Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Politiker sind in einer Fähigkeit perfekt: aus Rück- und Fehlschlägen durch geschicktes Marketing einen verbalen Erfolg zu machen. Besonders erfolgreich sind sie in der EU mit solchen Inszenierungen. Wochenlangem Krisengeschrei ist jetzt wieder ein Gipfel gefolgt, nach dem nun wieder alle von einem großartigen Erfolg schwadronieren. Dabei ist die EU auf allen Ebenen – nicht nur der des Gipfels – in den letzten Stunden und Tagen von einer Katastrophe in die nächste schlechte Scheinlösung getaumelt. Daraus sind jetzt schon erkenntliche schwere Schäden für den europäischen Wohlstand, für die Überlebenschancen der EU und für Europas Rechtssicherheit entstanden. Als besonders begabt in diesem Spiel Krisengejammer-Katastrophenlösung-Erfolgsjubel haben sich die beiden deutschen Frauen an der derzeitigen Spitze in Kommission und Rat erwiesen; aber auch die Regierungschefs aus Österreich und Ungarn haben viele Spin-Doktoren und Hof-Journalisten losgeschickt, mit deren Hilfe sie jetzt Misserfolge zu Erfolgen hochzujubeln versuchen.
Wir lernen das oberste EU-Gesetz: Ein "Erfolg" besteht nicht etwa in einer guten und langfristigen Lösung eines Problems, sondern nur darin, dass am Ende des Gipfels alle behaupten: "Es war ein Erfolg".
Der langfristig wohl schwerste Schaden für Europas, aber ganz besonders für Österreichs Wirtschaft und damit Arbeitsplätze und damit Wohlstand ist durch die Verschärfung des sogenannten Klimaziels entstanden. Diese Verschärfung besteht darin, dass die CO2-Emissionen in der EU nunmehr um 55, statt wie bisher vorgeschrieben "nur" um 40 Prozent gegenüber den Werten von 1990 gesenkt werden müssen. Ohne (neuerlich) die ganze grundsätzliche Fragwürdigkeit des Klimaalarmismus aufzurollen, sind – auch besonders aus österreichischem Interesse – diese neuen Vorgaben des EU-Gipfels aus vielen Gründen besonders fragwürdig und sinnlos bis schädlich:
An den katastrophalen Wirkungen dieses Beschlusses ändert die Kampagne der diversen linken NGOs überhaupt nichts, denen eine 55-prozentige Reduktion sogar noch viel zu gering ist. Diese NGOs werden aber sowieso erst zufrieden sein, wenn wir endgültig zurück in der Steinzeit sind.
Bundeskanzler Kurz aber ist zu fragen, ob er es wenigstens selber glaubt, wenn er ankündigt, dass bei der Detailumsetzung auf die Wettbewerbsfähigkeit – etwa von Österreichs größtem Industriebetrieb, der Voest, – zu achten sein wird. Oder wenn er meint, dass diese Beschlüsse keine Forcierung der europäischen Atomkraft auslösen dürfen, obwohl diese als einzige Technologie zu stabiler Stromproduktion ohne CO2-Emissionen imstande ist.
Das wäre zweimal sehr naiv gedacht.
In ihrem Konflikt mit der EU haben sich Ungarn und Polen zu großen Siegern erklärt. Beide Regierungen wollen vor allem aus innenpolitischen Gründen diesen Eindruck erwecken. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass der amerikanische Staatsbürger George Soros, der sich seit Jahren wie der Führer der ungarischen Opposition geriert, den beim Gipfel erzielten Kompromiss wild als die "schlechteste aller mögliche Welten" attackiert (womit er im übrigen die ungarischen Vorwürfe bestätigt, dass er sich ständig ohne Kompetenz in innereuropäische Dinge einmischt, was er ja schon durch Finanzierung vieler linker und insbesondere migrationsfördernder NGOs in Europa tut).
Nur stimmt dieser Eindruck überhaupt nicht.
Denn die beiden Länder haben in Wahrheit fast überhaupt nichts erreicht. Sie jubeln zwar darüber, dass sie jetzt dem EU-Gerichtshof den sogenannten Rechtsstaats-Mechanismus vorlegen dürfen, welcher die Kommission legitimiert, angeblichen Rechtsstaats-Verletzern EU-Gelder zu streichen, die ihnen eigentlich zustehen würden.
