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Es ist gespenstisch: In Corona-bedingter Trennung und Isolation werden am Samstag 1001 Menschen die seit langem wichtigste Entscheidung für die Zukunft Europas treffen. Dennoch wird in Europa vielfach die Bedeutung dieser Entscheidung nicht begriffen, so sehr hat ein (auch) geistiger Lockdown die Menschen mittlerweile in biedermeierliche Depression gestürzt. Depressiv macht aber auch die Tatsache, dass diese 1001 durch Video-Leitungen mediatisierten Delegierten des CDU-Bundesparteitags ganz andere Prioritäten zu haben scheinen als die Mitglieder und Wähler der Partei.
Damit schrumpfen auch die noch vor wenigen Monaten großen Hoffnungen, dass der lähmende und immer weiter nach links gehende Merkelismus der letzten 15 Jahre durch einen kraftvollen liberalkonservativen Neuanfang abgelöst werden könnte.
Diese Hoffnung heißt Friedrich Merz. Er ist der einzige erfreuliche Kandidat für das Amt des Vorsitzenden der größten Partei im größten Land der EU. Aber der Mann, der einst von Merkel aus der CDU-Fraktionsführung hinausintrigiert worden war, der noch im Herbst lange als Favorit auf ihre Nachnachfolge gegolten hat, wird derzeit angeblich nur noch von einem knappen Drittel unterstützt.
Der Rest verteilt sich auf Unentschlossene und die anderen beiden, nur noch knapp hinter Merz liegenden Kandidaten, die entweder für eine getreue Fortsetzung des Merkel-Kurses stehen (der Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident Armin Laschet) oder die gar noch weiter links stehen, sofern das überhaupt am Ende der Merkel-Jahre möglich ist (Ex-Minister Norbert Röttgen).
Viele CDU-Funktionäre ließen sich offensichtlich vom Anti-Merz-Trommelfeuer der linken Medien beeindrucken, aber wohl auch von heimlichen Merkel-Intrigen gegen Merz. Zusätzlich wäre es nicht überraschend, würde Röttgen im letzten Augenblick einen Rückzieher zugunsten von Laschet machen, um Merz zu verhindern. Laschet hat sich auch schon seit längerem die Unterstützung von Gesundheitsminister Jens Spahn verschafft, der früher, so wie Merz, Vertreter einer konservativen Richtungsänderung gewesen zu sein schien. Spahn hat allerdings schon beim letzten CDU-Parteitag durch seine eigene Kandidatur Merz den Sprung an die Parteispitze gekostet und dadurch ermöglicht, dass Merkel-Klon Annegret Kramp-Karrenbauer für kurze Zeit CDU-Vorsitzende geworden ist.
Mit Ausnahme von Merz scheinen alle Kandidaten zu schwach, um selbst Bundeskanzler zu werden. Eine Wahl Laschets oder Röttgens zum CDU-Chef würde daher die Chancen von Markus Söder erhöhen, CDU/CSU-Kanzlerkandidat zu werden. Söder ist der Chef der bayrischen CSU, die mit der CDU in einer gemeinsamen Fraktion verbunden ist. Er hat in den letzten Monaten eine geradezu beängstigende Anpassungsfähigkeit – um es höflich zu formulieren – gezeigt und sich von einem betont konservativen und immigrationskritischen Politiker ganz zu einem Merkel-Anhänger verwandelt. Söder bereitet schon eine innige Liebesheirat mit den Grünen vor. Um seine eigene Kanzlerkandidatur einzufädeln hat sich Söder lautstark hinter die Kandidatur Laschets zum CDU-Parteichef gestellt. Dieser gibt zwar noch vor, eigentlich selber Kanzlerkandidat werden zu wollen. Aber ganz Deutschland geht davon aus, dass bei einem CDU-Votum für Laschet dann Söder Bundeskanzler werden will. Das kann nur noch Merz verhindern.
Nun, wirklich voraussagen lässt sich das Verhalten der CDU-Funktionäre nicht, haben sie doch in Corona-Zeiten nirgends öffentlich ihre Präferenzen ausdiskutieren können, gibt es doch über ihre Einstellung keine seriösen Umfragen. Daher ist letztlich noch alles offen und wird wirklich spannend.
