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Steyr oder: Das Gift des Sozialdemokratismus

Man kann der Erkenntnis der oberösterreichischen SPÖ-Parteichefin nur zustimmen: "Die Belegschaft in Steyr hat klar gemacht, was sie wolle." Exakt. Die Belegschaft hat sich mit klarer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass nicht nur 650 Mitglieder der Stammbelegschaft des MAN-Werkes in Steyr ihren Arbeitsplatz verlieren, sondern alle 1900. Das ist zu respektieren. Oder, um es klar zu sagen: Es wäre ein absolutes Verbrechen, wenn für die nun auf eigenen Wunsch massenweise arbeitslos werdenden Menschen in Steyr auch nur ein Cent mehr aus Steuermitteln ausgegeben werden sollte als die normale Arbeitslosen-Unterstützung. Und selbst bei dieser ist es mehr als fraglich, ob sie den bisherigen MAN-Arbeitern wirklich zusteht.

Denn jeder Bezieher einer solchen Unterstützung muss nachweisen, dass er wirklich arbeitswillig ist. Er muss auch einen Job annehmen, bei dem er nicht so viel verdient wie früher. Sonst verliert er seinen Anspruch auf Unterstützung.

Und die Arbeiter von Steyr haben ja eindeutig gesagt: Nein, wir sind nicht arbeitswillig. Allerdings haben das nur 64 Prozent der MAN-Mitarbeiter gesagt. Mehr als ein Drittel hat sich hingegen sehr wohl arbeitsbereit gezeigt. Aber leider gibt es bei einer geheimen Abstimmung keine Möglichkeit herauszufinden, wer das gewesen ist. Und es wird wohl keiner von ihnen aufzeigen und sagen: "Ich bin einer der Nicht-Arbeitswilligen gewesen." Daher wird die Allgemeinheit wohl notgedrungen allen die Arbeitslosen-Unterstützung zahlen müssen.

Genauer gesagt: Bei einem weiß man es schon, dass er gegen den Verkauf des MAN-Werkes an den Unternehmer Siegfried Wolf zu den von diesem angebotenen Bedingungen gewesen ist, also gegen die Übernahme von 1250 Arbeitern der 1900 Mann zählenden Stammbelegschaft durch Wolf zu einem um 15 Prozent reduzierten Nettoeinkommen, wobei aber auch dieses wohlgemerkt noch über dem kollektivvertraglichen Lohn liegt. Dagegen war nämlich der Betriebsratsobmann, der durch seine Haltung zweifellos auch viele andere zum Nein motiviert hat. Sein Verhalten ist zugleich der absolute Tiefpunkt der Tragödie von Steyr: Der Mann verabschiedet sich nämlich jetzt postwendend in die Pension, was wahrscheinlich noch einige Gewerkschafts- und SPÖ-Bonzen mit der infamen Bezeichnung "wohlverdienter Ruhestand" kommentieren werden. So sind sie halt, die Gewerkschafter, zuerst populistisch Unheil anrichten, dann sich davonschleichen. Hinter mir die Sintflut.

Völlig unakzeptabel wäre es nach dieser Ablehnung jedenfalls, wenn es auch nur einen Cent extra aus österreichischen oder oberösterreichischen Steuermitteln für das Werk, für das die deutsche MAN-Unternehmensleitung keine kostendeckende Zukunft mehr sieht, oder für die Belegschaft geben sollte. Diese ist derzeit durch Leasingkräfte noch um 450 Mann größer als die Stammbelegschaft von 1900 Mann. Die 450 haben absurderweise ebenfalls bei der Abstimmung mitvoten dürfen, obwohl sie ja in keinem Fall eine Zukunft in dem Werk gehabt hätten.

Zusätzliche Gelder für die Belegschaft von Steyr wären in jedem Fall ungerecht. Gelder für Menschen, die leichtfertig oder aus Bestemm ihren Job preisgeben, wären in Zeiten wie diesen doppelt ungeheuerlich, da durch die Corona-Krise die Arbeitslosigkeit auf den weitaus höchsten Wert seit dem Krieg hinaufgeschnellt ist. Derzeit werden in Österreich mehr als eine halbe Million Arbeitslose gezählt und fast noch einmal so viele Menschen in Kurzarbeit. Man muss ein völlig realitätsfremder gewerkschaftlicher Traumtänzer sein, wenn man etwa gar aus der Tatsache, dass es während einiger Monate des Vorjahres noch mehr gewesen sind, Trost ableiten sollte oder gar die Berechtigung dafür, das Angebot abzulehnen und auf den Goldesel zu hoffen.

