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Pensionisten können sich beim Pensionistenverband „bedanken“ …

… wenn sie in den nächsten Wochen und Monaten am Corona-Virus erkranken. Oder gar sterben (dann können sie sich allerdings nicht mehr bedanken). Denn der SPÖ-Pensionistenverband ist durch seinen lautstarken Protest gegen die Verabreichung des AstraZeneca-Impfstoffes an Menschen über 65 dafür ausschlaggebend gewesen, dass viele ältere Österreicher noch auf längere Zeit keine Impfung erhalten können. Das sind immerhin mehr als eineinhalb Millionen Menschen, von denen mit absoluter Sicherheit jetzt viele als Folge ungeimpft erkranken müssen. Besonders deprimierend: Keine einzige Partei hatte den Mut, diesem Pensionistenverbands-Protest entgegenzutreten. Ebenso deprimierend: Diese Entscheidung der Regierung bedeutet eine weitere drastische Einschränkung der Freiheit der Österreicher.

Solche Freiheitseinschränkungen stehen ja derzeit ohnedies fast schon täglich auf dem Programm. Sie reichen von der seit längerem erfolgenden salamiartigen Reduktion der Meinungsfreiheit etwa durch Verhetzungsparagraphen oder Political Correctness bis zur Demontage der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit (die der Innenminister in unerträglich totalitärer Art sogar öffentlich damit begründet hat, dass da auch Menschen mit einer falschen Ideologie teilnehmen – so, wie wenn sie Untermenschen wären).

Die Einschränkung der Versammlungsfreiheit wird überraschenderweise nicht nur von der FPÖ, sondern auch von einigen in der SPÖ kritisiert. Es ist immerhin erfreulich, dass es wenigstens in zwei Parteien liberale Restbestände gibt. Auch wenn die SPÖ im Gegensatz zur Versammlungsfreiheits-Verteidigung bei den Einschränkungen der Meinungsfreiheit eine ganz üble Rolle gespielt hat. Und auch wenn der durchaus mitgliederstarke SPÖ-Pensionistenverband nun bei der Einschränkung einer weiteren Freiheit, nämlich jener, frei über den eigenen Körper zu verfügen, eine Schlüsselrolle spielt. Bedauerlich, aber fast schon erwartbar gewesen ist, dass jene Partei, die noch bei der Gründung behauptet hatte, eine liberale zu sein, heute in keiner Weise für Freiheit kämpft, sondern nur noch zu einem linksradikalen Verein verkommen ist.

Gegen die nun erfolgte Einschränkung der Freiheit, über den eigenen Körper zu verfügen, hat sich aber bisher noch überhaupt kein einziger Politiker, keine einzige Partei ausgesprochen. Dabei ist diese Einschränkung fast noch absurder und widerlicher als alle anderen.

Man überlege nur:

  • Jeder Österreicher  kann frei entscheiden, ob er sich umbringt.
  • Er kann wählen, ob er eine von den Ärzten dringend empfohlene Krebsbehandlung erlaubt  oder sich mit irgendwelchen Kräutern behandelt und deshalb stirbt.
  • Er kann sich für den Einstieg in lebensgefährliche Wände beim Klettern oder in lawinenschwangere Hänge bei der Skitour entscheiden.
  • Er kann seinen Körper durch Nikotin, Alkohol oder Drogen ruinieren.
  • Er kann völlig frei darüber entscheiden, ob er sich gegen die Grippe oder die Meningoenzephalitis (die "Zeckenkrankheit") impfen lässt.
  • Er kann sich dagegen entscheiden, dass sein gebrochenes Bein eingegipst wird.

