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Donald Trump hat in den letzten Tagen seiner regulären Amtszeit durch eine ganze Reihe von Rumpelstilz-Aktionen endgültig sein politisches Ansehen vernichtet. Er hat gleichzeitig seinen (wirklich noch seinen?) Republikanern eine Niederlage bei den Nachwahlen und damit den Verlust der Mehrheit im US-Senat eingebracht. Er hat die Partei tief gespalten und er hat zuletzt Tausende Anhänger aufgehetzt, die in der Folge gewaltsam und mit Waffen sowie Sprengkörpern in den US-Kongress eingedrungen sind und dort eine Parlaments-Sitzung unterbrochen haben. Damit wird er auch für viele konservative Amerikaner zur totalen Minusfigur und bringt sich um jede Chance auf ein (von seinen verbliebenen Anhängern erhofftes) Comeback. Dabei hat er außenpolitisch größere Erfolge als viele seiner Vorgänger erzielt. Dabei ist es Tatsache, dass er mehrfach unfair behandelt worden ist. Dabei stellen viele Vorfälle rund um die Präsidentenwahlen der Qualität der US-Demokratie kein gutes Zeugnis aus.
Doch Trump hat eine Tatsache nicht begriffen: Die problematischen Vorfälle rund um die Wahlen haben kein Gericht der USA dazu gebracht, die Legitimität das Wahlausganges in Frage zu stellen. Auch das US-Höchstgericht, obwohl dessen Richter mehrheitlich von republikanischen Präsidenten ernannt worden sind, hat es abgelehnt, dies zu tun. Daher war es nur noch peinlich, rechtswidrig und dumm, dass Trump zuletzt von seinem Vizepräsidenten Mike Pence verlangt hat, die Zertifizierung der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten zu verhindern.
Nicht einmal bei seiner eigenen Partei gab es zuletzt eine Mehrheit für dieses Unterfangen. Und Pence stellte sich unter Berufung auf die US-Verfassung mutig diesem Verlangen Trumps in den Weg, nachdem er immerhin vier Jahre lang Trump ohne Widerspruch die Treue gehalten hatte. Aber nicht einmal das hat die Tausenden von Trump nach Washington geholten Trump-Anhänger zur Vernunft gebracht. Stattdessen haben diese das offensichtlich ungenügend geschützte US-Kapitol gestürmt und dabei auch Waffen eingesetzt. Sie konnten mehrere Stunden eine Unterbrechung einer Parlamentssitzung herbeiführen. Unklar ist vorerst nur, wer am Tod einer Frau bei diesen Randalen schuld war.
Aber jedenfalls ist das Ganze eine Aktion ohne jeden Sinn und Zweck gewesen, die nur Trump lebenslänglich und seiner (seiner?) Partei auf viele Jahre schweren Schaden zugefügt hat.
Dieser Sturm aufs Kapitol wird in die Geschichte als entscheidender Wendepunkt der amerikanischen Geschichte eingehen. Viel zu spät hat der abgewählte Präsident seine Anhänger zum Heimgehen aufgefordert. Seine (seine?) Partei ist nach den Vorfällen dieser Stunden nicht mehr als das glaubwürdig, was bisher ihr wertvollster Markenkern gewesen ist: als Partei von Recht und Ordnung.
Mit dem Versuch, fünf nach zwölf Pence in einer absurd-verzweifelten Aktion noch aufzuhetzen, die Verfassung zu verletzen und die Stimmen der Wahlmänner aus den umstrittenen Bundesstaaten für ungültig zu erklären, hat Trump auch noch (zumindest bei seinen verbliebenen Anhängern) die Autorität von Pence zertrümmert. Dabei wäre dieser eigentlich ein hervorragender Kandidat für die nächsten Präsidentenwahlen. Pence hatte bisher bei den Trump-Anhängern wie auch bei den republikanischen Trump-Skeptikern hohen Respekt genossen.
Das ist wirklich nur noch eine Politik der verbrannten Erde.
Gewiss, Trump ist als Unternehmer wie auch als Politiker vor allem deshalb lange erfolgreich gewesen, weil er auch in schwierigen Situationen nie aufgegeben hat. Aber in den letzten Wochen hat er es einfach zu weit getrieben und damit den Vorwurf vieler seiner Kritiker bestätigt, dass es ihm nur um das eigene Ego geht und nie um die Sache. Und die letzten Stunden haben nun endgültig seinen politischen Tod herbeigeführt und jede Chance auf ein Comeback vernichtet.
Denn zu den Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaates gehört es, sich höchstinstanzlichen Gerichtsurteilen zu fügen, auch wenn man sie kritisiert und für falsch hält. Wie es etwa auch – sorry für den banalen Vergleich – im Fußball für Schiedsrichterentscheidungen gilt (wenngleich die dort übliche Bezeichnung "Tatsachenentscheidung" sprachlicher Unsinn ist).