Die Katastrophe von Steyr ist aber keineswegs nur diesen 64 Prozent und der Gewerkschaft anzulasten, die sie aufgehetzt hat, statt ihnen den Ernst der gesamtwirtschaftlichen Lage zu vermitteln. An ihr sind vielmehr eindeutig auch alle übrigen Politiker Oberösterreichs mitschuld. Denn kein einziger von ihnen ist vor der Abstimmung hingegangen und hat gesagt: "Leute, es ist traurig, aber ihr solltet den Vorschlag annehmen, da ihr sonst vor dem blanken Nichts steht."

Wirtschaftsministerin Schramböck hat zumindest gewagt, nach der Abstimmung das Wort "bedauerlich" zu verwenden. Aber auch von ihr ist keine Äußerung bekannt, mit der sie VORHER den Arbeitern den Ernst der Lage klargemacht hätte. Oder vom eigentlich noch viel mehr zuständigen Arbeitsminister.

Wirklich blamabel ist die Rolle des oberösterreichischen Landeshauptmanns Stelzer. Der verteidigt die MAN-Arbeiter jetzt sogar und behauptet, sie hätten "eine derartige Behandlung" keinesfalls verdient (ohne genau zu erklären, worin die "Behandlung" bestehen soll, wenn eine Lösung angeboten wird, die der Mehrheit den Arbeitsplatz gerettet hätte). Der Herr Stelzer schwätzt herum, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei, und dass der MAN-Konzern "in die Pflicht" zu nehmen sei, "auch andere Optionen ernsthaft ins Auge zu fassen und mit weiteren Interessenten zu verhandeln".

Ja, eh. Ganz bestimmt hat man bei MAN darauf gewartet, dass ein oberösterreichischer Landespolitiker sie ohne jede rechtliche Basis "in die Pflicht" zu nehmen versucht, nur weil er ohne jede wirtschaftliche Vernunft einzig an die Wählerstimmen aus dem oberösterreichischen Ennstal denkt.

Man kann im Gegensatz zu Stelzers Erwartungen sicher sein, dass man bei MAN und dem Mehrheits-Eigentümer genau weiß: Wenn man jetzt nachgibt, und doch nicht die angekündigte Alternative zum nun abgelehnten Projekt Wolf realisieren, die in einer Schließung des Werkes in Steyr bestehen müsste, dann wird man sich weltweit der Erpressungen zahlloser anderer Fabriks-Belegschaften nicht mehr erwehren können. Wer einmal nachgibt …

Der Eigentümer von MAN ist noch dazu niemand geringerer als der deutsche VW-Konzern, der weltgrößte Autohersteller. Dieser beschäftigt weltweit rund 200.000 Menschen, davon 120.000 in Deutschland. Daher haben dort Erpressungsversuche gegen VW sogar etliche Chancen. Nicht nur wegen dieser großen Mitarbeiterzahl, sondern auch weil das deutsche Bundesland Niedersachsen zu einem Fünftel an VW beteiligt ist. Daher haben in Deutschland die Interessen der Mitarbeiter durchaus eine gewisse Hebelwirkung. Die Mitarbeiter in Österreich sind hingegen bloß in einer verlängerten Werkbank von VW tätig.

Was man außerdem nicht vergessen sollte: VW hat gerade erst einem ganz anders gearteten, viele Milliarden verschlingenden Verlangen der deutschen Politik nachgegeben. Der Konzern will nun einer der ersten sein, der seine Produktion von Benzin/Diesel-Motoren auf Elektro-Motoren umstellt. Egal, ob die Käufer solche Autos dann auch kaufen wollen. Egal, woher eigentlich der Strom für all diese Fahrzeuge kommen soll. Egal, wie irrelevant selbst eine Totalumstellung aller VW-Autos für das angeblich zu rettende Weltklima wäre (Stößt doch allein China in drei Wochen so viel CO2 aus wie alle PKW Europas zusammen. Wohlgemerkt, wie alle zusammen, also nicht nur die von VW).