Das wird zwar als toller Erfolg verkauft. In Wahrheit aber hätten die beiden Länder natürlich auch ohne diesen Gipfelbeschluss genauso zum EuGH gehen können. Der EuGH aber wird mit großer Wahrscheinlichkeit ohnedies gegen Ungarn und Polen judizieren. Erstens weil in diesem sehr politisch zusammengesetzten Gerichtshof die Richter aus jenen Ländern die Mehrheit bilden, die Polen und Ungarn feindlich gegenüberstehen. Und zweitens weil sich kein Gerichtshof die Möglichkeit aus den Händen schlagen lässt, noch mehr Allmacht bei sich selbst zu akkumulieren.
Diese Allmacht hat der Gerichtshof natürlich, sobald er selbst die Kompetenzkompetenz hat, zu definieren, was Rechtsstaatlichkeit als Anforderung an die einzelnen Mitgliedsländer überhaupt sein soll. Dieser Begriff ist ja in der EU nie durch Gesetze oder Verträge präzisiert worden. Daher macht die jetzt dem EuGH eingeräumte Befugnis, sie zu definieren, geradezu allmächtig.
Man denke etwa daran, mit welch windigen Argumentationen dieser EuGH einst das gesamte österreichische Universitäts- und Gesundheitssystem an den Rand der Katastrophe gebracht hat, als er den Zugang für alle europäischen Studenten (de facto vor allem deutsche, die zu schlecht für ein Studium in Deutschland sind) zum österreichischen Gratisstudium erzwungen hat. Dabei ist das gesamte Bildungssystem eigentlich laut EU-Vertrag der EU-Kompetenz entzogen.
Auch der zweite angebliche Kompromisserfolg Ungarns und Polens ist keiner: nämlich die scheinbare Beschränkung dieser Rechtsstaatlichkeitsklausel auf Vorgänge, bei denen EU-Gelder involviert sind. Denn letztlich sind ja längst in alle Vorgänge irgendwo irgendwie EU-Gelder und Regeln involviert. Das, was in den ohnedies noch unverbindlichen Gipfel-Beschlüssen steht, ist keine Beschränkung des Eingriffs in nationale Souveränität, das ist höchstens die Aufforderung an Juristen in Klageschriften gegen die beiden Länder die Involvierung von EU-Geldern zu argumentieren.
Damit ist die EU endgültig von einem Staatenbund zu einem Bundesstaat geworden. Eine historische Wasserscheide ist überschritten.
Die meisten Europäer begreifen die Konsequenz all dessen noch gar nicht. Sie glauben, das geht ja eh nur gegen Polen und Ungarn. Aber in Wahrheit können sich künftig Kommission und Gericht im Zusammenspiel in wirklich jedes nationale Detail einmischen. Was sie auch immer dann tun werden, wenn ihnen eine Regierung nicht gefällt oder zu oft widerspricht (wie es etwa Ungarns Orbán getan hat).
Dieses Tagebuch hat immer wieder zahllose Fälle angeführt, wo auch die rechtsstaatliche Qualität Österreichs mehr als fragwürdig ist. Siehe etwa zu allerletzt den eindeutig politischen Prozess gegen Karl-Heinz Grasser, wo der Richterin jetzt nach jahrelanger Dauer am Ende selbst die Bemerkung entschlüpft ist, dass die Verurteilung von Anfang an festgestanden ist. Einen ähnlich rein parteipolitischen Hintergrund hat in Italien derzeit der Salvini-Prozess. Noch schlimmer geht es in Spanien zu, wo Regionalpolitiker jahrelang hinter Gittern verschwinden, nur weil sie ein Referendum veranstaltet haben.
Dagegen verblassen alle konkreten Vorhalte, die zweifellos auch Ungarn und Polen gemacht werden können. Zweifellos gibt es auch dort problematischen Nepotismus – aber kaum schreibe ich über diesen, fällt mir die Meldung in die Hand, wie die deutsche Kanzlerin und der deutsche Außenminister gerade ihre jeweils engsten Mitarbeiter mit schönen Botschafterposten in aller Welt versorgen. So wie es bisher nur US-Präsidenten getan haben. Aber natürlich alles ganz objektiv …
Kein Zweifel: Ungarn wie Polen sind komplett eingeknickt, auch wenn sie das als "Kompromiss" zu verkaufen suchen. Sie haben ihr Vetorecht aus der Hand gegeben, ohne eine echte Gegenleistung erhalten zu haben. Sie tarnen ihre Niederlage damit, dass ein EuGH-Urteil ohnedies erst in zwei Jahren zu erwarten ist, womit sie bis dahin die Fiktion eines Erfolges aufrechterhalten werden.