An der Schuld Trumps ändert auch die Tatsache nichts, dass es wirklich massive Einwände gegen die Fairness der Wahlen gibt. Es ist schlicht eine üble Lüge, wenn Mainstreammedien behaupten, die US-Wahlen würden "beweisfrei" kritisiert. Vielmehr wären diese eigentlich eindeutig zu wiederholen, würde die US-Justiz die gleichen strengen Maßstäbe anwenden wie etwa der österreichische Verfassungsgerichtshof, als er eine Wiederholung der letzten Bundespräsidentenwahlen angeordnet hat. Für den VfGH genügte als Anlass der Wahlaufhebung, dass bei Wahlkarten vielerorts die Überkuverts schon vor der offiziellen Auszählung geöffnet worden sind (ohne dass es irgendeinen Hinweis auf Manipulationen oder gar eine Beeinflussung des Wahlergebnisses gegeben hätte).
Diese Mängel bei der österreichischen Wahl sind aber eindeutig Lappalien gewesen gegen die zwei zentralen Defizite der letzten US-Wahl:
Beide Vorwürfe sind gravierend und zutiefst verstörend. Wenn man das klar sagt, ist aber sofort ebenso klar hinzuzufügen: Sie beweisen nicht, dass Trump eigentlich gewonnen hat.
Sie hätten maximal zu einer Wiederholung der US-Wahlen führen können, und nach der österreichischen Judikatur auch müssen. Das aber wäre eine ungeheure, noch nie dagewesene Belastung für das Land geworden. Deshalb verstehe ich auch Trump im Prinzip freundlich gesinnte Richter, wenn sie sich nicht zu einem solchen Schritt durchgerungen haben.
Beide Vorwürfe werfen jedenfalls einen schweren Schatten auf die Sauberkeit der US-Demokratie. Beide Bereiche sind in den USA freilich bisher rechtlich nicht geregelt gewesen. Sie sollten daher zumindest für die Zukunft dringend und sauber ausgeschlossen werden, wenn das Land wieder als ordentliche Demokratie gelten will.
Dabei sind die USA in der Vergangenheit zweieinhalb Jahrhunderte das weltweite Vorbild in Sachen Demokratie gewesen.
Neben diesen beiden, die Grundprinzipien einer sauberen Demokratie verletzenden Fällen kann sich Trump noch über drei andere Komplexe mangelnder Fairness beklagen, die aber wohl keine Rechtswidrigkeit bedeuten:
All diese empörenden Vorfälle wurden aber nun durch Trumps Rolle bei den Randalen seiner Anhänger, die er nach Washington geholt und mit einer aggressiven Rede angefeuert hat, vor und im amerikanischen Parlament völlig überdeckt. Diese Schuld kann er auch dadurch nicht mehr vergessen machen, dass er ihnen dann später mitteilen ließ: "Geht nach Hause".
Fast genauso schlimm wie diese Rolle ist die fehlende Bereitschaft Trumps, Gerichtsurteile zu akzeptieren. Beides bestätigt die Zweifel vieler, ob der Mann charakterlich für das höchste US-Amt überhaupt geeignet gewesen ist.
Es ist jetzt durchaus möglich, dass beides auch noch zu Gerichtsverfahren gegen Trump führen könnte. So wenig die Impeachment-Vorwürfe gegen ihn begründet gewesen sind, so sehr lässt sich Trumps Verhalten in den letzten Wochen und Stunden als Verstoß gegen die amerikanische Verfassung werten.
Trump hat seine (seine?) Partei aber auch schon davor zutiefst empört und gespalten, als er im Dezember voller Frust und Zorn gegen das Verteidigungsbudget sein Veto eingelegt hat. Damit drohte die US-Armee plötzlich ohne Geld dazustehen. Das war für die Republikaner ein tiefer Schock. Beschädigte Trump doch damit auch den zweiten Markenkern seiner (seiner?) Partei: Das war immer die Tatsache gewesen, dass die Republikaner stärker und eindeutiger als alle anderen hinter den Streitkräften stehen.
Das hinderte Trump jedoch nicht, gleich auch den dritten Markenkern der Identität der Republikaner zu zerstören: Diese waren immer die Partei der wirtschaftlichen Vernunft und Mäßigung gewesen. Daher wollten sie im US-Kongress zuletzt auch ein allzu üppiges Ausufern der Corona-Entschädigungszahlen verhindern. Trump jedoch wollte das Gegenteil und versuchte sich im Konflikt mit seiner Partei als besonders freigiebiger Geldverteiler zu profilieren.
Und zuletzt hat er seiner Partei noch einmal schwer dadurch geschadet, dass er ihr die fast sicher scheinende Mehrheit im US-Senat gekostet hat. Denn er hat seit Wochen – außer Golfspielen – rund um die Uhr fast nur eines getan: ständig zu jammern, dass ihm der Wahlsieg durch einen Betrug gestohlen worden sei. Das hat zweifellos einen Teil der zu den Republikanern tendierenden Wähler demotiviert. Gar nicht so wenige werden sich als Reaktion gesagt haben: Es hat offenbar eh keinen Sinn, wählen zu gehen, weil nachher eh alles manipuliert und gefälscht wird.
Absolut unfassbar, wie ein Mann in wenigen Wochen sich, seine Partei und das Ansehen der größten Demokratie der Welt beschädigen kann. Aber zugleich bin ich sicher: Partei und Land werden sich irgendwann erholen. Rumpelstilz nicht mehr.