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Zwei überraschende Lichtblicke in der traurigen Staatsanwaltschaftskrise

Wollen wir nicht immer nur das Negative sehen, so viel es davon auch gibt: So empörend und undemokratisch das Verlangen linker Juristen nach einem Willkürstaat der Staatsanwälte im Staat auch ist; so gefährlich das Einknicken der ÖVP in einem weiteren zentralen Punkt der Kontroverse rund um die geforderte Generalstaatsanwaltschaft auch ist; so unbefriedigend die nunmehr verkündete Einigung über ein Informationsfreiheitsgesetz auch zu sein scheint; so positiv, neu und lobenswert sind doch zwei Punkte, die die Verfassungsministerin  Edtstadler jetzt vorgelegt hat. Diese könnten allerdings am Veto der Grünen scheitern, die ja neuerdings nicht mehr das Klima retten wollen, sondern die Macht der Staatsanwälte.

Diese justizpolitisch ganz neuen Aspekte sind den meisten Medien übrigens wieder einmal entgangen. Behaupten sie doch alle, dass Edtstadler bei ihrem jüngsten Auftritt nur Altbekanntes wiederholt hätte.

Dabei ist absolut sensationell, dass die ÖVP erstmals die Übernahme der Verteidigungs- und Rechtsanwaltskosten durch den Staat nach Einstellung eines Strafverfahrens fordert! Das wäre ein gewaltiger Fortschritt hin zu einem echten Rechtsstaat. Derzeit können ja die Staatsanwälte auch einen Unschuldigen fast nach Belieben zu Unrecht beschuldigen und ihm so hohe Anwaltskosten zufügen, die bisweilen sechsstellige Bereiche erreichen. Bisher hat es die Damen und Herren Staatsanwälte de facto nicht im Geringsten tangiert, wenn sie einen Unschuldigen verfolgt haben.

Ebenso positiv zu werten ist, dass Edtstadler eine Stärkung des Richters im strafrechtlichen Vorverfahren verlangt. Auch wenn sie es nicht so nennt, wäre das die gerade hier oft geforderte Rückkehr des Untersuchungsrichters. Dieser war in der ersten blau-schwarzen Regierung durch die damalige Strafprozessänderung weitestgehend abgeschafft worden. Das war von Anfang an eine unheilvolle Fehlentscheidung gewesen.

Man hat es gar nicht mehr zu hoffen gewagt, dass es wenigstens irgendwo zwei Lichtpunkte in einer Epoche geben könnte, wo die Krake Staat immer mehr die Bürger knebelt und entrechtet, wobei die Tentakel Staatsanwaltschaft zweifellos die aggressivste und bösartigste aller Übergriffe des Staates geworden ist.

Allerdings muss man auf die Details zu diesem Vorschlag warten (vorausgesetzt die Grünen treten diesem Vorschlag überhaupt näher und erinnern sich noch einmal daran, dass sie einst eine Partei der Bürgerrechte und nicht der repressiven Staatsmacht gewesen sind):

  • Offen ist erstens, ob die Kostenersatz-Idee so umgesetzt wird, dass die Staatsanwaltschaft dadurch wirklich zu respektvollerem Umgang mit den Zehntausenden zu Unrecht verfolgten Staatsbürgern angehalten wird (was ja noch wichtiger ist als der Kostenersatz). Oder ob etwa die Korruptionsstaatsanwaltschaft weiterhin ungeniert zu 99 Prozent Unschuldige verfolgen kann und wird. Diesen Opfern wird ja von den Staatsanwälten nicht nur durch  Verteidigungskosten großer Schaden zugefügt, sondern auch beruflich und psychisch. Es wäre fatal, wenn dieser Kostenersatz für die Staatsanwälte gleichsam nur ein Durchlaufposten wäre, den sie achselzuckend an den Finanzminister zur Zahlung weiterreichen. Es wäre logisch, wenn diese Zahlungen in direkter Weise das Budget des Justizministeriums belasten oder eben, wenn man sie wirklich einführt, das der Generalstaatsanwaltschaft. Dann würden diese Behörden die Staatsanwälte zweifellos zu bedachterem Verhalten veranlassen, weil ihnen sonst das Geld ausgeht. Noch logischer wäre es, wenn die Zahlungslast zumindest zum Teil jene Staatsanwälte (oder Staatsanwaltschaften) direkt treffen würde, die besonders schludrig mit den Bürgerrechten umgehen, die besonders oft Verfahren einleiten, die nie zu einer rechtskräftigen Verurteilung führen.
  • Zweitens ist es hoffentlich nur eine sprachliche Ungenauigkeit, dass Edtstadler diesen Kostenersatzanspruch nur für den Fall einer Einstellung (also im Vorverfahren) angesprochen hat, und nicht auch für den eines Freispruchs (im Hauptverfahren). Das wäre aber noch viel wichtiger. Denn sonst wären die Staatsanwälte ja nie freiwillig zu einer Einstellung bereit und würden alle einmal eingeleiteten Verfahren vor ein Gericht bringen. Womit sie aus dem Schneider wären, wenn dann der Richter den fälligen Freispruch ausspricht.
  • Und drittens ist offen, ob dabei wirklich alle erforderlichen Anwaltskosten abgedeckt werden und es nicht nur neuerlich bloß eine symbolische Summe als Entschädigung gibt – auch wenn natürlich sichergestellt werden muss, dass keinerlei Missbrauch möglich ist.

