das doch ein gewisses Einlenken erfordern. Würden doch beide bei einer Diversion zwar politisch überleben, jedoch mit sichtbaren Schrammen.

Eine Diversion kann sowohl von der Staatsanwaltschaft wie auch dann vom Einzelrichter vorgeschlagen, beziehungsweise angenommen werden. Geschieht das freilich erst auf der Richterebene, ist das für die WKStA schon viel peinlicher, als hätte sie selber die Initiative dazu ergriffen, beziehungsweise sich von der Justizministerin dazu anleiten lassen.

Kurz wiederum muss bei einer Diversion mit höhnischen Vorhalten der Oppositionsparteien rechnen.

Er kann aber auf ein prominentes Beispiel verweisen, wo ein Politiker sich in einer sehr ähnlichen Situation zu einer Diversionszahlung bereiterklärt hat: Das war vor ziemlich genau drei Jahren der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser.

Bei ihm ging es noch dazu um den Vorwurf der Untreue, die Kaiser den Landesfinanzen zugefügt haben soll. Das von genau der gleichen WKStA untersuchte Delikt (ein der persönlichen,  beziehungsweise Parteiwerbung dienendes Inserat sei zu Unrecht aus Steuermitteln des Landes bezahlt worden) hat also einen echten finanziellen Schaden verursacht, den es bei der behaupteten Falschaussage vor dem U-Ausschuss ja nicht gegeben hat. Kaiser beziehungsweise die SPÖ haben damals daher nicht nur die Diversion gezahlt, sondern auch eine Schadensgutmachung.

Die damals von Kaiser für die Annahme der Diversion gegebene Begründung würde auch im Falle Kurz perfekt passen: Er habe die Diversion selbst vorgeschlagen, damit die Sache abgeschlossen sei. Ein bis zur Rechtskraft ausgefochtenes Verfahren hätte sonst in der Tat Jahre dauern und den Landeshauptmann ständig ablenken können. Diese Argumentation ist offensichtlich von den Medien wie den politischen Gegnern damals akzeptiert worden. Kaiser hat seine Aktionsfreiheit behalten, er ist unbestrittener Landeshauptmann geblieben und fast einzige Alternative für die SPÖ-Führung, falls Pamela Rendi-Wagner aufgeben sollte (denn der burgenländische Kollege Doskozil kann – unabhängig von den auch gegen ihn laufenden Erhebungen – nach den Polemiken der letzten Wochen sicher nicht SPÖ-Chef werden, und der Wiener Bürgermeister Ludwig wäre nicht ganz bei Sinnen, würde er den fast allmächtigen Sitz im Rathaus mit dem ohnmächtigen eines Bundesparteichefs tauschen – das hat auch schon Vorgänger Häupl so gesehen –; und im Parlamentsklub scheint dafür überhaupt niemand in Frage zu kommen).

Besonders interessant ist, dass die WKStA bei der Diversion für Kaiser einem von der ÖVP gestellten Justizminister unterstanden ist, der auf Grund der Rechtslage in die Diversionsentscheidung eingebunden gewesen sein muss, wenn er – zusammen mit dem ihn beratenden Weisungsrat – nicht gar die Weisung dazu gegeben hat. Denn ein Verfahren gegen einen Landeshauptmann ist jedenfalls ein "clamoroser" Fall, wo der Minister befasst werden muss. Würde diesmal eine grüne Ministerin anders agieren, wäre das mit Sicherheit ein Koalitionsbruch – unabhängig davon, wie das Verfahren ausgeht.

Interessant sind aber auch Vergleiche mit weiteren Fällen:

  • So etwa mit jenem des ehemaligen OGH-Präsidenten Hans Rzeszut. Der renommierte Strafrechtler ist – in Zusammenhang mit der Affäre Kampusch – ganz offensichtlich aus Rache von der Staatsanwaltschaft wegen Falschaussage vor Gericht gestellt – und dort freigesprochen worden. Rzeszut hatte davor das Verhalten der Staatsanwaltschaft mehrmals heftig öffentlich kritisiert und ihr krasses Fehlverhalten vorgeworfen, weil mutmaßliche Mittäter des Haupttäters nie vor Gericht gestellt worden sind. Die Anklage gegen Rzeszut war ein massives Indiz, dass zumindest Teile der Staatsanwaltschaft immer wieder zu Racheaktionen neigen, wenn es jemand wagt, sie zu kritisieren. Was ja auch Kurz getan hatte.
  • So hatte auch ich vor zwei Jahren nach mehrfacher Kritik an der WKStA das zweifelhafte Vergnügen, unter absurden Vorwürfen von der Staatsanwaltschaft verfolgt zu werden (es ging um einige zwar eindeutig rechtswidrige Formulierungen in Postings im Tagebuch, deren Entfernung aber weder die Staatsanwaltschaft noch sonst jemand verlangt hatte – was in Hinblick auf die Behörde eine rechtlich überaus bedenkliche Unterlassung gewesen ist! –, bevor sie ein aufwendiges Verfahren gegen mich angestrengt hat). Das wurde dann zwar von der StA Wien eingestellt. Auf den Kosten für meinen Anwalt blieb ich aber auf Grund der skandalösen österreichischen Rechtslage sitzen. Und die eigentlichen Autoren der Postings sind dann merkwürdigerweise nie belangt worden! Offenbar sind sie kein interessantes Ziel für die Staatsanwaltschaft.
  • So ist jetzt der grüne Parlamentsklub zumindest in erster Instanz wegen übler Nachrede verurteilt worden, weil der Klub in einer Aussendung einem Manager zu Unrecht eine Falschaussage(!) in Zusammenhang mit der angeblichen Involvierung von FPÖ-Funktionären in einen Banken-Deal vorgeworfen hat. Auch diese Aussage war vor genau dem gleichen(!) parlamentarischen Untersuchungsausschuss erfolgt, dessen linke Angehörigen derzeit ja reihenweise Anzeigen gegen ÖVP und FPÖ-Politiker einbringen (Motto: Wenn wir schon keine Korruption finden, dann doch Ungenauigkeiten in den Aussagen). Sollte dieses Urteil rechtskräftig werden, wird es zumindest spannend zu beobachten, wer aus dem SPÖ-Klub aller zurücktritt: die für alles hauptverantwortliche Klubchefin und die im Ausschuss sitzende Grün-Abgeordnete – oder etwa niemand?