Sie haben letztlich deshalb nachgegeben, weil es jetzt einmal auch für sie viel Geld auf die Hand gibt. Alleine Polen kann sich 50 Milliarden zusätzlich erwarten.
Die Macht des Geldes ...
Durch den "Durchbruch" beim Gipfel und den Wegfall der polnisch-ungarischen Vetodrohung kommt nun auf die Europäer endgültig eine noch viel schlimmere Schuldenlast zu, die vor allem Länder im Norden sehr treffen wird. Freilich: In dieser Frage sind die vorgeblich "Sparsamen" wie Österreich oder die Niederlande schon vor ein paar Wochen ohne jeden Grund eingeknickt, als sie erlaubt haben, dass die EU zum ersten Mal in ihrer Geschichte Großkredite aufnehmen kann. Freilich sind die, die das zurückzahlen müssen, also wir und unsere Kinder, nie befragt worden, ob wir das wollen …
Vor allem Italien wird jetzt an viel frisches Geld herankommen. Rund 200 Milliarden Euro! Das ist zweieinhalb Mal das ganze österreichische Jahresbudget. Das ist eine so gewaltige Summe, dass – typisch italienisch – über die Aufteilung der Beute sofort ein heftiger regierungsinterner Krieg ausgebrochen ist. Zugleich tobt auch inhaltlich schon ein Wettbewerb, welcher Politiker in Italien noch unsinnigere Projekte als die anderen zum Verbraten der Gelder aus dem Ausland ausbrüten kann.
Überschattet und übertönt durch die EU-Gipfelbeschlüsse hat die Europäische Zentralbank ihre Gelddruckmaschinen soeben auf einen noch schnelleren Gang geschaltet. Dabei hat sie schon bisher– also seit der sogenannten Lehmannkrise bis heute – ihre Bilanzsumme von 900 Milliarden auf sechs Billionen erweitert. Das hat Europas führender Ökonom Hans-Werner Sinn sehr anschaulich so umschrieben: "Die EZB hat immer mehr Zettel verteilt, die Ansprüche auf ein Sozialprodukt enthalten, das gar nicht erzeugt worden ist."
Und der prominente deutsche Wirtschaftspublizist Gabor Steingart wirft der EZB-Präsidentin Lagarde sogar vor, bei der maßlosen Schuldenpolitik "von der verschämten Regelverletzung zur vorsätzlichen Enthemmung" übergegangen zu sein. "Die Staatsbudgets des südlichen Europas werden nicht mehr überwacht, sondern finanziert."
Im Schatten der diversen politischen Gipfelkonflikte hat diese EZB nun neuerlich beschlossen, ihre Käufe von Anleihen der (zum Teil konkursreifen) EU-Staaten um weitere 500 Milliarden auszuweiten! Das sind wohlgemerkt alles Papiere, die auf dem freien Markt nie – oder zumindest nicht zu diesem "Zinssatz" verkäuflich wären.
Zugegeben: Auch die amerikanische und die japanische Zentralbank betreiben eine fast – fast – so schlimme Geldpolitik. Was aber absolut nichts daran ändern wird, dass damit Entwicklungen in Gang gekommen sind, die weit ärgere Folgen haben werden als "bloß" das jetzt schon stattfindende rapide Steigen der Aktien- und Immobilienpreise.
Durch diese Entwicklungen sind langfristig Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa tausendmal mehr bedroht als durch all das, was Polen und Ungarn vorgeworfen wird. Überdies verletzten jetzt schon EZB wie EU massiv alle rechtlichen Vorschriften, die sie eigentlich zur finanziellen Mäßigung zwingen sollten.
In absurder Diskrepanz zum internen Gummiparagraphen "Rechtsstaatlichkeit" geht die EU gegenüber der Türkei neuerlich total in die Knie. Dabei gibt es heute weltweit kein Land, das in so viele Angriffskriege verwickelt ist wie die Türkei, kein Land, das den Politischen Islam so aggressiv exportiert, das zumindest in der näheren Umgebung Europas so viele Menschen als politische Gefangene eingekerkert hat, und das völkerrechtswidriger Weise begonnen hat, auf dem Territorium von EU-Staaten nach Erdgas zu bohren.