Noch mehr irritiert allerdings der Umstand, dass Edtstadler – die ja derzeit die einzige relevante und sachkundige Juristin in der ÖVP ist – nicht mehr davon spricht, dass die Bestellung des Generalstaatsanwalts unbedingt durch das Parlament erfolgen muss. Das aber wäre absolut unverzichtbar, wenn diese neue Institution auch nur irgendwie mit Demokratie und Verfassung kompatibel sein soll.

Das wäre angesichts des unglaublichen Textes umso wichtiger, den diverse sehr weit links stehende (und daher vom ORF in einer einzigen ZiB-Sendung gleich zweimal als "namhaft" bejubelte) Juristen wie die Herren Geyer, Mayer oder Nowak, sowie die Exabgeordnete Griss von den Neos und Vereine der Richter und Staatsanwälte jetzt eingebracht haben (wobei ich sehr viele Richter kenne, die sich empören, dass eine Richtervereinigung sich mit Aufwertungswünschen der Ankläger solidarisiert und damit die eigene Position der Richter massiv relativiert).

Diese Petition übertrifft noch die hier schon mehrfach geäußerte Befürchtung, dass die Staatsanwälte zu einem über allen anderen stehenden und von niemandem kontrollierten Staat im Staat werden wollen. Diese Petition fordert im Grund sogar, man solle die Staatsanwälte nicht einmal kritisieren dürfen! Oder wörtlich: Die Justiz sei "von politischen Zwischenrufen, Angriffen und Einflussnahmen frei zu halten".

Eine solche Justiz, die man nicht kritisieren darf, hat es zuletzt in totalitären Zeiten gegeben. Seither zählt die Richterschelte eigentlich wieder zu den selbstverständlichen Grundrechten (was nichts daran ändert, dass man rechtskräftige Urteile zu befolgen hat). Bisher haben die Bürger jedenfalls voll das Recht gehabt, Richter und Urteile zu kritisieren (natürlich ohne Beleidigungen). Daher hatten sie natürlich noch viel mehr das Recht, Staatsanwälte zu kritisieren. Und Minister wie Parlament haben sogar die Pflicht, ihre Tätigkeit kritisch zu begleiten.

Infamer Randaspekt der linken Juristenpetition: Sie stellen die per Verfassung weisungsfreien und unabhängigen Richter auf gleiche Stufe mit den Staatsanwälten als "Justiz", obwohl die Staatsanwälte in einem Rechtsstaat seit Abschaffung des Inquisitionsprozesses nur so weit Teil der Justiz sind wie etwa auch die Rechtsanwälte. 

Absurd ist auch, wenn die Lobbyisten und Linksprofessoren sowie naturgemäß fast gleichlautend die SPÖ die Forderung nach einer weitgehenden Ausschaltung der Demokratie (also mangels direkter Demokratie des Parlaments) im Bereich der Staatsanwälte damit begründen, dass dies "für eine stabile, auf gesellschaftlichem Grundvertrauen beruhende Demokratie unumgänglich ist". Sie verlangen also weniger Demokratie, weil das für die Demokratie gut wäre. Und behaupten ernsthaft, dass ein weniger an Demokratie unser Vertrauen zu einem solchen Staat im Staat stärken würde!

Um es noch klarer zu formulieren: In der gegenwärtigen Verfassungslage kann die Mehrheit der Bürger bei einer Wahl dafür sorgen, dass der für die Staatsanwälte verantwortliche Justizminister abgelöst wird. Wenn die Staatsanwälte hingegen einmal völlig unabhängig agieren können, können die Bürger für gar nichts mehr sorgen. Sie können weder kritisieren noch abwählen. Und nur hoffen, dass sie nicht zum Opfer des Staats im Staat werden.

Das ist wirklich ein dialektischer Salto ohnegleichen. Aber auch ein intellektueller Bauchfleck.

Der grüne Vizekanzler, der als Justizminister amtiert, hat dennoch bereits das erste Stück des Weges zur Errichtung eines solchen Staats im Staat aufbereitet: Er hat jetzt die Berichtspflicht dieser durch zahllose Affären auffallenden Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA entscheidend reduziert. Das ist eine unglaubliche Maßnahme. Damit wird die WKStA für ihre Exzesse belohnt, statt zu einem korrekteren Verhalten angehalten.

