Die große Corona-Krise hat vor einem Jahr begonnen: Durch ein unbekanntes Virus ist damals eine größere, aber von der Außenwelt noch wochenlang unbemerkt gebliebene regionale Epidemie in einer chinesischen Provinz ausgebrochen. Genau ein Jahr später haben in vielen Ländern die ersten sehr erfolgversprechenden Impfungen dagegen begonnen. Das ist mehrfacher Anlass zu großem Jubel. Dieser darf aber nicht davon abhalten, viele nicht virus- sondern menschen- und politikgemachte Ärgerlichkeiten rund um die Corona-Krise zu nennen und tadeln.
Die erfolgreiche Entwicklung von mindestens einem halben Dutzend Impfstoffen in weniger als einem Jahr ist ein unfassbarer Erfolg der modernen Wissenschaft, des menschlichen Forschungsgeistes und der Technologie.
Diese Entwicklung ist auch ein neuer Erfolg des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs (in diesem Fall zwischen den Unternehmen der Pharma-Industrie, die jetzt zwar satte Gewinne machen, die aber auch teure Risiken im Falle eines Fehlschlages tragen hätten müssen).
Diese Entwicklung ist auch ein Erfolg vieler Länder der entwickelten Welt, die da ebenfalls viel Geld hineingesteckt haben, um den Schaden durch die Corona-Krise zu minimieren; ihr Bogen reicht von Amerika über Europa und Russland bis China (das ja längst wieder zu den entwickelten Ländern zählt). Von diesen Investitionen wird auch die unterentwickelte Welt profitieren.
Diese Entwicklung ist auch ein eindeutiger, wenn auch von den grünverseuchten Medien totgeschwiegener Erfolg der Gentechnik, die ja von den grünen Bataillonen (aber auch etlichen rechtsaußen stehenden Fähnchen) seit Jahren doktrinär und militant zum Schaden der Menschheit bekämpft wird.
Ein Teil der Impfstoffe hängt direkt und kausal mit einem weiteren wichtigen wissenschaftlichen Fortschritt zusammen: mit ganz neuen Waffen im Kampf gegen den Krebs, an dem ja im ablaufenden Jahr mehr Menschen gestorben sind als an oder mit dem Corona-Virus. Auch das sollte man bei aller Konzentration auf dessen Bekämpfung nicht vergessen.
Selbst die doktrinären Impfgegner haben bisher überraschenderweise keine gravierenden Einwände gefunden. Das haben etwa die substanzfrei herummotzenden Auftritte des burgenländischen Landeshauptmannes gezeigt.
Die bisher wie bei jeder Impfung gelegentlich beobachteten Nebenwirkungen sind gegenüber den vielen schweren Krankheitsverläufen eindeutig vernachlässigenswert. Die noch offene Frage, wie lange der Impfschutz eigentlich hält und ob die Impfung nicht alle ein oder zwei Jahre wiederholt werden muss, ist zwar spannend, kann aber ebenfalls den Erfolg nicht ernsthaft schmälern. Ebenso wenig die noch ungeklärte Frage, ob durch die Impfung geschützte Menschen weiterhin Überträger sein können. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass die Impfungen "nur" zu 90 Prozent wirken dürften.
Die neuen Corona-Ärgerlichkeiten
Dieser Erfolg überstrahlt viele andere Dinge im Corona-Krieg, die man aber dennoch nicht ignorieren darf, die man jedoch nur mit Kopfschütteln registrieren kann:
- Es dürfte zwar richtig gewesen sein, den Impfstoff gemeinsam über die EU zu beschaffen und dort nach möglichst objektiven Kriterien aufzuteilen, da sonst die Preise exorbitant in die Höhe gestiegen wären. Das kann aber den Ärger darüber nicht eliminieren, dass von Amerika bis Großbritannien und Israel schon Millionen Impfungen erfolgt sind, bevor in der EU die erste durchgeführt worden ist. Der Verdacht ist groß, dass die europäische Bürokratie wieder einmal suboptimal agiert hat (selbst wenn man die schon reihenweise verimpften russischen und chinesischen Produkte außer Acht lässt, die jedoch nicht nach westlichen Teststandards geprüft worden sind).
- Noch viel gravierender als diese Kritik am Impfbeginn ist der Vorwurf, dass zielstrebigeres Vorgehen der EU dafür sorgen hätte müssen, dass jetzt viel rascher viel größere Mengen des Impfstoffes in die Oberarme der Europäer kommen (ohne den davorliegenden wissenschaftlichen Genehmigungsvorgang zu verkürzen). Andere Länder wollen das schon bis März flächendeckend geschafft haben. Auch für Europa wäre es angesichts der gewaltigen Schäden, die jeder Tag der Pandemie anrichtet, eine gute Investition gewesen, schon vor Abschluss der Genehmigungsprozeduren große Mengen der diversen Impfstoffe verbindlich in Auftrag zu geben, sodass man ab der Genehmigung die Impfungen in wenigen Wochen und nicht erst in etlichen Monaten komplett durchführen hätte können. Selbst auf das durchaus gegebene Risiko hin, dass dann einzelne Impfstoffe mangels ausbleibenden Genehmigungserfolgs entsorgt hätten werden müssen.
