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Herr Kogler, warum wird nur Pilnacek suspendiert?

Hat Christian Pilnacek, der einstige Generalsekretär im Justizministerium, damals eine bevorstehende Hausdurchsuchung durch die Korruptionsstaatsanwaltschaft verraten? Mag sein. Ich weiß es nicht. Das einzige, was ich weiß: Die von den mit den Staatsanwälten kooperierenden Medien vorgelegten Beweise für diese Behauptung sind extrem dünn. Auf Grund dieser Beweise alleine wird kein Gericht Europas (wenn man einmal jene zwischen Moskau, Minsk und Ankara ausschließt) Pilnacek verurteilen. Wenn die WKStA und die von ihr diesmal losgeschickte StA Wien nicht noch sehr rasch echte Beweise vorlegen, wird Pilnacek ein weiteres von mehr als 39.000 zu Unrecht verfolgten Opfern der WkStA sein. Dann wird ihr aber nicht einmal mehr ein grüner Justizminister (ob er dann Kogler oder Zadic heißt) die Mauer machen können, sollte er einen Mindestbezug zur Rechtsstaatlichkeit haben. Dazu liegt schon seit Jahren viel zu viel an Belastungsmaterial gegen die WKStA vor, wobei Juristen im Gespräch höchstens darüber streiten, ob Unfähigkeit oder ideologische Motivation die Hauptrolle spielen. (Mit nachträglicher Ergänzung).

Dazu gehören etwa ihre fehlschlagenden Strafverfolgungen vom BVT bis zu Bezirkshauptmännern, nur weil diese zu früh die Wahlkartenkuverts öffnen ließen. Dazu gehört das Scheitern absurder Verfahren gegen Eurofighter, gegen drei Innenministeriums-Sektionschefs oder eine Journalistin. Dazu gehört die Untätigkeit im größten Korruptionsfall der Nachkriegszeit, in dem eigentlich die SPÖ-Wien als Haupttäter verdächtig sein müsste. Dazu gehört illegales Abhören von Spitzenbeamten oder die häufige Verfahrensdauer von fünf bis zehn Jahren, sobald die WKStA involviert ist. Dazu gehört vor allem, dass in 99 Prozent der Fälle Menschen zu Unrecht verfolgt worden sind.

Das hat den Bundeskanzler schon vor Monaten zu öffentlicher Kritik an dieser Institution veranlasst (und nicht erst jetzt nach der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel, wie der ORF ständig zu suggerieren versucht). Dazu kommt nun in den allerletzten Tagen eine Reihe weiterer überaus bedenklicher Fakten.

Die wichtigsten Aspekte rund um die Staatsanwaltschaftsaktionen wie die Beschlagnahme von Laptos der Herrn Pilnacek und Ex-Minister Wolfgang Brandstetter:

