Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Gleich zwei große Atommächte bereiten derzeit ganz massiv Kriegshandlungen vor. Das ist extrem beunruhigend – auch wenn es sich scheinbar relativ weit weg abspielt. Vor allem die Gleichzeitigkeit ist auffallend und noch mehr die Tatsache, dass keine der beiden Mächte einen ernsthaften aktuellen Grund zur Kriegstreiberei hat oder sich gar irgendwie bedroht fühlen müsste.
Dennoch agieren China und Russland wie imperialistische Großmächte früherer Jahrhunderte, die immer noch mehr und noch mehr Territorium erobern wollten – weil sie halt irgendwie glauben, dadurch noch mächtiger, noch sicherer, noch reicher zu werden. Und wo man dann halt auch früher gerne koordiniert mit anderen Imperialisten zugeschlagen hat – wie etwa zweimal in Absprache zwischen Russland und Berlin bei den diversen Überfällen auf Polen.
Die Fakten sind eindeutig, nur das Warum ist auf den ersten Blick nicht so einleuchtend. Das einzige unmittelbar erkennbare Motiv da wie dort ist der aus der Geschichte bekannte Hang von Diktatoren zu national-chauvinistischer Selbsterhöhung und ständiger Machtausweitung.
Längst geht es nicht mehr um kommunistischen Ideologie-Expansionismus, auch wenn sich die chinesische Diktatur weiterhin auf die Einparteien-Herrschaft der Kommunistischen Partei beruft. Und die russische Diktatur wird zwar ebenfalls noch von Schergen des einstigen sowjetischen Geheimdienstes geführt; sie sind aber noch weiter weg von jeder Ideologie als die Chinesen.
Beide Mächte fühlen sich in ihrer wahren Identität vor allem als Erben eines viele Jahrhunderte, im Fall Chinas sogar Jahrtausende alten national-völkischen Expansionsstrebens, das rücksichtslos immer weitere Völker und Gebiete unterjocht hatte.
Ihr Verhalten lässt sich historisch am besten mit dem Römischen Weltreich vergleichen, das sich über Jahrhunderte rund ums gesamte Mittelmeer, weit nach Asien hinein, bis über die Alpen und auf die britischen Inseln ausgedehnt hatte. Und das dabei ein Volk nach dem anderen – durchaus wörtlich – versklavt hatte. Bis es dann nach vielen Jahrhunderten als Folge der inneren Korruption und Verweichlichung implodiert ist, als die Römer gar nicht mehr selber an den Kriegszügen teilgenommen, sondern geglaubt haben, das würden dauerhaft Söldner für sie tun. Als Folge der Implosion hat es dann die ebenso schlimmen Schrecken der Völkerwanderung gegeben und dann fast eineinhalb Jahrtausende, in denen Italien in zahllose Stücke zerrissen war, die meist von fremden Herren beherrscht wurden.
Aber soweit ist es mit China wie Russland noch lange nicht. Derzeit ist noch immer (oder wieder nach ein paar Jahren der Schwäche) die Phase imperialistischer Expansion angesagt. Beide wollen es als logische Folge ihres imperialistischen Denkens nicht hinnehmen, dass es Gebiete geschafft haben, sich von ihrer Herrschaft loszureißen. Wie die Ukraine und Taiwan.
Und schon gar nicht wollen Russland und China die Demütigung hinnehmen, dass sich die Menschen in diesen als sezessionistisch angesehenen Staaten politisch und emotional von Jahr zu Jahr noch mehr von ihnen abwenden. Dass sie sich nicht nach der vermeintlich höheren Kultur in China und Russland sehnen, sondern ganz auf den Westen schauen, vor allem auf die USA, aber auch Europa.
Über diese skizzierten Parallelen hinaus gibt es noch drei weitere erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen der Ukraine und Taiwan:
Nichts von diesen Aspekten erklärt aber die in den letzten Wochen massiv aufgebaute Aggressionshaltung der Nuklearmächte Russland und China gegenüber ihren seit vielen Jahrzehnten unabhängigen Nachbarn. Und schon gar nicht erklärt irgendein Verhalten der Ukraine oder Taiwans die Gleichzeitigkeit der russischen und chinesischen Drohgebärden.
