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Warum das Contact-Tracing immer mehr versagt

Neben dem Testen, dem Impfen und der Quarantäne für Infizierte ist seit einem Jahr das sogenannte Contact-Tracing, also die Nachverfolgung aller näherer Kontakte von Infizierten, als eine der wirksamsten Maßnahmen gegen die Pandemie erkannt. Aber: Während Österreich beim Testen fast Weltmeister ist, während endlich auch in der EU langsam in nennenswertem Umfang Impfstoff ankommt, funktioniert gleichzeitig das Contact-Tracing immer schlechter, wie von allen Seiten einhellig bestätigt wird. Nicht angesprochen wird aber, wer daran schuld ist, dass das immer weniger funktioniert. Der Hauptschuldige hat einen bekannten Namen: Karl Nehammer.

Der Innenminister verwechselt ständig die Republik mit einem Kasernenhof. Er hat nicht begriffen, dass man nicht gleichzeitig Schergen losschicken kann, wenn die Regierung an die "Eigenverantwortung" appelliert. Und er hat gezeigt, dass er keinerlei Ahnung von der Psychologie der Menschen hat.

Nehammer hat in zahllosen öffentlichen Auftritten drohend scharfe Maßnahmen der von ihm kommandierten Polizei gegen alle Menschen verkündet, die irgendwo – auch in freier Natur – anderen zu nahe kommen, oder die etwa heimlich ein Fest veranstalten. Er hat sich vieler Tausender Strafmandate und Anzeigen gegen solche Übeltäter und "Lebensgefährder" berühmt (auch wenn diese dann oft vor Gerichten nicht halten …).

Aber ganz offensichtlich hat er nicht begriffen, dass er mit dieser Kommunikationslinie etwas viel Gefährlicheres bewirkt hat, als es das maskenlose Zusammenstehen von Menschen auf einem öffentlichen Platz ist: Als Folge ist die Mehrheit der Corona-positiv getesteten Menschen nicht mehr bereit, den Behörden die eigenen Freunde und Gesprächspartner anzugeben, mit denen man länger geplaudert oder sich zu einem geheimen Umtrunk getroffen hat. Fast niemand will zum Denunzianten werden, schon gar nicht gegenüber seinem Freundeskreis. Fast niemand verrät daher Freunde oder Gesprächspartner, die etwas laut den Nehammer-Drohungen ganz Schreckliches getan haben. Deshalb nennen positiv Getestete nur noch jene Menschen als Kontaktpersonen, mit denen sie familiär zusammenleben – was ja vorerst noch erlaubt ist – oder mit denen sie sonst einen erlaubten Kontakt hatten, etwa in einer Schulklasse oder als Arbeitskollegen in einem Geschäft.

Natürlich ist es richtig zu appellieren, die menschlichen Kontakte möglichst gering zu halten. Aber Kontakte sind nun einmal – insbesondere, aber nicht nur in den paarungsorientierten Lebensabschnitten – ein zutiefst menschliches Bedürfnis. Geselligkeit, Zusammentreffen, Gespräche sind in allen Kulturen etwas absolut Selbstverständliches, Notwendiges, Positives. Daher finden solche Kontakte dann halt heimlich statt, wenn sie offiziell verboten sind. Und sie werden naturgemäß auch nachher geheim gehalten, weil man ja sonst für sich und die Freunde eine Bestrafung riskieren würde.

Besonders eklatant zeigt sich die sinnlose Bestrafungslust der Polizei aber auch bei den wochenendlichen Kundgebungen, wo sie jedesmal zahllose Menschen anzeigt, die angeblich oder wirklich zu nahe beisammen gestanden sind. Besonders provozierend zeigt sich das etwa in diesem Video: Martialisch haben sich da sechs Polizisten um einen älteren, weitab von allen anderen stehenden und keinerlei Widerstand leistenden FPÖ-Abgeordneten aufgepflanzt, um ihn anzuzeigen, weil er keine Maske getragen hat. Egal, ob das stimmt, was der Abgeordnete über das vorher Geschehene dazu sagt, oder nicht – solche Szenen sind nur noch peinlich und lächerlich für die Polizei.

Wenn die Republik offensichtlich zu viele Beamte hat, dann wären diese tausend Mal effizienter eingesetzt, würden sie die – etwa in Wien – nach wie vor total kollabierenden Gesundheitspolizei- und Telefondienste übernehmen.

  • Wenn Absonderungsbescheide erst Wochen nach einem positiven Test ankommen, zu einem Zeitpunkt, da der Betroffene längst wieder negativ getestet ist;
  • wenn die Polizei die Einhaltung von Quarantäne-Bescheiden viel zu wenig kontrolliert;
  • wenn auch nach einem Jahr Anrufer auf der Nummer 1450 stundenlang in der Leitung hängen und von einem inkompetenten Menschen zum nächsten verbunden werden;
  • wenn wir jetzt schon zum fünften Mal einen Termin für unsere 94-Jährige in einem Impfzentrum geschickt bekommen, obwohl sie seit zehn Jahren das Haus nicht verlassen kann und wir das auch mehrmals in oft stundenlangen Bemühungen zurückzumelden versucht haben (jetzt haben wir diese Bemühungen allerdings eingestellt, als für sie nun schon das Datum einer Zweitimpfung geschickt worden ist, obwohl sie keine erste bekommen hat können, da die Gemeinde keine Hausbesuche macht);
  • wenn ein anderer 80-jähriger Verwandter völlig verunsichert ist, weil er trotz mehrerer Versuche keinerlei Rückmeldung zu seinem elektronischen Anmeldungsversuch beim Wiener Impfservice bekommen hat und daher fürchtet, dass irgendetwas falsch gelaufen ist;
  • wenn noch immer PCR-Testergebnisse viele Tage nicht kommuniziert werden;
  • wenn als infiziert entdeckte Menschen oft erst nach vielen Tagen Anrufe bekommen, die sie über ihre Kontakte befragen (dafür dann gleich mehrmals mit der gleichen Frage angerufen werden) –

wenn das alles nach einem Corona-Jahr noch immer ständig passiert (jeder Wiener kennt inzwischen viele solcher Geschichten), dann beweist das einerseits völlige Unfähigkeit der Wiener Gesundheitsbehörden. Dann wären Polizisten, die ja angeblich alle auf Grundintelligenz hin getestet worden sind, an solchen Telefonen im Kampf gegen die Pandemie weit besser eingesetzt als im Kampf gegen eine FPÖ-Veranstaltung (so absurd, hasserfüllt und paranoid auch vieles von dem ist, was dort ein Herbert Kickl von sich gibt).

Ich weiß schon: Die Polizei ist eine Bundesbehörde, und die hier aufgezählten Dinge sind alle Landesangelegenheiten. Aber den Steuerzahlern ist das völlig egal. Sie erheben nach einem Jahr schlicht den Anspruch, dass solche einfachen Dinge – dabei geht es ja nicht um Rocket Science wie die Produktion von Impfstoffen! – wenigstens halbwegs funktionieren. Dass nicht ständig solche lächerlichen Fehlleistungen passieren. Bei der Bundespolizei. Wie bei den Landesbehörden.

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