- Eine wirkliche Peinlichkeit ist es, wie lange der schon Anfang Dezember groß verkündete Gratisversand sogenannter FFP-2-Masken dauert. In Zeiten von Amazon & Co ist es einfach nicht mehr akzeptabel, dass dafür ein ganzer Monat vergeht. Noch weniger akzeptabel ist, dass man für diese Verspätung von Regierung oder Bürokratie nie eine ausreichende Erklärung bekommen hat (während – das unsympathische, aber für seine Leistung zu respektierende – Amazon sogar die alljährlichen vorweihnachtlichen Streikaktionen der Gewerkschaften alljährlich folgenlos überspielen kann).
- So wenig die Argumente der Impfgegner überzeugen können, so skandalös ist es, wenn in mehreren europäischen Ländern disziplinar- und möglicherweise sogar strafrechtlich gegen jene kleine Minderheit unter den Ärzten vorgegangen wird, die sich gegen das Impfen und/oder Testen aussprechen. Damit nimmt man der riesigen Mehrheit der Ärzte, die sich aus eigener Überzeugung klar für die Vorteile und Notwendigkeit von Impfen und Testen aussprechen, viel von ihrer Glaubwürdigkeit. Mit solchen Maßnahmen erregt man in sehr vielen Menschen nur Misstrauen gegenüber den Aussagen der großen Mehrheit. Damit wird unsere Gesellschaft zusätzlich zu den ohnedies unerträglich vielen österreichischen und europäischen Gesetzen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit noch ein weiteres Stück totalitärer.
- Ein echter Skandal sind auch die ständig wechselnden Vorschriften für die Wirtschaft, besonders schlimm zuletzt für die Betreiber von Berghütten. In ihnen hat man im Frühwinter lange den Glauben geschürt, dass sie bei Einhaltung aller aufwendigen Sicherheitsvorschriften ab 25. Dezember an Skifahrer Essen verkaufen dürfen, etwa an Fenster oder Tür. Das würde ja auch – gemäß dem Gleichheitsprinzip – den Regeln für die städtischen Wirtshäuser entsprechen.
Im letzten Augenblick sagte aber dann der Verordnungsgeber plötzlich: Geht doch nicht, lediglich die Toiletten (im ORF-Jargon: "Häusln") dürfen offen sein. Das ist provozierend und zeigt wieder einmal juristisch-politische Überforderung im Gesundheitsministerium, wo ja all die Verordnungen ihren Ursprung haben. Hatten die ohnedies schon geschädigten Hüttenwirte doch inzwischen um viel Geld nicht nur Sicherheitsvorkehrungen organisiert, sondern auch Lebensmittel für die – erwartungsgemäß – jetzt in die Berge strömenden Massen gebunkert.
Damit erleben wir wieder einmal ein besonders krasses Beispiel, wie rücksichtslos Bürokraten mit sich abmühenden Bürgern umspringen, wie hemmungslos sie fremdes Geld vernichten – in diesem Fall entweder das der Hüttenwirte oder das der Steuerzahler (wenn diese am Ende wieder einmal einspringen müssen, sollte der Verfassungsgerichtshof diese Regeln wieder einmal aufheben). Solcher Pfusch ist leider alles andere als ein Einzelfall gewesen.
- Wenig erbaulich ist auch das weihnachtliche Gedränge bei einem Teil der Skigebiete: So nachvollziehbar das Offenhalten ist, so unverständlich ist, dass nicht in allen Skigebieten selbst die Anfahrt nur noch dann möglich ist, wenn man sich vorher elektronisch ein Ticket für den entsprechenden Zeitraum gekauft hat.
- Ein spannender Streit ist über das bevorstehende "Freitesten" ausgebrochen: Soll die Polizei die Geschäfte, Wirtshäuser und Veranstalter kontrollieren, ob diese für Ende Jänner angekündigte Regelung auch eingehalten wird, also ob wirklich nur Menschen mit Test-Bescheinigungen hineingehen? Oder sollen das die Unternehmer selber kontrollieren (lassen) müssen? Keine der beiden Seiten will diesen Schwarzen Peter (und die durch die Kontrollen entstehende Kostenlast) in die Hand bekommen.
