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Was für eine peinliche Garde regiert doch dieses Land!

Dieser Ruf drängt sich angesichts der jüngsten Wortmeldungen der Herren Schallenberg, Ludwig und Brandstätter rund um das Thema Atomwaffen auf. Anlass waren das formaljuristische Inkrafttreten eines sogenannten Atomwaffenverbotsvertrags und die vom österreichischen Außenministerium deswegen in Auftrag gegebene Produktion einer Video-Fiktion (für die Zensurplattform Youtube), in der gezeigt wurde, welche katastrophale Folgen ein Atombombenabwurf über Wien hätte.

Dieses Video macht primär zweierlei bewusst:

Erstens, wie leicht doch in der Politik – nicht nur im Außenamt und nicht nur auf Bundesebene – das Geld der Steuerzahler für etwas ausgegeben wird, dessen unmittelbarer Zweck nur in den elfenbeinenen Behördentürmen (in diesem Fall der Diplomaten) ersichtlich sein mag, sonst aber nirgendwo.

Und zweitens, wie naiv viele österreichische Diplomaten und insbesondere der aus ihrer Mitte hervorgegangene Alexander Schallenberg doch die Weltpolitik sehen. Denn dieser kommentierte das Inkrafttreten des Vertrags (und den Anlass der Filmproduktion) mit folgendem Satz: "Mit dem Atomwaffenverbotsvertrag läuten wir den Anfang vom Ende dieser heimtückischen Waffen ein."

Mein Gott, Schallenberg! Glaubt der das wirklich? In der wirklichen Welt gibt es mindestens 13.400 Atomwaffen in den Händen von mindestens neun Mächten. Durch den von Schallenberg gefeierten Vertrag wird aber keine einzige davon verschrottet, eliminiert oder außer Funktion gesetzt. Es verzichtet auch kein einziges anderes Land, das noch keine hat, auf deren heimlich-unheimliche Entwicklung. Weder Nordkorea noch Iran, um nur die beiden derzeit übelsten Nuklearbastler zu nennen. Höchstens Länder wie die Schweiz - die einst tatsächlich sehr intensiv über Atombomben nachgedacht hatten - werden den Vertrag ernst nehmen.

Dieser Vertrag war letztlich nur eine Beschäftigungstherapie für die internationalen Diplomaten – die Österreicher waren dabei besonders eifrig –, und der Versuch, irgendwie zu zeigen, dass sie doch nicht überflüssig sind. Der Vertrag ist ungefähr so effizient wie es all die unzähligen Gewaltverzichts-Abkommen vor den beiden Weltkriegen gewesen sind und vor den weit mehr als hundert Kriegen, die seit 1945 getobt haben.

Gewiss kann man sagen: "Nutzt‘s nicht, so schadet‘s nicht". Nur tut es dennoch weh, wenn ein österreichischer Minister solche Sätze von sich gibt, die zeigen, dass er nur wenig Ahnung von der Außenwelt hat.

Auf dem gleichen Intelligenzniveau bewegen sich aber auch die Reaktionen der linken Politiker und Medien, insbesondere des Wiener Bürgermeisters, auf das Video. Michael Ludwig kritisiert nämlich nicht etwa die Irrelevanz der diplomatischen Bemühungen, sondern die "Angstmacherei und billige Effekthascherei" des Außenministeriums durch den Atombombenfilm. "Wer mit Angst und Schrecken spielt, beweist, dass er jegliches Gespür für die Menschen verloren hat."

Diese Sätze sind vor allem aus dem Mund eines SPÖ-Politikers mehr als erstaunlich. Wird nicht seit einem Jahr ständig von allen Regierungen – aber ganz besonders den linken – Angst und Schrecken vor einem Virus gemacht? Ludwig scheint auch keine Ahnung vom früheren Verhalten der Linken zu haben. Denn in den zwei Jahrzehnten nach 1968 war die Angstmacherei vor einem Atomkrieg sogar der wichtigste gemeinsame Nenner aller Linksparteien.

Vielleicht wollen SPÖ & Co aber heute nichts mehr davon wissen. Hat sich doch nach 1990 herausgestellt, wie sehr diese lautstarken Atomkampagnen vor allem aus der DDR gesteuert und finanziert worden sind. Es waren jedenfalls die westlichen Linken, die damals als Angstmacher unterwegs waren, die billige Effekthascherei betrieben haben. Denn nichts anderes waren die sogenannten Friedensmärsche, bei denen sich Tausende tot auf die Straße legten, um die Opfer eines Atomkrieges darzustellen.