Tatsache ist: Merz ist der einzige Kandidat, bei dem es zumindest die Hoffnung gibt, dass nicht ewig eine linke – rote oder grüne – Partei in der Regierung sitzt; dass mit ihm Deutschland und damit Europa nicht immer noch weiter nach links rücken wird. Das kann freilich nur durch eine Kooperation mit der AfD gehen. Das würde allerdings bei den Linksmedien einen gewaltigen Proteststurm auslösen. Das stößt auch auf die zusätzliche Schwierigkeit, dass die AfD selbst derzeit von Richtungskämpfen gebeutelt wird. Überdies hat sie in Zeiten der Corona plötzlich kein dominantes Thema mehr. Merz hat eine Kooperation mit der AfD auch nie offen angepeilt, aber ihm ist als einzigem ein solcher mutiger und wegweisender Versuch zumindest zuzutrauen.
Zugleich würde Merz der CDU die meisten der Stimmen zurückbringen, die die Christdemokraten an die AfD verloren haben.
Allerdings warnt das politische Gedächtnis davor, allzu blind konservative Hoffnungen auf Merz zu setzen: Hat doch auch Merkel einst am Anfang betont konservativ-wirtschaftsliberale Ansagen abgegeben, als sie um die Spitzenfunktionen gekämpft hatte. Danach aber hat sie ganz ähnlich wie zuletzt auch Söder nur eine Richtung gekannt: die vom rechten Rand der Union nach links. Also heißt es, nicht nur die Entscheidungen der CDU-Funktionäre, sondern dann auch den wirklichen Kurs des neuen Mannes an der Spitze abzuwarten. Wer auch immer es wird. Insbesondere, da man als Ausländer da ja sowieso nichts mitzureden hat.
Aber gerade als solcher weiß man auch, dass der Posten des deutschen Bundeskanzlers die wichtigste politische Funktion in ganz Europa ist. Diese wird nach dem versprochenen Abtritt Merkels noch vor den Bundestagswahlen in acht Monaten mit einem neuen Gesicht besetzt werden. Daher ist die Entscheidung der 1001 Delegierten wichtiger als viele große Wahlgänge in Europa.
Zugleich kommt die Erinnerung auf, für wie viele katastrophale Fehlentscheidungen Angela Merkel hauptverantwortlich war. Diese Fehlentscheidungen hatten nicht nur enorme Auswirkungen auf Deutschland, sondern auch auf ganz Europa.
Die zehn wichtigsten dieser Fehler auf dem Schuldkonto Merkels:
Es wäre nun utopisch zu glauben, ein Bundeskanzler Merz könnte binnen kurzem all diese Fehlentwicklungen herumreißen - selbst wenn Merz wider alle sich abzeichnenden Trends Kanzler werden sollte. Hat er doch für die dringend notwendige konservativ-wirtschaftsliberale Politik nicht einmal eine parlamentarische Mehrheit. Aber dennoch ist gewiss: Merz denkt in fast allen zuvor erwähnten Punkten vernünftiger als Merkel.
Es ist ebenso gewiss: Merz ist mittlerweile die einzige, ja wohl die letzte Hoffnung auf eine Rückkehr der Vernunft nach Deutschland. Und damit Europa.
PS: Interessant sind die Auswirkungen der skizzierten Merkel-Politik auf Österreich. Diese schadet auf industrieller Ebene gewaltig, weil Österreichs Industrie massiv der deutschen Autoproduktion zuliefert. Ebenso negativ sind die von Merkel ermöglichten europäischen Finanzentscheidungen. Österreich ist überdies auch Opfer der deutschen Migrationspolitik. Aber auf einer anderen Ebene profitiert die Alpenrepublik: nämlich auf jener der Energiepolitik. Österreich kauft billigen deutschen Überschussstrom, wenn beim Nachbarn die Sonne scheint oder der Wind weht; es verwandelt diesen über die alpinen Speicherkraftwerke in teuren Spitzenstrom; und es verkauft diesen sehr gut zu Zeiten, da die Strompreise mangels Sonne und Wind hoch sind.