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Der Abzug des bisherigen Corona-Impfstoff-"Einkäufers" Clemens Martin Auer von diesem Aufgabenbereich ist eine typisch österreichische Scheinlösung. Es wird so getan, als geschähe etwas, aber in Wahrheit geschieht nichts. Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat der Gesundheitsministeriums-Beamte seinen Minister informiert, dass Österreich im zweiten Durchgang der Impfstoffvergabe deutlich größere Mengen von Corona-Impfstoff erhalten hätte können (noch dazu ausgerechnet von jenen Produkten, die derzeit von keiner Panikkampagne geplagt sind), oder aber er hat ihn nicht informiert. In beiden Fällen hätten die Konsequenzen ganz anders aussehen müssen. Gleichzeitig bildet der Fall Auer eine absurde Diskrepanz zu den Vorgängen in einem anderen grün geführten Ministerium. Bisweilen können einem österreichische Beamte wirklich leid tun.
Denn sie müssen immer öfter ganz offensichtlich als Schuhabstreifer für die Politik herhalten. Sie sind allerdings kündigungsgeschützte und gut bezahlte Schuhabstreifer – weshalb sich das Mitleid mit ihnen gleich wieder in sehr engen Grenzen hält (außerdem reagieren sie ihren Frust ja dann oft genug an den einfachen Staatsbürgern ab …).
Deklinieren wir einmal den Fall so durch, wie ihn Minister Anschober jetzt dargestellt hat: Also, Auer hat ihn wirklich nicht darüber informiert, dass es zusätzliche Möglichkeiten für Österreich gegeben hätte, in einem zweiten Vergabe-Durchgang an zusätzlichen Impfstoff heranzukommen. Mit Verlaub: Wenn das stimmt, dann kann die Konsequenz doch nicht sein, dass der Mann diese Aufgabe, bei der er eindeutig – aus welchen Gründen immer, höchstwahrscheinlich fahrlässige Ignoranz – versagt hat, zwar verliert, aber bei vollen Bezügen ansonsten halt einfach nur deutlich weniger zu tun hat. Und dieses Verhalten ist nun einmal ein Versagen, egal, ob den Österreichern dabei 100.000 oder 800.000 Impfungen entgangen sind: Beide Mengen sind bei 7,5 Millionen hier lebenden Österreichern und 1,5 Millionen hier zusätzlichen lebenden Ausländern eine erkleckliche Zahl.
Das Ausbleiben einer sechsstelligen Zahl von Impfungen erhöht mit Sicherheit die Menge nicht nur der Infizierten, sondern auch der schwer Erkrankten und der an dem Virus Verstorbenen. Daher wäre eigentlich sogar zu prüfen, ob der Mann nicht ein strafrechtliches Delikt begangen hat. In der Diktion von Innenminister Nehammer hat er das sogar ganz gewiss. Hat Nehammer doch im vorigen Jahr mehrmals Menschen, die auf einer Parkbank im Freien nebeneinander sitzen, als "Lebensgefährder" beschimpft und mit saftigen Strafen belegen lassen.
Dabei haben die Parkbanksitzer mit Sicherheit weniger Leben gefährdet als es die Nichtausnutzung aller Möglichkeiten tut, Impfstoff für Österreich zu erhalten.
Es ist eigentlich unvorstellbar, dass Auer das wirklich getan hat und dennoch weder eine Suspendierung noch ein Verwaltungs- noch ein Strafverfahren, sondern halt nur weniger beziehungsweise andere Aufgaben bekommt. Was ja nur der Alltag eines Beamten ist.
Daher scheint die zweite Variante viel wahrscheinlicher: Also, dass Auer sehr wohl seinen Minister informiert hat, aber dass der nichts getan hat (weil er gerade darauf konzentriert war, mit besorgter Miene öffentlich zu verkünden, dass die nächsten zwei Wochen "entscheidend" sein werden). Sollte also Anschober doch informiert gewesen sein, wäre das nicht nur genauso rechtlich problematisch wie bei Auer, das wäre darüber hinaus jedenfalls auch ein schwerer politischer Fehler gewesen, der zu einem Rücktritt des Ministers führen hätte müssen und vielleicht sogar zu einem Koalitionsbruch geführt hätte.
Um das alles zu vermeiden, ist es sehr wahrscheinlich, dass Anschober den Sektionschef überredet hat, sich als Bauernopfer zur Verfügung zu stellen, und dass Auer als braver Beamter auch mitmacht – freilich nur solange das Gehalt voll weiterläuft und kein Verfahren gegen ihn angestrengt wird. Damit rettet er seinen Minister und die Koalition. Damit hat er sich den Minister insgeheim zu großem Dank verpflichtet.
Schauen wir mal, ob diese – höchstwahrscheinlich so gelaufene – Scheinlösung wirklich funktioniert. Mit dieser können jedenfalls beide Koalitionsparteien zufrieden sein. Die ÖVP nämlich zweifellos auch. Hat sie doch keine echte Alternative zum grünen Koalitionspartner. Und hat sie mit der öffentlichen Kritik am Gesundheitsministerium den Grünen doch zugleich deutlich die gelbe Karte gezeigt, nachdem die Grünen zuletzt etliche schwere Fouls an der ÖVP begangen haben.