Wenn VW also unter dem Druck des heimischen Ministerpräsidenten und Eigentümervertreters und der deutschen Bundeskanzlerin Milliarden für dieses schwer selbstbeschädigende (weil auf den weltweiten Märkten noch viel weniger verkaufbare) Elektro-Abenteuer ausgibt, dann fehlt dem Konzern zusätzlich Geld und Motivation, um sich von Herrn Stelzer aus Linz in die Pflicht nehmen zu lassen.

Man hat bei MAN beziehungsweise VW angesichts der zu hohen Gehälter in Österreich schon vor längerer Zeit fix beschlossen, künftig im viel günstigeren Polen zu produzieren statt in Steyr, damit man preislich wenigstens halbwegs wettbewerbsfähig bleibt. Das findet jedenfalls statt. Egal, wie man das in Steyr oder Linz sieht. Wer diese harte Wahrheit nicht akzeptieren will, lügt sich selbst – oder andere an.

In Wahrheit sollte man fast froh sein, dass MAN/VW nur nach Polen, also in ein anderes EU-Land, übersiedeln will, und nicht gleich nach Süd- oder Ostasien, wo man ja eigentlich noch viel günstiger produzieren kann. Dieser Wettbewerbsvorteil außereuropäischer Herstellung hat ja schon zum Abgang von Millionen Jobs aus Europa geführt. Andererseits müsste das den heimischen Gewerkschaftern eigentlich zu denken geben, wie sehr sie die österreichischen Arbeitsplätze mit einem Verhalten wie in Steyr hinauskatapultieren. Wenn sie zu denken bereit sind.

Gewiss: Herr Stelzer, die anderen oberösterreichischen Politiker und die Gewerkschafter könnten jetzt aus Rache zu einem Boykott von VW aufrufen, wie es schon mancherorts heißt. Das wird dem Konzern den Absatz einiger hundert Fahrzeuge kosten, – aber auch nur dann, wenn ein paar Medien mitmachen sollten. Die werden aber wahrscheinlich mehr an den VW-Inseraten interessiert sein, die bei einer Boykott-Kampagne natürlich ausfallen würden. Und selbst wenn eine solche Kampagne zustandekommen sollte, wird sie in den Gesamt-Verkaufszahlen des Konzerns nicht einmal eine Mini-Delle auslösen.

Gewiss: Die SPÖ-Genossen, die so begeistert über die Abstimmung von Steyr sind, könnten jetzt auch noch an ihren Parteifreund Stephan Weil, den Ministerpräsident von Niedersachsen, appellieren, bei VW beziehungsweise MAN doch zugunsten von Steyr zu intervenieren. Das wird den Genossen in Hannover aber ungefähr so erschüttern, wie wenn ein Fahrrad in China umfällt. Ihm sind die eigenen Fabriken, Arbeiter und Wähler tausendmal wichtiger als die in Steyr.

Gewiss: Jetzt werden einige Glücksritter auftauchen, die im Gegenzug für ein paar vage Versprechungen das Werk in Steyr samt etlichen Steuermillionen geschenkt haben wollen. Im Dunstkreis der SPÖ ist ja bereits eine dubiose Gruppe mit auffallende Beziehungen zu postkommunistischen Diktatoren aus Mittelasien aufgetaucht, die das versucht. Sie hat auch schon das Zauberwort ins Gespräch gebracht, mit dem man derzeit die beste Chance auf Budgetgelder hat: Sie wollen irgendetwas mit ökologischer Mobilität dort machen. Und für dieses Zauberwort werfen ja vor allem die Grünen derzeit viel des – eigentlich nicht vorhandenen – Steuergeldes hinaus, an das sie herankommen, seit sie im Bund mitregieren.

Jedenfalls aber ist klar: Sollte etwa die Umweltministerin Gewessler oder die Linzer Landesregierung wirklich Gelder an die arbeitsunwilligen Arbeiter schicken, dann hätte Österreich einen echten Korruptionsfall. Und nicht nur einen von ein paar linken Politikern und Medien aus ein paar geschmacklosen, aber rechtlich irrelevanten SMS-Nachrichten gedrechselten, der skurrilerweise seit Wochen die auf Kindergartenniveau abgesunkene Nation beschäftigt.