ABER: Alle Österreicher, die älter als 65 sind, können nicht darüber entscheiden, ob sie sich gegen das Corona-Virus mit dem AstraZeneca-Impfstoff impfen lassen wollen. Diesen Impfstoff lässt die Regierung nach den lautstarken Vorstößen des Pensionistenverbandes ausschließlich an jüngere Mitbürger verspritzen, obwohl diese nach allen Studien und Statistiken deutlich weniger Risiko durch das Virus tragen als die Älteren. Für die Älteren gibt es nur die beiden anderen zugelassenen Impfstoffe – in der Theorie. Denn von diesen Impfstoffen gibt es im EU-Europa noch auf längere Zeit viel zu wenig (aber das ist heute nicht das Thema).

Dieser Megaschaden für die österreichischen Pensionisten ist ihnen ausgerechnet vom größten Pensionistenverband des Landes eingebrockt worden. Das ist eigentlich unfassbar. Die SPÖ-Vorsitzende, die es als Medizinerin zweifellos besser weiß, und die eigentlich gerade versucht, ihre Partei politisch wieder ins Spiel zu bringen, hört lieber weg und wagt keinen Widerspruch, sind die Pensionisten doch zusammen mit den Wiener Rathausbeamten und Eisenbahnern der letzte nennenswerte Brückenkopf der SPÖ. Auch der FPÖ-Chef hat gegen die Impfung von Älteren mit AstraZeneca polemisiert – aber die FPÖ hat sich ja derzeit aus dem Spiel genommen, während die SPÖ wieder mitzuspielen versucht.

Die Regierung hat jedenfalls nicht gewagt, der Angstmache bei den älteren Österreichern mutig entgegenzutreten.

Als offizieller Grund, warum über eine Million Österreicher jetzt noch lange durch die Finger schauen muss, wird uns genannt: Bei den vor der Zulassung obligaten Testreihen ist der Impfstoff nicht oft genug an älteren Menschen erprobt worden.

Das ist zwar keine perfekte Situation für die Zulassung eines neuen Impfstoffes. Aber:

  1. Bei jenen acht Prozent unter den vor der Zulassung getesteten Menschen, die älter waren, hat es keinerlei Auffälligkeiten gegeben, keinen Unterschied in Hinblick auf Verträglichkeit oder Wirksamkeit gegenüber den Jüngeren.
  2. In jenen Ländern, wo dieser Impfstoff schon einige Wochen ohne Restriktionen im Einsatz ist, hat es ebenfalls keine Probleme bei älteren Impfkandidaten gegeben.
  3. Die EU-Zulassungsbehörde hat den Impfstoff ohne Alterslimit zugelassen.
  4. Zumindest in Norwegen hat es bei sehr gebrechlichen Greisen eine signifikante Häufung von Problemen gegeben – die aber niemanden in Österreich zu stören scheinen. Jedefalls verlangt niemand eine Alterssperre beim Biontech-Impfstoff. Das macht die Skrupulosität beim AstraZeneca-Impfstoff noch unverständlicher.
  5. Zahllose Mediziner sagen, dass sie keine Bedenken gegen den Einsatz des AstraZeneca-Impfstoffes bei älteren Mitbürgern hätten.
  6. Vor allem ist zu bedenken: Dem theoretischen Restrisiko der Anwendung eines noch nicht zur Gänze nach allen formalen Regeln in allen Altersgruppen getesteten Impfstoffes steht die Gewissheit einer Krankheit gegenüber, an der alleine in Europa täglich Tausende sterben. Und die durch jeden Tag verspäteten Impfeinsatzes einen Tag länger wüten kann.

Man kann sich ob dieser Fehlentscheidung nur an den Kopf greifen.

Es hätte nur eine denkbare Vorgangsweise gegeben, die gerecht gewesen wäre, und die die Freiheit der Bürger respektiert hätte: So wie jeder Mensch das Recht hat, gänzlich auf Impfungen zu verzichten, sollte jeder – also auch jeder über 65 – selbst entscheiden können, ob er bereit ist, sich mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff behandeln zu lassen. Zumindest sollte das in einem Land der Fall sein, in dem das Wort "Freiheit" noch mehr als acht willkürlich angeordnete Buchstaben sind.