Wirklich nur noch peinlich und entlarvend ist hingegen die Reaktion der linken Mainstream-Medien (wie immer mit dem ORF als Tempogeber): Sie warfen dem Bundeskanzler allen Ernstes vor, die Kritik an der Impfstoffvergabe sei bloß ein "Ablenkungsmanöver"; und kritisierten besonders, dass Kurz seine Kritik zu einem Zeitpunkt geäußert hat, da Anschober krank ist. Dabei war das Hauptziel der Kurz-Kritik eigentlich der Vorgang in der EU gewesen, die, ohne dass es öffentlich bekannt geworden wäre, auf Beamtenebene eine Basar-Vergabe zur Vergabe der bei der ersten Runde übriggebliebenen Impfstoffmengen veranstaltet hat. Was ja ebenfalls eine Sauerei war. Aber die EU schob die Verantwortung sofort weiter an jene Ebene, auf der Auer aktiv gewesen war.
Wer wirklich glaubt, dass Kurz bis zum Zeitpunkt der vollen Genesung von Anschober mit der Thematisierung der Impfstoffeinkäufe warten hätte sollen, der stelle sich vor, was bei den Mainstreammedien und Oppositionsparteien erst los gewesen wäre, wenn das bekanntgeworden wäre! Also, dass Kurz von den Fehlern bei der Impfstoffvergabe erfahren hätte, aber diese Information aus koalitionstaktischen Gründen geheimgehalten hätte, bis der Gesundheitsminister wieder voll handlungsfähig ist …
Offiziell gilt also zumindest bis auf Weiteres: Auer hat einen Fehler begangen, weil er seinen Minister nicht informiert hat.
Ebenso Tatsache ist – und da wird dieses Land endgültig skurril –, dass zugleich der Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft Johann Fuchs jetzt umgekehrt unter Beschuss geraten ist, WEIL er seinen Minister informiert hat (nämlich über Haudurchsuchungen in spektakulären Justizfällen). Jetzt wird von der Opposition sein Rücktritt gefordert. Und eine andere Oberstaatsanwaltschaft hat auf Wunsch des amtierenden Justizministers Kogler (oder höchstwahrscheinlich der im Hintergrund die Fäden ziehende linksradikale Sektionschefin) dem Oberstaatsanwalt – fast der letzte Bürgerliche in der Justiz – sein Handy abgenommen.
Dabei ist der Herr Fuchs nicht nur den Weisungen des jeweiligen Justizministers unterworfen, sondern laut Gesetz ihm gegenüber in solchen clamourösen Fällen auch ausdrücklich berichtspflichtig: Er muss also den Minister sogar von sich aus informieren! Dennoch steht er jetzt unter Beschuss, weil er rasch und zügig berichtet hat – obwohl nirgendwo steht, dass es Fälle gäbe, wo er nicht berichten hätte dürfen, oder nur im Nachhinein.
In solchen Situation wird einem ziemlich klar, warum es so viele Beamte gibt, die innerlich absalutiert haben, die ihre jeweiligen Minister und die angeblichen Volksvertreter (deren negative Auslese ja im parlamentarischen Tribunal-Ausschuss ständig versucht, neue Sprengminen unter die Republik zu legen) insgeheim mit nicht sonderlich druckreifen Vokabeln belegen, die möglichst tatenfrei ihr Salär kassieren, die sich lieber irgendwelchen Hobbys zuwenden und die die Jahrzehnte, Jahre und Tage bis zum Pensionsantritt als einzig wichtiges Datum zählen. Denn was auch immer sie machen, berichten oder nicht berichten: Am Schluss sind immer sie schuld, sind sie der Fußabstreifer.
PS: Ein in den Mainstream-Medien völlig untergegangenes Detail macht auch ziemlich klar, warum die Oppositionsabgeordneten so sauer sind auf Fuchs: Die Linke hat ja ständig die Klagen der Korruptionsstaatsanwaltschaft, also ihrer agitatorischen Speerspitze, thematisiert, dass diese so viele Berichte an die Oberstaatsanwaltschaft, also Fuchs, erstatten hat müssen. Fuchs hat im U-Ausschuss des Parlaments jetzt eine Statistik der WKStA-Berichte im Ibiza-Zusammenhang präsentiert, die das Parlament als Hauptschuldigen der Berrichtsflut entlarvt hat: Auf Anordnung der Oberstaatsanwaltschaft hat die WKStA 16 Berichte erstatten müssen, auf Grund parlamentarischer Kontrollwünsche hingegen 58, und auf Grund von Gesetzen - die ja erst recht wieder vom Parlament beschlossen worden sind! - sogar 181. So etwas zu hören ist natürlich der Krisper-Krainer-Jagdgesellschaft extrem unangenehm ...