Wenn Gewessler oder sonstige Politiker jetzt wirklich Steuergeld für die arbeitsunwilligen Steyr-Arbeiter in die Hand nehmen sollten, dann kommen sie in des Teufels Küche. Rechtlich wie politisch. Denn dann gibt es eine weitere Million Österreicher, die sagen kann und wird: Wir sind zum Unterschied von denen in Steyr bereit, zu Kollektivvertragsbedingungen zu arbeiten; wir sind auch bereit, jeden als ökologisch bezeichneten Schwachsinn zu produzieren, wenn wir nur wieder arbeiten dürfen!

Sollte es jetzt Steuergeld für Steyr geben, dann wird es überhaupt kein Halten mehr geben. Dann ist der Damm zum Staatsbankrott endgültig gebrochen.

Was soll nun aber mit dem Werk in Steyr geschehen? Wenn nicht noch eine weitere große Dummheit passiert, wenn nicht doch jemand Steuergeld zugunsten von Steyr stiehlt, kann nur eines geschehen: Die Fabriksanlagen werden geschlossen, die Arbeiter gekündigt, und die Anlagen samt Maschinen werden – ganz ohne Arbeiter – an den Meistbietenden verkauft, soweit nicht Maschinen MAN-intern nach Polen transferiert werden. Dann ist es auch durchaus noch möglich, dass sich Herr Wolf oder die SPÖ-Gruppe für den Kauf interessieren, und dass dann einer von ihnen die Anlagen bekommt. Dann wird der Käufer, so sich einer findet, wohl auch einigen der ja an sich durchaus qualifizierten Arbeiter einen Job anbieten. Wenn auch sicherlich nur zu Kollektivvertragsbedingungen.

So müsste es laufen, wenn es rechtlich und politisch sauber zugehen soll, wenn Sparsamkeit im Umgang mit öffentlichen Mitteln einkehren sollte, wenn trotzige Erpressungsversuche diesmal nicht belohnt werden sollten, wenn eine halbe oder ganze Million anderer Österreicher nicht massiv diskriminiert werden sollte, weil sie halt nicht bei Steyr, sondern anderswo ihren Job verloren haben.

Freilich kann man gar nicht sicher sein, dass es so läuft. Denn es gibt ja leider schon einige Präzedenzfälle, in denen sich die Politik zu unser aller Schaden erpressen hat lassen. Das teuerste Beispiel in der jüngeren Vergangenheit war die Rettung der Austrian Airlines um 600 Steuermillionen.

Bei dem Werk von Steyr kann man freilich nicht einmal eine Pseudo-Begründung jener Art aus dem Hut zaubern, mit der die Regierung die Steuerzahler im Vorjahr zu zahlen gezwungen hat. Sie hat behauptet, dass ohne AUA viel weniger Touristen nach Österreich kommen würden (was in Wahrheit allerdings ein mieser Schmäh gewesen ist: Natürlich würden die Touristen auch mit anderen Flugzeugen kommen, wenn sie nur wieder einmal dürften; etliche Billigflieger standen dafür ja schon in den Startlöchern).

Ob die Politik den Wahnsinnsrufen aus Linz und Steyr folgt, ist daher noch offen.

Schlimm genug ist jedenfalls jetzt schon die Gesinnung, die sich in der Abstimmung von Steyr gezeigt hat: Das ist die Verwüstung, die der Sozialdemokratismus hierzulande schon in so vielen nicht nur roten Hirnen angerichtet hat. Er hat so vielen Menschen mit Erfolg eingeredet, man müsse nur laut genug verlangen und fordern, dann gibt es immer jemanden, der alle Forderungen erfüllt. Dann braucht man nicht Eigenverantwortung zu üben.

Man könnte dieses Gift in den Hirnen auch anders als "sozialdemokratisch" nennen: Sind doch jene, die jetzt am lautesten über das Abstimmungsergebnis jubeln, ausgerechnet die oberösterreichischen Kommunisten. Allerdings muss man zugeben: Sie haben ja wirklich eine sehr lange Erfahrung, wie man ein Werk, wie man ein ganzes Unternehmen, wie man ein ganzes Land ruiniert und verarmt. Leider treffen die Erfolge von kommunistisch-populistischem Denken halt auch immer jenes Drittel, bei dem die Vernunft die Oberhand behalten hat.

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