  1. Selbst nach den Informationen, die als vermeintliche Rechtfertigung der Laptop-Beschlagnahmen bei Pilnacek und Brandstetter von der Staatsanwaltschaft sehr freundlich gegenüberstehenden Medien veröffentlicht worden sind, geht klar hervor, dass der Investor Michael Tojner schon vor der Hausdurchsuchung durch die WKStA von Journalisten informiert war, dass eine solche bevorsteht.
  2. Was hätte daher der behauptete Geheimnisverrat durch Pilnacek über seinen Rechtsbeistand Wolfgang Brandstetter, als welcher der ehemalige Justizminister damals fungiert hatte, überhaupt noch für einen Sinn haben sollen, wenn Tojner dadurch etwas erfährt, was er schon weiß? Was soll ihm diese Information noch geholfen haben?
  3. Dass Tojner den Staatsanwälten (und übrigens auch mir) wegen seiner Aktionen unsympathisch ist, ist eindeutig (mir wegen des stadtbildzerstörenden und von der Gemeinde Wien massiv unterstützten Hochhausprojekts Heumarkt, den linken Staatsanwälten hingegen wegen einer Immobilienaktion, bei der das rote Land Burgenland schlecht aussieht). Das ändert aber nichts daran, dass der Mann sicher intelligent genug war, um schon nach den ersten Journalistenhinweisen sämtliche belastenden Unterlagen zu entsorgen – sofern er solche besessen hat.
  4. Interessant wäre übrigens auch, von wem die Journalisten damals so früh über eine bevorstehende Hausdurchsuchung informiert worden sind. Das aber interessiert die Staatsanwaltschaft seltsamerweise nicht. Die Frage nach dem Warum dieses Desinteresses würde bei der Fernseh-Millionenshow möglicherweise nur als eine der ersten fünf Fragen gestellt werden.
  5. Dass sich Tojner bei seinem Rechtsbeistand intensiv und nervös nach einer bevorstehenden Hausdurchsuchung erkundigt und dass ihn dieser zu beruhigen versucht, kann nur jemand für ein belastendes Indiz halten, der prinzipiell jeden Nichtlinken für einen Todfeind hält, entweder aus Ideologie oder aus Paranoia.
  6. Auch dass Brandstetter versucht hat, mit dem ihm aus seiner Ministerzeit natürlich gut bekannten Pilnacek Kontakt aufzunehmen, ist legitim – wenn auch nicht sehr sinnvoll: Denn wenn Pilnacek etwa versucht hätte, die Hausdurchsuchung durch Ministerweisung abzudrehen (was Tojner vermutlich gewünscht hat), hätten das natürlich am nächsten Tag Falter, Standard und ORF erfahren und zu den größten Schlagzeilen des Jahres verwandelt. Ganz abgesehen davon, dass zu dieser Zeit der Minister Clemens Jabloner hieß und eine solche Weisung sicher abgelehnt hätte. Ist doch Jabloner ein eindeutiger SPÖ-Mann.
  7. Das einzige, woran sich die WKStA (und die von ihr jetzt wegen angeblichen Geheimnisverrats ins Rennen geschickte Staatsanwaltschaft Wien) bei ihren Vorwürfen klammern können, ist die Formulierung Brandstetters in einem SMS an Tojner: "Wenn die heute kommen: ganz ruhig bleiben." Daraus wird nun versucht, einen Informationsfluss über das Datum abzuleiten.
  8. Freilich war eben diese Information maximal eine über den Zeitpunkt eines schon sicheren Ereignisses, das in der Juristensprache als "certus an, incertus quando" bezeichnet wird. Zusätzlicher Nutzen für Tojner ist daraus nicht ableitbar.
  9. Und ganz eindeutig formuliert man nicht so, wenn Brandstetter das getan hätte, was die Staatsanwälte insinuieren. Dann würde man nämlich in etwa sagen: "Achtung, ich höre aus sicherer Quelle, dass es morgen eine Hausdurchsuchung geben wird!" – eventuell mit dem Zusatz: "Bitte alles Verdächtige löschen."
  10. Außerdem ist die Formulierung "Wenn die heute kommen" schon gar kein Beweis, dass diese wenig bedeutungsvolle Information von Pilnacek gekommen ist, gegen den die Staatsanwälte jetzt ebenfalls vorgegangen sind. Dass Tojners Rechtsbeistand Brandstetter mit diesem auch über dieses Thema redet, ist mit Sicherheit nicht strafbar. Sollte er auch formalrechtlich der Strafverteidiger von Tojner gewesen sein, wäre das sogar seine Pflicht gewesen.
  11. Strafbar wäre es nur, wenn er seinen ehemaligen Untergebenen Pilnacek zu einer solchen Aktion verleitet hätte. Dafür gibt es aber keinerlei Beweis. Weder hat Brandstetter in den auf Tojners Handy gefundenen SMS-Nachrichten behauptet, dass er etwas von Pilnacek erfahren hat (was er ja sicher getan hätte, um bei Tojner Eindruck zu schinden), noch gibt es von Pilnacek dazu irgendeinen Beweis.
  12. Dass die WKStA – beziehungsweise formal die StA Wien – dennoch gegen Pilnacek vorgegangen ist, riecht auf zehn Kilometer gegen den Wind nach einer Fortsetzung der Hass-Kampagne der WKStA gegen Pilnacek. Hat sie ihn als ihren einstigen als unangenehm empfundenen De-Facto-Vorgesetzten doch schon einmal rechtswidrig abgehört und erfolglos angezeigt.
  13. Bei Brandstetter bleibt übrigens eine Randfrage offen: Hat er da als offizieller Strafverteidiger oder als Freund agiert? Der Mann hat früher als Universitätsprofessor nebenbei auch als Strafverteidiger agieren dürfen, echter Rechtsanwalt war er hingegen nie. Hat er auch als ehemaliger Minister und VfGH-Richter das formal betreiben dürfen? Jedenfalls ist Tatsache, dass Tojner damals daneben schon echte (und durchaus renommierte) Anwälte gehabt hatte.
  14. Politisch bleibt in Hinblick auf Brandstetter zweierlei jedenfalls offen: Zum ersten war schon damals fraglich (und ist übrigens seither durch sein VfGH-internes Verhalten noch viel fraglicher geworden), ob die ÖVP mit seiner Nominierung eine gute Entscheidung für die Vertretung ihrer Werte im Gerichtshof getroffen hat. Zweitens ist es auch vielfach kritisiert worden, dass jemand von einem Regierungsamt binnen Wochen in den Verfassungsgerichtshof wechseln kann. Genau seinetwegen wird ja auch jetzt eine verpflichtende Abkühlphase zwischen dem politischen und dem Richteramt diskutiert.
  15. Zurück zur WKStA: Was wirklich (neuerlich und zusätzlich) ungeheuerlich ist, ist ihr heftiges Interesse am burgenländischen Immobiliendeal, wo die SPÖ Druck auf eine Verfolgung Tojners macht und ihr offensichtliches Desinteresse an der Wiener Heumarktcausa. In dieser hat Tojner offenbar größere Summen an einen Verein des damals überaus einflussreichen grünen Planungssprechers gespendet. Das war mehr als anrüchig, da Tojner ja gleichzeitig sehr von der Genehmigung seines großen Hochhausprojekts am Heumarkt durch die grüne Planungsstadträtin abhängig war, das so viele Wiener so empört. In dieser Causa sind jedoch seit langem zumindest keinerlei Aktivitäten der WKStA bekannt geworden (während die burgenländische Geschichte nach allem, was mir bekannt ist, gerade noch im Rahmen des rechtlich Möglichen abgelaufen sein dürfte, auch wenn Tojner die Burgenländer ziemlich raffiniert übernommen hat).
  16. Ebenso ungeheuerlich ist schließlich, dass die WKStA derzeit intensive Untersuchungen in Finanz- und Außenministerium anstellt, ob diese der Firma Novomatic bei ihren Steuerproblemen in Italien geholfen haben. Diese Untersuchungen werden jetzt von beiden Ministerien bestätigt. Nur ist völlig klar (auch wenn doktrinäre Linke jedes Unternehmen irgendwie für eine Verbrecherorganisation halten und daher automatisch auch jede Hilfe für österreichische Unternehmen im Ausland): Diesbezügliche Interventionen und Hilfen sind absolut legal und geradezu Pflicht eines Ministeriums. Das einzige, womit die Staatsanwälte eine rechtswidrige Korruption argumentieren können, wäre eine gleichzeitige Spende an die ÖVP. Solange es diese aber nicht gibt, oder sie zumindest nicht nachweisbar ist, können solche Auslands-Interventionen in einem Rechtsstaat niemals Gegenstand einer staatsanwaltschaftlichen Aktivität sein.

