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"Denen geht’s doch nur ums Geld." Es ist total amüsant, von wie vielen Seiten bis hin zu den Spitzen der europäischen Politik man neuerdings diesen Satz zu hören bekommt, seit die Pläne von zwölf prominenten Fußballklubs bekannt geworden sind, jenseits der bisherigen Strukturen eine "Super-League" zu gründen. Sind doch wirklich alle, die da jetzt so moralistisch über die Geldgier der Zwölf klagen, selbst an nichts mehr interessiert als am Geld. Besonders an jenem Geld, das ihnen künftig durch die Superliga entgehen könnte. Etliche von ihnen sind überdies korrupt bis in die Knochen. Das Projekt der Zwölf ist in Wahrheit positiv und spannend. Schließlich wirft ja auch niemand der Wiener, der Mailänder und der New Yorker Oper vor, dass sie in einer einsamen Weltspitzen-Liga spielen – pardon: musizieren. Und niemand verlangt von ihnen eine Umverteilung der Einnahmen an zweit-, dritt- und viertklassige Musiktheater. Dennoch gibt es zwei Gründe, weshalb es wohl nicht zu diesem Superliga-Projekt kommen wird.
Der erste Grund: An dem Projekt sind zumindest bisher nur Fußballvereine aus bloß drei Ländern beteiligt, aus England, Spanien und Italien. Und das ist zu wenig, auch wenn das weitestgehend wirklich exzellente Mannschaften sind (na gut, Tottenham vielleicht nicht ganz so …). Ohne deutsche und französische Klubs, aber auch ohne den einen oder anderen Verein etwa aus Portugal, den Niederlanden oder Belgien ist das keineswegs "die" europäische Spitzenklasse, sondern nur ein Teil von ihr.
Die Vermutung ist groß, dass es in Deutschland und Frankreich ordentlichen politischen Druck gibt, da nicht mitzumachen. Die beiden Vormächte der EU wollen ja überall, dass alles seine gewohnte Ordnung hat, aus der niemand ausschert. Und schon gar nicht soll das Ausscheiden unter führender Rolle der Briten erfolgen, die doch als EU-Dissidenten eigentlich Tag und Nacht auf der Strafbank sitzen und sich schämen sollten.
Da Fußballvereine sehr oft vom Wohlwollen der Politik abhängig sind – auch wenn sie zugleich (trotz aller Schwarzgeldkassen) große Steuerzahler sind –, dürften sich daher die deutschen und französischen nicht getraut haben, mitzumachen.
Warum machen dann aber Vereine aus Italien und Spanien mit, die doch viel mehr von der EU abhängig sind, die dort überhaupt die größten Abkassier-Nationen sind? Die Antwort ist einfach: In diesen Ländern funktioniert einerseits das hierarchische Durchgreifen und das habituelle "Jawoll!" halt lang nicht so gut wie etwa in Deutschland. Andererseits ist dort die Europagesinnung nur beim Abkassieren ehrlich und innig. Stattdessen ist im Süden der Nationalstolz ganz besonders groß. Daher freut es auch die Politik, wenn man bestätigt bekommt, dass Vereine des Landes zumindest im Fußball zur absoluten Spitze gehören. In Zeiten der Corona-Krise freut solche ablenkende Anerkennung doppelt.
Bei Spanien kann man überdies sicher sein: Hätten sich die beiden Madrider Klubs abseits gehalten, dann hätte Barcelona noch viel begeisterter im Alleingang teilgenommen. Also blieb den Madrilenen gar nichts anderes übrig, als auch mitzumachen. Denn Barcelona ist die Metropole jener Region, deren Mehrheit nichts sehnlicher wünscht als die Loslösung von Spanien. Und da freut man sich ganz besonders, wenn man nicht mehr in einer spanischen Liga und Nationalmannschaft spielen muss. Da stört auch überhaupt nicht, dass der Präsident von Real-Madrid der Chef der Superliga werden soll.
Der zweite Grund, weshalb die Pläne der Zwölf scheitern könnten: Ein zentraler Reiz jeder Fußballliga sind Aufstieg und Abstieg. Genau das wird es in der Superliga aber nicht geben, kann es nicht geben. Da müssen immer die gleichen beieinander bleiben, egal ob es bei zwölf Teilnehmern bleibt oder ob es doch noch gelingt, den einen oder anderen dazuzuholen. Wenn immer die gleichen gegeneinander spielen, es auch keine sonstigen Bewerbe gibt, kann das ein bisschen steril und langweilig werden. Aber den Dissidenten bleibt zumindest für die ersten Jahre gar nichts anderes übrig, also total unter sich zu bleiben, sind doch die Brücken zwischen ihrem Projekt und der alten von FIFA und UEFA diktierten Fußballwelt seit der Stunde des Bekanntwerdens dieser Pläne total eingebrochen.
Daher ist es gar nicht möglich, dass ein Klub zuerst in der Superliga mitspielt und dann, wenn er dort etwa Letzter wird und daher eigentlich absteigen müsste, plötzlich wieder ins UEFA/FIFA-System hinüberwechselt. Also wird nie wer absteigen. Zumindest solange FIFA und UEFA nicht nachgeben.
Ich wäre jedenfalls sehr überrascht, wenn das Projekt wirklich zustande kommen sollte. Aber toll wäre es schon, wenn es rund ums Jahr Spitzenfußball im Fernsehen zu sehen gäbe (oder man gar einmal in Liverpool oder Mailand ein Ticket ergattern könnte). Und wenn man nicht nur, wie sonst meistens, allzuoft Spiele zwischen einer ukrainischen und einer isländischen Mannschaft beziehungsweise zwischen Altach und Wolfsberg angeboten bekommt. So schön diese Kleinststädte – die eine liegt in Vorarlberg, die andere in Kärnten – und die genannten Länder auch sind: Beim Zuschauer lösen sie in Sachen Fußball halt einen Gähnreiz aus.
Aber dennoch bleibt die Vorstellung einer solchen Superliga reizvoll. Und das Gejammere aller nicht zum Mitmachen Eingeladenen ist köstlich.
Besonders köstlich ist die Drohung des FIFA/UEFA-Systems: Aber dann dürfen die Spieler der Superliga nicht mehr in Nationalmannschaften mitspielen! Da stellt sich nur die Frage: Wen soll eine solche Drohung beeindrucken? Wird David Alaba (der offenbar zu Real Madrid und sehr viel Geld wechselt) da jetzt in Tränen ausbrechen? Oder werden nicht eher die österreichischen Zuschauer viel trauriger sein, wenn der Mann nicht mehr für Österreich spielt?
"Geschieht meinem Vater schon recht, wenn ich mir ohne Handschuhe die Finger erfriere", hat ein alter Spruch diese Logik prägnant auf den Punkt gebracht ...
Niemand soll jedenfalls der Empörung über die "böse Geldgier" der Zwölf glauben, und schon gar nicht dem Getue von ewiger Kameradschaft oder von "Grün-Weiß (oder Violett oder Rot-Blau oder Schwarz-Weiß …) bis in den Tod". Man denke nur daran:
Fußball ist für Milliarden Menschen eine spannende Unterhaltung. Daher kassieren auch jene zu Recht viel Geld, die besonders gut mit dem Ball umgehen können. Arm sind nur jene – es sind vor allem Männer – die "ihrem" Fußballklub länger, emotionaler und begeisterter die Treue halten als der eigenen Frau …