Auch ältere Menschen sollten also entscheiden können,

  • zu sagen: "Ja, ich lasse mich trotz der genannten Einwände impfen und trage selber das Risiko."
  • oder: "Nein, ich warte lieber noch ein paar Monate mehr."
  • oder eben: "Nein, ich lasse mich überhaupt nicht impfen, selbst auf die Wahrscheinlichkeit hin, dann vielleicht auf Jahre in kein Flugzeug einsteigen, in kein anderes Land reisen oder an bestimmten Veranstaltungen teilnehmen zu können."

Die österreichische Regierung hätte umso mehr die Pflicht gehabt, so zu entscheiden und den Österreichern wenigstens diese Freiheit zu lassen, als sie, oder genauer: vor allem der Gesundheitsminister, mitschuld an der um viele Monate verzögerten und quantitativ unzureichenden Bestellung von Impfstoffen durch die EU ist.

Sie hätte umso mehr die Pflicht dazu gehabt, als andere Länder in ihren Impfkampagnen schon weit vorangeschritten sind, als in Israel jetzt auch schon die Schüler geimpft werden, während die EU geschlafen hat – und kein einziger österreichischer Politiker von irgendeiner Partei auch nur versucht hat, sie aufzuwecken.

Sie hätte umso mehr die Pflicht dazu gehabt, da bereits um 50.000 Euro Impfurlaub in den Golfemiraten angeboten wird, mit dem sich Reichere gesundimpfen können.

Sie hätte umso mehr die Pflicht dazu gehabt, als es ja die nun ungeschützt bleibenden Älteren sind, die mit viel höherer Wahrscheinlichkeit Spitals- und Intensivbetten blockieren als die jüngeren. Dabei galt die Auslastung dieser Betten immer als der eigentliche Engpass, zu dessen Vermeidung die schier unendliche Lockdown-Serie mit ihren die nächsten Jahrzehnte belastenden Folgen über die Bürger verhängt worden ist.

Aber nein, alle diese Mehrfachpflichten werden beiseitegeschoben, weil sich der Vorsitzende des Pensionistenverbandes fürchtet. Und weil niemand verhindert hat, dass sich seine persönliche Furcht lähmend auch aufs ganze Land auswirkt.

Das macht total wütend.

Zusätzlich wütend macht, wenn man von der Nachbarin hört, dass ihre 80-jährige (total mobile) Mutter in Oberösterreich jetzt bereits die zweite Impfung bekommt, während unsere 94-jährige (seit Jahren an die eigene Wohnung gefesselte) Cousine in Wien wohl noch lange Karteileiche in einem Rathauscomputer bleiben wird.

Hinter diesem Zorn gehen die aktuellen Beschlüsse über Teillockerungen in Schule, Handel und Museen fast unter. Das ist etwas unfair. Sie scheinen nach langem Ringen letztlich ein akzeptabler Kompromiss zwischen zwei theoretisch eigentlich völlig unvereinbaren Positionen geworden zu sein.

Auf der einen Seite steht da die durchaus ernstzunehmende Wahrscheinlichkeit, dass sich bei größeren Lockerungen eine neue Infektionswelle aufbaut (diese Wahrscheinlichkeit ist jedenfalls weit größer als alle Gefahren, vor denen sich Pensionistenverbands-Kostelka fürchtet). Auf der anderen Seite brauchen die Menschen wieder dringendst zumindest eine Atempause, in der man in die Schule oder zum Friseur gehen kann, in der man etwas einkaufen oder Besuche machen kann.

Daher sind die Teillockerungen jedenfalls richtig – selbst auf das Risiko hin, dass es durchaus möglich ist, dass die Maßnahmen in etlichen Wochen wieder strenger sein müssen. Selbst wenn der mühsam errungene Konsens mit Oppositionsführerin Pamela Rendi-Wagner darob schon wieder zerbrochen ist, die als Ärztin nur die Infektionsgefahren im Auge hat und gegen jede Öffnung ist ... 

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