Zum ärgsten Skandal in diesen Tagen ist aber das Agieren des Justizministers selbst geworden, der derzeit Werner Kogler heißt. Kogler behandelt nämlich zwei extrem ähnliche Sachverhalte völlig ungleich, was eine massive Verletzung der Rechtsstaatlichkeit ist und was zeigt, dass er das Ministerium nicht korrekt führt:

  • Er hat Pilnacek sofort wegen des durch nichts bewiesenen, aber von der Staatsanwaltschaft behaupteten und angezeigten Verdachts des Geheimnisverrats suspendiert (und das auch öffentlich bekannt gemacht). Was eine massive öffentliche Demütigung und ein wohl dauerhafter Reputationsschaden für Pilnacek ist.
  • Gleichzeitig hat die Firma Novomatic eine Anzeige wegen "rechtswidriger Informationsweitergabe" an mehrere (linke) Medien eingebracht. Laut dieser Anzeige geht es dabei um "vertrauliche Unternehmensinformationen, die wohl nur unter Verletzung rechtlicher Bestimmungen erlangt werden konnten". Diese Informationen seien nur der Staatsanwaltschaft und den Mitgliedern des parlamentarischen U-Ausschusses bekannt gewesen. Zu diesem fast deckungsgleichen Vorwurf hat Kogler – absolut nichts unternommen. Er hat weder Verdächtige suspendiert, noch die Kriminalbehörden um eine eingehende Untersuchung dieses mindestens ebenso schweren Vorwurfs mit offensichtlich großem Schadenspotenzial gebeten (Hingegen ist im Falle, dass – möglicherweise – das genaue Datum einer ohnedies schon bekannten Aktion weitergeben worden ist, kein Schaden denkbar).