Die einzige Erklärung liegt aber wohl genau in der Gleichzeitigkeit noch mit einem dritten Vorgang: dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten.
Dieser ist von Moskau wie Peking inzwischen gewogen und für viel zu leicht gefunden worden. Man nimmt ihn nicht so ernst wie seine Vorgänger. Daher spricht vieles dafür, dass beide Mächte zum Schluss gekommen sein könnten: Joe Biden ist eine historische Gelegenheit, die Ex-Gebiete zu züchtigen oder gleich "heim ins Reich" zu holen.
Ihre – wohl untereinander abgesprochene – Analyse dürfte überdies ergeben haben: Biden kann es sich schon innenpolitisch nicht leisten, gleichzeitig sowohl gegen Peking wie gegen Moskau einen ernsten Konflikt zu führen. Daher gehen wir parallel vor.
Aber ist das nicht ein Trugschluss, wenn man Biden a priori so verharmlost? Ist er doch viel weniger isolationistisch als Donald Trump. Ja, das ist er – in seinen Erklärungen. Aber in seinen Taten ist Biden nicht sonderlich ernst zu nehmen. Er wirkt international ähnlich schwach wie einst Jimmy Carter. Nett, salbungsvoll predigend, aber leichtgewichtig. Man erinnere sich etwa, wie Carter einst von den iranischen Mullahs und Studenten durch die Besetzung der US-Botschaft in Teheran provoziert – und als hilflos entlarvt worden ist.
Biden hat sich ja in der Tat schon in den ersten Wochen sehr konkret als unsicher erwiesen:
Das ist alles andere als eine konsistente Politik.
Bidens Vorgänger Trump war zwar prinzipiell ein Isolationist. Aber gerade seine manchmal sehr aggressiv klingenden Tweets haben in Peking und Moskau zum Schluss geführt: Der Mann ist unberechenbar und potenziell gefährlich. Daher wurde er immer mit großer Vorsicht und Zurückhaltung behandelt.
Dadurch haben die von allen linken Journalisten so heftig kritisierten undiplomatischen Botschaften Trumps in Wahrheit friedenspolitisch exzellente Wirkung gehabt. Die ist nun binnen weniger Monate ins Gegenteil umgekehrt worden.
Diese Analyse heißt nicht, dass mit Sicherheit Krieg bevorsteht. Aber sie heißt, dass die Gefahr eines großen Krieges höher ist als seit vielen Jahrzehnten. Die Machthaber in China und Russland haben ein gefährliches Spiel begonnen:
Das Schicksal der Ex-Atom(anwärter)mächte Ukraine und Taiwan wird im Übrigen auch von nicht direkt an den Konflikten beteiligten Staaten in anderen Weltregionen sehr genau beobachtet. Das gilt insbesondere für Nordkorea und Iran. Beide entwickeln intensiv Atomwaffen, stehen aber gleichzeitig beide auch unter Druck, auf diese zu verzichten.
Für sie ist vor allem die Frage wichtig, ob es nicht die Ukraine und Taiwan noch ganz schwer bereuen müssen, auf Atomwaffen im Gegenzug für vage Versprechungen verzichtet zu haben. Sie werden sich noch mehr als bisher fragen: Was sind solche Versprechungen im Gegenzug für einen Atomwaffenverzicht wert? Und sie werden wohl beide zu dem Schluss kommen: Wir sind selbst nur dann unangreifbar, wenn wir selbst Atomwaffen haben. Weshalb Nordkorea weiter testen wird, und weshalb Iran im Expresstempo mit der Urananreicherung fortfahren wird - (soweit es Israel nicht gelingt, da neuerlich dazwischenzufunken).
In Wahrheit haben Nordkorea und Iran damit aus ihrer Warte auch recht. So widerlich die da wie dort herrschenden Systeme auch sind.
PS: Das kleine Litauen hat den russischen Botschafter einbestellt, um gegen die russischen Aggressionsakte zu protestieren. Auch Polen hat reagiert. Der Westen schaut hingegen weg. Und Österreich ist überhaupt nur interessiert, Schauplatz eines eventuellen Gipfeltreffens zu werden. Wie ein Hotelportier halt ...