Dabei ist völlig klar: Es ist einerseits unakzeptabel, wenn der Staat die in vielen Bereichen ohnedies wankende Wirtschaft dauernd zu noch mehr Corona-Aufwand zu zwingen versucht, und wenn sich gleichzeitig die im Frühjahr überrepressiv selbst bei Spaziergängern auftretende Polizei plötzlich generell abzuputzen beginnt und nicht einmal Stichproben durchführen will. Andererseits wäre es mit Sicherheit im offenbar derzeit noch nicht begriffenen Eigeninteresse vieler Unternehmer, Wirte und Veranstalter, wenn sie ihren Kunden und Gästen garantieren würden: "Bei uns dürfen nur getestete Menschen herein, was wir auch konsequent kontrollieren werden: Daher können Sie zu uns ohne Risiko, durch andere angesteckt zu werden, kommen." Wetten, es würde ein Erfolg werden, wenn manche Unternehmen das verkünden - vor allem wenn Konkurrenten wegen des befürchteten Aufwandes und Abschreckungseffekts gar nicht aufsperren werden? Wetten, das würde dann für viele Kunden ein starkes Argument sein, in solche sicheren Geschäfte zu kommen, also vor allem für die Ängstlichen, für die Verantwortungsbewussten, für die Älteren, für die Kränkelnden? Und vor allem: Bevor man sich darüber streitet, sollte geklärt sein, wie man es überhaupt verhindert, dass ein "Max Mustermann", der einen Zettel in der Hand hat, demzufolge "Max Mustermann" gerade getestet worden ist, in einem Land ohne Ausweispflicht auch wirklich der "Max Mustermann" ist. Sonst ist das Ganze ja den Aufwand und Streit nicht wert, weil solche Zettel bald Füße bekommen würden …
- Mehr als ärgerlich ist auch, warum nicht alle Heime und Spitäler in ganz Österreich schon längst jene Testpflicht für Besucher eingeführt haben, die dort Kranke und Alte besuchen (oder vielfach überhaupt nicht mehr besuchen dürfen!). In Kärnten hingegen muss jeder Besucher einen aktuellen Antigen-Test haben. Hat man die typische Populistenangst davor, bisweilen auch von Pflichten zu sprechen – selbst dort wo sie einmal wirklich sinnvoll sind?
- Unverständlich ist auch, warum sich nicht wie in anderen Ländern alle österreichischen Parteichefs, Minister und Landesregierungsmitglieder längst in öffentlichen Erklärungen geschlossen bereiterklärt haben, sich impfen zu lassen, sobald ihre Alterskohorte die Möglichkeit dazu hat.
- Ärgerlich sind aber auch wieder einmal die ständigen Kritiker aller österreichischen Maßnahmen. Sie ignorieren eiskalt den Corona-Offenbarungseid jener zwei Länder, die bisher immer wieder als leuchtende Gegenbeispiele genannt worden sind: Schweden und Russland.
In Schweden, das lange auf Zwangsmaßnahmen verzichtet hat, müssen ob der (gegenüber Österreich schlechteren) Zahlen jetzt solche eingeführt werden; dort hat sogar der eigentlich zur Zurückhaltung verpflichtete König öffentlich Tadel an der Regierungspolitik geäußert.
Und in Russland ist über Nacht die Gesamtzahl der an oder mit Corona Verstorbenen kurzerhand verdreifacht worden, womit das Land unter die zehn Länder mit den im Verhältnis zur Einwohnerzahl höchsten Todeszahlen rückt und nun schlechter ist als die vom linken ORF ständig verhöhnten USA oder Großbritannien. Russland zeigt damit im übrigen auch wieder einmal, wie wenig man sich auf irgendwelche Daten aus undemokratischen Ländern verlassen kann.
PS: Ob der Frage, wer die Freitestungen eigentlich kontrollieren wird, ist nun auch der erste öffentlich ausgetragene Konflikt zwischen zwei ÖVP-Ministern (Innenminister Nehammer und Tourismusministerin Köstinger) ausgebrochen, der auch prompt der Gewerkschaft eine Chance gebracht hat, sich wichtig zu machen. Ein bedenkliches Signal für Sebastian Kurz. Schuld an dem öffentlichen Ringen ist eindeutig Nehammer, der als erster mit einem offenbar nicht abgesprochenen Statement in die Öffentlichkeit gegangen ist.
PPS: Während bei uns sämtliche Politiker und erst recht Medien den Datenschutz und die Freiwilligkeit bei allen Maßnahmen als wichtigste Errungenschaft hinstellen, hat Spaniens Gesundheitsminister angekündigt, an die anderen EU-Länder die Namen von Impfverweigerern weiterzugeben. Von einem Extrem ins andere ....
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