Könnte es sein, dass Herr Kogler kein Interesse hat, diesem Verdacht nachzugehen, weil er ahnt, dass da etwas für ihn sehr Unangenehmes herauskommen könnte?

PS: Wieder einmal jenseits der Grenze der Lächerlichkeit agiert der ORF. Er macht sich nämlich hämisch lustig darüber, dass sich die ÖVP über die WKStA aufregt, während doch die jetzigen Aktionen von der Wiener Staatsanwaltschaft durchgeführt werden. Der Gebührenfunk vergisst im Zuge seines einseitigen Informationsauftrags nur darauf hinzuweisen, dass diese Aktionen eine direkte Folge des Vorgehens der WKStA gegen Tojner und ganz offensichtlich auch von ihr zur Anzeige gebracht worden sind. Ärgert sich da jemand in der WKStA, bei Tojner wieder einmal nichts gefunden zu haben? Ihre Vorstellung von Rechtsstaat bestehen offensichtlich in einem ständigen Stakkato von rechtlich fragwürdigen Hausdurchsuchungen und Anzeigen.

PPS: Sicher ganz zufällig ist, dass die Aktionen gegen zwei prominente und als ÖVP-nahe geltende Juristen sowie vor allem deren öffentliche Bekanntgabe ausgerechnet in der Woche vor den Kärntner Landtagswahlen erfolgt sind …

Nachträgliche Ergänzung: Ein aufsehenerregendes Interview mit Ex-Justizminister Brandstetter macht neue Skandal-Dimensionen rund um die Staatsanwaltschaft offenkundig: Erstens haben schon wieder Journalisten vor Brandstetter von den Erhebungen gegen ihn erfahren. Zweitens hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht reagiert, als Brandstetter als Reaktion auf diese Journalistenanfragen dort nachgefragt hat. Dafür ist, drittens, stattdessen eine Staatsanwältin der vorgeschickten Staatsanwaltschaft Wien unangekündigt mitten in eine Sitzung des Verfassungsgerichtshofs geplatzt, was zweifellos die Taktik gewesen ist, mit der man am meisten Aufsegen erregen konnte. Durch diese "völlig unnötige Vorgangsweise", die nicht der "normale" Weg gewesen sei, sei die Angelegenheit medial "aufgeblasen" worden. Mit gutem Grund spricht Brandstetter deshalb offen von Grundrechtsverletzungen auch gegen ihn. Aber selbst ein Verfassungsrichter ist offensichtlich gegen diese Staatsanwaltschaft hilflos. Interessant auch seine Antwort auf die Frage, warum er nicht zurücktritt: "Sonst könnte man von außen ja sehr leicht in die Zusammensetzung des Gerichtshofs eingreifen, und das darf nicht sein." Das enthält natürlich einen weiteren massiven Vorwurf an die Staatsanwälte - auch wenn er nur indirekt ausgesprochen wird -, aus welchen Motiven immer leichtfertig mit dem Rechtsstaat umzugehen. Am gravierendsten aber sein Vorwurf: "Wir haben in Österreich, das habe ich auch immer wieder kritisiert, ein rechtsstaatliches Defizit beim Grundrechtsschutz, das auch vom Ausland kritisiert wird. Das beginnt damit, dass immer wieder das Amtsgeheimnis verletzt wird. Wenn man nicht darauf vertrauen kann, dass eine Behörde entsprechend dem Gesetz Informationen vertraulich behandelt, bevor ein Verfahren öffentlich ist, dann untergräbt das das Vertrauen in die Justiz." Und auf die Frage, wer denn das Amtsgeheimnis verletze, sagt er nur scheinbar kryptisch: "Wer auch immer." Und dann viel konkreter: "Zumeist werden Akten an Journalisten weitergespielt, die dann darüber berichten." Eine Frage wird Brandstetter leider nicht gestellt: Warum hat er als Minister nichts gegen die offensichtlichen Fehlentwicklungen in der Staatsanwaltschaft unternommen? Ist es wirklich nur an der SPÖ gescheitert? Oder war er selber zu wenig energisch?

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