Dabei hatten die Atomwaffen damals sogar noch eine viel größere friedenspolitische Funktion: Das Wissen – oder zumindest die Vermutung, dass der Westen einen Vorstoß der massiv überlegenen sowjetischen Panzertruppen an Rhein und Atlantik atomar beantworten wird, hat die Sowjets immer von einem solchen Angriff abgehalten. Dieser Zusammenhang – und nicht EU, UNO oder KSZE, wie Diplomaten in einer anderen ihrer Selbstwerterhöhungsbemühungen behaupten – war der wichtigste Grund, warum wir in Europa ein Dreivierteljahrhundert keine Kriege hatten. Einzige Ausnahme dieser Friedensepoche waren die Jugoslawien-Kriege und der Ukraine-Krieg (wobei es die Ukraine übrigens bis heute bitter bereut, dass sie nach Zerfall der Sowjetunion alle Atomwaffen weggegeben hat; denn hätte sie noch welche gehabt, wäre sie von Putins grünen Männchen sicher nicht überfallen worden).

Heute ist die atomare Bewaffnung leider noch viel verbreiteter als damals. Heute sind überdies die Konfrontationslinien viel unübersichtlicher geworden. Es waren erst in den vergangenen Jännertagen gerade linke Politiker und Medien, die Angst vor einem Einsatz der Atomwaffen durch Donald Trump geschürt haben. Und es sind auch durchaus ernstzunehmende Menschen, die Sorge haben, wie sich der von fanatischen Mullahs regierte Iran verhalten wird, der ja allen Verträgen zum Trotz munter an Atomwaffen in den Diensten des Propheten bastelt.

Man müsste heute eigentlich viel mehr Bauchweh haben als damals, als große westliche Politiker wie die Herren Reagan und Schmidt die Nerven und Europas Schutz bewahrt haben. Aber heute ist beim linken Zeitgeist gerade eine andere Furcht modisch, nämlich die vor dem angeblichen Klimatod der Erde. Heute legen sich wegen dieser – noch viel unrealistischeren – Gefahr Schüler und Studenten zu Tausenden auf die Straße.

Da ist es an sich durchaus richtig und notwendig, die furchtbaren Gefahren eines Atomkrieges in Erinnerung zu rufen. Denn auch wenn die Gefahr sehr, sehr klein ist, so sind doch nie Irrtümer, technische Pannen, Kettenreaktionen (ausgelöst durch einen nach einem falsch interpretierten Raketenabschuss Alarm auslösenden Computer), oder das Durchdrehen eines in die Ecke gedrängten Diktators  ganz ausschließbar. Die Folgen wären katastrophal. Sie wären schlimmer, als wenn die derzeit von allen Linken beschworene, aber in Wahrheit ebenfalls sehr, sehr kleine Gefahr einer – durch was auch immer verursachte – Erderwärmung um zwei oder drei Grad einträte.

Es ist daher durchaus legitim, bisweilen an die Atomwaffengefahr zu erinnern, ebenso wie es lächerlich ist, über deren "Ende" durch einen Vertrag zu schwadronieren, den keine einzige Atom- oder Fast-Atommacht unterzeichnet hat.

Aber ebenso lächerlich ist es eben auch, wie Ludwig oder Kronenzeitung lautstark gegen die Erwähnung der Atomgefahr zu protestieren, weil wir ja jetzt andere Sorgen hätten. Ganz gewiss haben wir diese anderen Sorgen auch – diese aber machen das Vorhandensein so vieler Atomwaffen in so vielen Händen um kein bisschen weniger problematisch.

Ludwig hat vielleicht einmal gehört, dass Wien die Stadt ist, in der ein gewisser Sigmund Freud den Mechanismus der Verdrängung entdeckt hatte. Aber das ist noch absolut kein Grund, dass im Wiener Rathaus ständig eine Verdrängung versucht wird. Motto: Wenn wir die Atombomben ignorieren, dann gibt es sie nicht. Oder hat Ludwig seine Argumentation von kleinen Kindern abgeschaut, die auch häufig glauben, dass etwas Unangenehmes verschwindet, wenn sie die Hände vor die Augen halten?

Die skizzierten Dummheiten werden vom Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter noch fast übertroffen. Er fragt in Hinblick auf die Angst vor dem Abwurf einer Atomwaffe allen Ernstes: "Gibt es Umfragen, dass die Mehrheit das nicht schlimm fände?"

Also: Machen wir eine Umfrage, dass wir das alle nicht wollen, und schon haben wir ewigen Frieden! Dass da die Neos nicht früher draufgekommen sind …

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