Jedenfalls sind diese Entscheidungen gegen den grünen Klub wie auch die in der Causa Rzeszut deutliche Signale von Richtern, dass sie es satt haben, von Parteien beziehungsweise Teilen der Staatsanwaltschaft mit politischen Kontroversen und Racheakten behelligt zu werden, statt sich um echte Kriminalität kümmern zu können.

Hochinteressant ist in diesem Zusammenhang aber auch ein Kommentar des unter Anwaltskollegen hochangesehenen Universitätsprofessors und Rechtsanwalts Alfred Noll, der bis 2019 Parlamentsabgeordneter und Fraktionskollege der heutigen Justizministerin Zadic auf der Liste des altgrünen Peter Pilz gewesen ist. Noll plädiert vehement für die Unschuldsvermutung, die keinesfalls durch die Anklageerhebung ausgehebelt werden dürfe, und gegen die "Moral derjenigen, die am lautesten brüllen und sich der Medien als gefällige Verstärker bedienen" (was übrigens auch nebenbei eine Abrechnung mit seinem ehemaligen Parteichef gewesen sein dürfte).

Was aber passiert, wenn trotz allem die WKStA in ihrem Hass Anklage gegen Kurz erhebt, und sie dabei das – sehr unwahrscheinliche, aber keinesfalls auszuschließende – Glück hat, damit in beiden Instanzen durchzudringen?

Dann wird auf der einen Seite diese WKStA zur Ehre aller linken Altäre erhoben.

Dann muss auf der anderen Seite Sebastian Kurz wohl als Bundeskanzler zurücktreten. Dann drohen Neuwahlen. Kurz wird aber zur Grauen Eminenz der ÖVP werden, wie etwa auch die Herren Berlusconi, Sarkozy oder Trump bei ihren jeweiligen Parteien, die ja alle ebenfalls von linken Staatsanwälten mit zum Teil sehr untergriffigen Argumenten verfolgt werden. Möglicherweise wird Kurz sogar Parteiobmann bleiben und dann einen angriffslustigen Wahlkampf gegen die Grünen und ihre WKStA führen.

Dieses Szenario ist unabhängig davon, ob Schwarz und Grün amtsführend bis zum Wahltag weitermachen werden, oder ob sich wieder wie 2019 eine rot-blau-grün-pinke Allianz zusammenfinden wird. Wie wir es derzeit auch in Ungarn sehen können, wo ebenfalls die Parteien von ganz weit rechts bis ganz weit links versuchen, gemeinsam Viktor Orbán zu stürzen.

Völlig offen ist hingegen die Frage, wen die ÖVP in dieser Situation als Bundeskanzler vorschlagen würde, der mehr ist als ein farbloser Platzhalter. Gernot Blümel kommt wohl aus vielen Gründen dafür nicht in Frage, auch weil sein letzter Wiener Wahlkampf viele in der ÖVP enttäuscht hat. Ansonsten hat sich aber neben Kurz in der ÖVP niemand auch nur annähernd als Führungsfigur profilieren können.

In den Kurz-loyalen Führungsmannschaften von Regierung, Fraktion oder Partei könnte am ehesten Innenminister Karl Nehammer in Frage kommen. Dieser hat zwar lange nicht die Sympathiewerte von Sebastian Kurz. Er könnte jedoch einen Law-and-Order-Kurs versuchen, nachdem er seine allzu autoritären Polizeistaatssignale ein wenig abgeschliffen hat.

Nehammer sendet jedenfalls immer wieder erstaunliche Signale nach links ab. Das hat er einst schon durch politisch-korrekte Säuberungsaktionen als ÖVP-Generalsekretär gemacht. Das hat er jetzt auch wieder durch die Bestellung eines sehr weit links stehenden israelkritischen Aktivisten zum Antisemitismus-Beauftragten für die Polizei gemacht. Dieser hat sich auch schon in seinen ersten Ausführungen merkwürdig verhalten, indem er auf die weitaus größte antisemitische Herausforderung nur ganz am Rande eingegangen ist, mit der Österreich konfrontiert ist, nämlich jene durch die vielen Migranten aus dem islamischen Raum, und statt dessen die ÖVP massiv attackiert hat.

Damit hat Nehammer einen den Grünen sehr nahestehenden Mann in eine Schlüsselposition befördert, während die Grünen etwa im Justizministerium alle der ÖVP nahestehenden Experten gekillt haben …

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