Während Edtstadler wieder mehr Rechte für die Untersuchungsrichter verlangt (ohne deren segensreiches Wirken etwa einst die Lucona-Morde durch den SPÖ-Günstling Udo Proksch nie aufgedeckt worden wären, weil die Staatsanwälte das Verfahren ständig einstellen wollten), will Kogler allen Ernstes sogar darüber hinaus eine noch weitere "Stärkung" der Staatsanwaltschaft.

Womit wohl neuerlich bewiesen ist, dass die WKStA von der gesamten Linken als schärfste parteipolitische Waffe gegen die ÖVP (und zu anderen Zeiten gegen die FPÖ) gesehen wird. Diese Qualifikation wird durch zahllose Aktionen dieser WKStA untermauert.

  • So bezeichnete sie den Amtsantritt von Sebastian Kurz wörtlich als "Machtübernahme", was reinste parteipolitische Kampfpolemik statt des von einer zu Objektivität verpflichteten Behörde zu erwartenden Sprachgebrauchs  ist.
  • So stellt sie Begegnung von Kurz mit Dutzenden Wirtschaftsvertretern in untergriffigen Formulierungen fast wie ein vertrauliches Vieraugengespräch dar (obwohl auch solche Gespräche nicht nur völlig legal wären, sondern geradezu Teil des Pflichtenheftes eines Bundeskanzlers sein sollten).
  • So sagte ein Kriminalbeamter diese Woche vor dem parlamentarischen U-Ausschuss, er habe "noch nie so eine Vorgehensweise wie jene von der WKStA erlebt"; sie habe nicht einmal "ein bisserl kriminaltaktisches Gespür".

Die "Informationsfreiheit"

Im Schatten der WKStA-Krise in der Koalition hat diese nun angeblichen Konsens über ein Informationsfreiheitspaket erzielt – offenbar um mit positiveren Signalen von der Krise abzulenken. Dieses Paket ist noch nicht endgültig zu bewerten, da viele Details unbekannt sind. Aber was bekanntgeworden ist, macht bereits extrem skeptisch, dass das Paket irgendetwas Sinnvolles und nicht nur ein "So als ob, aber in Wahrheit genauso wie bisher" bringen könnte.

Zwar soll erfreulicherweise das Amtsgeheimnis abgeschafft werden (das freilich von Teilen der Staatsanwaltschaft schon lange als abgeschafft behandelt wird, wie der dichte Aktenfluss an linke Medien beweist). Aber durch die Hintertür dürfte sich nicht viel ändern – abgesehen von zusätzlicher Bürokratie und rhetorischen Seifenblasen.

  • Denn zum einen stößt man auf schlimme Gummibegriffe: Es werde weiterhin Geheimhaltung geben können, wenn diese "erforderlich und verhältnismäßig" sei. Solche Formulierungen geben jedem besseren Beamten ein perfektes Instrument in die Hand, mit dem er weiterhin locker die Notwendigkeit von Geheimhaltung argumentieren kann.
  • Zum zweiten – und das ist noch schlimmer – wird ausgerechnet die Datenschutzbehörde als "Service- und Informationsstelle" vorgeschlagen. Damit macht man endgültig den Bock zum Gärtner. Ist doch der Datenschutz und damit die extra dafür geschaffene Behörde jetzt schon die Universalwaffe, um fast alle sinnvollen Informationsflüsse zu blockieren und uns mit zahllosen überflüssigen (und übrigens auch kostenintensiven) Dingen zu quälen wie der ständigen Notwendigkeit, im Internet Dinge wegzuklicken, die noch nie jemand durchgelesen hat.
  • Überdies sollen staatliche Verträge erst ab einem Wert von 100.000 Euro zu veröffentlichen sein. Damit ist klar, dass die weitaus schlimmste und größte Korruption in diesem Land ungehindert weitergehen kann. Das ist die Hunderte Millionen Steuergeld verschlingende Medienbestechung – die aber dennoch von der "Korruptions"-Staatsanwaltschaft noch nie vor einen unabhängigen Richter gebracht worden ist.
  • Die dadurch ausgelösten Herausforderungen sind bewältigbar: Gibt es doch kein einzelnes Inserat, dass 100.000 Euro kostet. Im schlimmsten Fall müssten Politik und Verlage daher eventuelle Dauerinseratenvertrag halt umformulieren und auf mehrere Einzelverträge aufteilen. Ist in einer halben Stunde machbar.

PS: Interims-Justizminister Kogler will sich anschauen, wie andere Staaten die Staatsanwälte behandeln. Dann schaut er sich hoffentlich auch die USA an, wo die Staatsanwälte wirklich und viel mehr als bei uns demokratisch eingebunden sind, nämlich durch direkte Wahl! (die USA sind ja jetzt für Linke wieder ein gutes Land …)

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