Dennoch hat man die Türkei neuerlich vor allen relevanten Sanktionen verschont. Es wird höchstens gegen ein paar Einzelpersonen individuelle Sanktionen geben. Und nicht einmal die sind konkretisiert worden.
Geht’s noch lächerlicher und widerlicher?
Kaum haben die diversen Impfstoff-Produzenten bei der zuständigen EU-Behörde die Zulassung eines Corona-Impfstoffes beantragt, ist es schon passiert: Hacker – höchstwahrscheinlich ein ausländischer Geheimdienst – haben die eingereichten Unterlagen zu den Impfstoffen vom Computer der Europäischen Arzneimittel-Behörde gestohlen.
Während die Pharma-Firmen selbst sehr gut imstande sind, ihre Firmengeheimnisse zu sichern, ist das die EU überhaupt nicht. Sie ist also auch auf dem Gebiet der IT-Sicherheit unfähig und amateurhaft.
Ach ja: Für den daraus entstehenden Schaden werden wieder die europäischen Steuerzahler herhalten müssen, nicht die unfähige EU-Bürokratie. Seine Höhe ist vorerst noch unbekannt. Aber er kann gewaltig werden.
Die Brexit-Folgern sind der einzige Bereich, wo es noch eine minimale Restchance gibt, dass die Katastrophe abgewendet werden kann. Aber nirgendwo entsteht der Eindruck, dass sich etwa die mächtige Ratspräsidentin Merkel darum auch nur bemühen würde.
Zwar ist eindeutig der Schaden eines Brexits ohne vertragliche Regelung der künftigen Handelsbeziehungen für die Briten weit größer als für die restlichen Europäer. Aber ebenso eindeutig ist, dass die Schuld am Nichtzustandekommen eines solchen Vertrags eher in der EU zu finden ist.
Sie will mit aller Kraft die Briten demütigen und für den Brexit bestrafen. Sie will damit unbedingt allen anderen Mitgliedsstaaten zeigen: Wenn ihr austretet, dann geht es euch genauso schlecht wie den Briten, dann gibt es keine Konzessionen, dann gibt es nur noch Rache.
Vielleicht hat Brüssel mit dieser Taktik kurzfristig recht. So wie Ungarn und Polen sich durch das zusätzliche Geld aus Brüssel kleinkriegen haben lassen, so könnten andere Staaten vorerst aus ökonomischem Eigeninteresse davor zurückschrecken, den Weg zu gehen, den bisher nur die stolzen Briten gegangen sind.
Freilich: Diese Demütigungspolitik eines machtgierigen EU-Zentralismus wird ab dem Augenblick unwirksam, da sich herausstellt, dass das ganze Geld aus Brüssel eigentlich nichts mehr wert ist. Da sich zeigt, dass wir durch die Summe der europäischen Fehler nicht nur eine kurze Corona-Krise, sondern eine lange Weltwirtschaftskrise bekommen haben.
Angesichts all der zuvor geschilderten Katastrophen scheint der letzte Punkt nur eine regionale Frage zu sein. Aber auch hier zeigt sich wieder die Gier der Zentralmacht nach ständig noch mehr Kompetenzen und die Hemmungslosigkeit, mit der man über nationale oder regionale Interessen drüberfährt.
Jedenfalls hat die EU-Kommission vorgeschlagen, dass künftig Änderungen von Mautregelungen nur noch im Konsens mit den Nachbarstaaten erfolgen dürfen. Das ist eindeutig eine Lex Tirol, wo man seit Jahrzehnten unter dem Brenner-Inntal-LKW-Transit stöhnt, den man durch höhere Mautkosten auf die Bahn umlenken will. Das wird vor allem dann interessant, wenn der Brenner-Eisenbahntunnel fertig sein wird.
Aber die EU sagt jetzt schon: Nix da.
Schließlich sind in Brüssel offensichtlich deutsche und italienische Interessen wichtiger. Wie wir ja auch in vielen anderen Fragen sehen können.
Und beim Brennertunnel muss man sich ernsthaft fragen: Macht der noch einen Sinn, wenn man die LKW-Flut nicht mehr durch höhere Mauttarife auf die Bahn zwingen darf?
PS: Wie sehr der österreichische Verfassungsgerichtshof der Machtgier der EU-Instanzen ähnelt, wird hier in den nächsten Tagen eingehend Thema sein.